Gleicher Lohn bleibt eine Illusion
Die seit Jänner 2013 gesetzlich vorgeschriebene Gleichbehandlung von Leiharbeitern und Stammbelegschaft am Arbeitsplatz bleibt ein Wunschdenken. Jeder vierte Betrieb stuft Leiharbeiter in eine falsche Gehaltsklasse ein, bei jedem zweiten werden diverse Zulagen oder Prämien nicht ausbezahlt, geht aus einer Umfrage von Arbeiterkammer (AK) und Gewerkschaft Pro-Ge hervor.
"Die Situation hat sich durch die strengeren Vorschriften zwar etwas verbessert, aber es gibt nach wie vor gravierende Diskriminierungen", resümiert Heinz Leitsmüller, Leiter der Abteilung Betriebswirtschaft in der AK Wien. So käme die Hälfte der Beschäftigerbetriebe ihrer Verpflichtung zur Förderung der Aus- und Weiterbildung nicht nach und auch bei Sozialleistungen wie Kantinenzugang gebe es nach wie vor Unterschiede zur Stammbelegschaft.
Ein erklärtes Ziel der Gewerkschaft scheint zumindest vorläufig erreicht worden zu sein. Die Zahl der heimischen Leiharbeiter ist im Vorjahr um 8,5 Prozent auf knapp 72.000 (Stichtagserhebung vom Juli) zurückgegangen. Doch die Statistik trügt: Einerseits gibt es in der Industrie große Konjunkturschwankungen, anderseits werden ausländische Leiharbeitskräfte, die nach Österreich entsendet werden, nur unzureichend erfasst. Diese müssten zwar offiziell registriert und gleich entlohnt werden wie Inländer, doch die Praxis sieht anders aus. Erich Pichorner, Branchensprecher der Arbeitskräfteüberlasser in der Wirtschaftskammer, geht davon aus, dass bis zu 10.000 ausländische Billig-Leiharbeiter in Österreich arbeiten: "Ausländische Anbieter halten sich oft an gar keine Gesetze und booten inländische Firmen konsequent aus."
Sub-Sub-Firmen
Mittels komplizierter Vergabekonstruktionen über Sub-Sub-Firmen werden Vorschriften unterlaufen, Kontrollen über die tatsächliche Entlohnung im Ausland sind fast unmöglich. Überprüft wird ferner nur die Einhaltung der Mindestlöhne und nicht, ob Referenzzuschläge für Leiharbeiter korrekt bezahlt wurden. Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter begrüßen daher die geplante Verschärfung der EU-Entsenderichtlinie (siehe Artikel rechts).
Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort – dieses Prinzip sollte greifen, wenn Firmen bzw. ihre Mitarbeiter in der EU grenzüberschreitend tätig sind. In der Praxis ist das oft nicht der Fall: Durch verschachtelte Konstruktionen werden Gesetze und Kollektivverträge umgangen. Wie das aussehen kann, skizziert SPÖ-EU-Mandatarin Evelyn Regner gegenüber dem KURIER so: "Wir hatten den Fall, dass in Frankreich ein Atomkraftwerk gebaut wurde. Eine Personalleasing-Firma in Irland hat über eine Briefkastenfirma auf Zypern Arbeiter in Bulgarien und Rumänien rekrutiert. Die haben in Frankreich gearbeitet, wurden aber natürlich nicht nach dortigen Standards beschäftigt."
Um solchen Fällen entgegenzuwirken, hat das EU-Parlament am Mittwoch strengere Regeln bei der Durchsetzung der sogenannten Entsende-Richtlinie beschlossen: Auftraggeber im Baugewerbe sollen für ihre direkten Auftragnehmer haften. Ausländische Firmen müssen Kontaktpersonen vor Ort nennen, die, "den Kopf hinhalten", wie Regner sagt. Für die SPÖ-Abgeordnete sind die neuen Regeln ein "wichtiger Schritt gegen Lohn- und Sozialdumping". In der Wirtschaftskammer heißt es, damit werde "unlauterem Wettbewerb im Binnenmarkt" Einhalt geboten.
Die EU-Staaten müssen noch zustimmen, es gibt aber bereits eine informelle Einigung mit dem Parlament.
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