Goldman Sachs: Der Top-Banker als Steuertrickser
Alexander Dibelius gilt nicht nur als einer der einflussreichsten Banker Deutschlands, sondern auch als einer der bestbezahlten. Im Vorjahr schüttete Goldman Sachs an ihre 129 Investmentbanker in Deutschland insgesamt 50 Millionen Euro aus, um ein Drittel mehr als 2011. Wie viel davon direkt an Deutschland-Chef Dibelius floss, weiß nur er selbst. Was er mit seinen Millionen getan hat, wird er nun dem deutschen Fiskus genau erklären müssen.
Der deutschen Bild am Sonntag wurden nämlich heikle Dokumente zugespielt. Demnach hat Dibelius den Kauf einer millionenschweren Immobilie im Londoner Nobelviertel Belgravia (gilt als Zentrum der internationalen Finanzelite) über zwei Briefkastenfirmen auf den Britischen Jungferninseln abgewickelt. Nach deutschem Steuerrecht hätte er die Briefkastenfirmen den Steuerbehörden melden müssen. Das hat er laut Bericht aber nicht getan. Das Objekt, das Dibelius 2008 steuerschonend um 4,2 Millionen Euro erwarb, soll nach umfassenden Renovierungen heute 17 Millionen Euro wert sein. Dibelius soll sich durch das Zwischenschalten der Briefkastenfirma 1,4 Millionen Euro an Steuern erspart haben. Verkauft hat er die Immobilie jedoch noch nicht.
Nicht verschleiert
„Ich habe nicht versucht, etwas zu verschleiern“, beteuert Dibelius gegenüber Bild, er habe lediglich „die Dienstleistung eines Firmenverwalters in Anspruch genommen“. Er komme auch seinen steuerlichen Verpflichtungen in Deutschland „vollumfänglich“ nach und führe die Transaktionen selbstverständlich aus versteuertem Einkommen oder Krediten durch. Beraten ließ sich Dibelius bei seinen Immobiliengeschäften angeblich von einem früheren Top-Manager der Deutschen Bank, der als Immobilienentwickler in London tätig ist.
Pikant: Obwohl es sich angeblich um ein privates Investment handelte, wickelte Dibelius seine Briefkasten-Deals über seine Büroadresse bei Goldman Sachs in Frankfurt ab. Er beauftragte dafür eigens eine Mitarbeiterin. Er sei an dieser Adresse am besten erreichbar, rechtfertigt sich der Top-Banker. Doch die Ethikrichtlinien der US-Investmentbank untersagen ausdrücklich, das Firmeninventar oder die Stellung in der Firma „zum eigenen Vorteil zu nutzen“.
Goldman Sachs wollte sich am Sonntag nicht zu dem Artikel äußern. Allerdings ist es nicht ungewöhnlich, dass „Goldmänner“ Luxusimmobilien erwerben. Erst vor einem Jahr geriet Goldman-Konzernchef Lloyd Blankfein in die Schlagzeilen, als er für 35 Millionen Dollar (25 Mio. Euro) ein herrschaftliches Anwesen in Bridgehampton, 100 Kilometer östlich von New York, erwarb. Er kann es sich locker leisten. Mit fast 21 Millionen Dollar (15 Mio. Euro) kassierte er 2012 den höchsten Jahresgehalt eines Bankers seit Ausbruch der Finanzkrise.
Dibelius, der als enger Vertrauter von Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel gilt, beurteilte zuletzt die Rolle der Investmentbanken bei der Finanzkrise sehr (selbst)kritisch. Nicht alles, was gemacht werden dürfe, müsse auch gemacht werden, sagte Dibelis in einem Spiegel-Interview. In der Klatschpresse war in diesem Jahr die Millionenscheidung des 53-Jährigen von seiner Frau Andrea, einer gebürtigen Salzburgerin, ein großes Thema. Das Ehe-Aus kam nach zehn gemeinsamen Jahren. Dibelius ist eigentlich promovierter Chirurg, wechselte aber schon in jungen Jahren zur Unternehmensberatung McKinsey. Seit 1993 ist er bei Goldman Sachs.
Wie mächtig ist die US-Investmentbank Goldman Sachs? Soll mit den plötzlich aufgetauchten Immobiliendeals Deutschland-Chef Alexander Dibelius abmontiert werden? Dibelius gilt als Berater von Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel in Finanzfragen und sitzt damit im Zentrum wichtiger politischer Weichenstellungen.
Der angebliche „Freundeskreis der Goldmänner“ in zentralen Machtstellen der Finanz- und auch politischen Welt ist Gegenstand vieler Mythen. Zufällig oder nicht: Sowohl in den USA als auch in Europa sitzen immer wieder ehemalige Topbanker des Unternehmens in entscheidenden Positionen.
Die Liste reicht von EZB-Chef Mario Draghi über Ex-Weltbank-Chef Robert Zoellick, den Vorsitzenden des Finanzstabilitätsrates und somit obersten Bankenregulierer Mark Carney, bis hin zum Deutsche-Bank-Aufsichtsratschef Paul Achleitner und Ex-US-Finanzminister Henry Paulson. Letzterer rettete – angeblich – im Auftrag von Goldman mit Staatsgeld den US-Versicherungsriesen AIG und ließ Rivalen Lehman Brothers fallen. Auch Italiens Kurzzeit-Premier Mario Monti sowie sein Vorgänger und Ex-EU-Kommissionspräsident Romano Prodi waren früher bei Goldman.
Ob mit oder ohne politischen Einfluss: Der 1882 von den deutschen Auswanderern Marcus Goldman und dessen Schwiegersohn Samuel Sachs gegründeten Bank geht es blendend. Im Vorjahr kletterte der Jahresgewinn um 191 Prozent auf 7,4 Milliarden Dollar.
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