Gezerre um EU-Klimapolitik: Atomlobby gegen Öko-Fans

Richtungsstreit: Wohin führt der Weg?
Das neue EU-Klimaziel ärgert die Industrie, freut aber die Atom-Branche. Fragen und Antworten.

Was sollen die Staats- und Regierungschefs der EU bei ihrem Gipfel in Brüssel (Donnerstag/Freitag) beschließen?

Zur Debatte steht die Festlegung eines neues Klimaziels für das Jahr 2030. Der Vorschlag der EU-Kommission lautet: Der CO2-Ausstoß aller Mitgliedstaaten soll 2030 um 40 Prozent tiefer sein als 1990. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird es bei diesem Gipfel aber noch zu keinem Beschluss kommen. Die Standpunkte der EU-Staaten sind zu unterschiedlich. Frühestens beim nächsten Gipfel im Juni wird eine Einigung erwartet.

Warum muss überhaupt ein neues Klimaziel vereinbart werden?

Im Jahr 2020 läuft die aktuelle Klima-Vereinbarung aus. Diese sieht drei Ziele vor: Erstens sollen im EU-Durchschnitt die Kohlendioxid-Emissionen um 20 Prozent unter 1990 fallen. Zweitens soll der Anteil Erneuerbarer Energien auf 20 Prozent des gesamten Energieverbrauchs steigen und drittens soll die Energieeffizienz durch Einsparmaßnahmen um 20 Prozent verbessert werden. Jetzt wird um eine Nachfolgevereinbarung für die 2020-Ziele gerungen.

Wird das 2020-Ziel erreicht?

Mit großer Wahrscheinlichkeit: ja. EU-weit wurden bis jetzt die Emissionen bereits um 17 Prozent reduziert. Minus 20 Prozent ist daher in Reichweite. Die Wirtschaftskrise hat allerdings einiges zur Verringerung des CO2-Ausstoßes beigetragen. Aber auch der Ausbau der Erneuerbaren Energien und die thermische Sanierung der Gebäude ist vorangeschritten.

Hat auch Österreich das Ziel erreicht?

Österreich hat sich ein ambitionierteres Ziel als die EU gesetzt: minus 16 Prozent CO2 von 2005 bis 2020. Das ist deshalb ambitionierter, weil 2005 der Ausstoß deutlich höher war als 1990, dem Basisjahr für die EU-Klimaziele. Österreich dürfte sein Ziel nicht erreichen. Grund: Die Industrie hat schon in der Vergangenheit die Emissionen stark verringert. Ein weiterer Abbau ist daher nur schwer möglich. Bei den Erneuerbaren liegt Österreich dagegen gut: 34 Prozent des Energieverbrauchs stammen aus erneuerbaren Quellen.

Wird es auch für 2030 drei Ziele geben?

Nein. Dem Vorschlag der EU-Kommission zufolge wird es nur ein CO2-Reduktionsziel geben, aber kein verbindliches Ziel für die Erneuerbaren und auch keines für die Energieeffizienz. Global 2000 und Greenpeace sowie die Grünen kämpfen weiter für drei Ziele.

Warum kommt das CO2-Ziel der Atomenergie zugute?

Atomkraftwerke stoßen im Gegensatz zu Kohle- oder Gaskraftwerken kein CO2 aus. Atomstrom geht daher als klimafreundlich durch. Grüne und Umweltschützer fordern daher, dass es auch ein verbindliches Ziel für Erneuerbare Energien in der EU gibt. Damit würde ein Aufleben der Atomkraft verhindert.

Welche Befürchtungen hat die Industrie, wenn die EU ein Klimaziel vorschreibt?

Für die Industrie kann die Emission von Kohlendioxid teuer werden. Das würde ihre Wettbewerbsfähigkeit verschlechtern. Die großen Unternehmen müssen EU-weit für jede Tonne CO2, die sie emittieren, ein Zertifikat vorweisen. Diese Zertifikate wurden bisher von den nationalen Regierungen großteils gratis vergeben. Hatte ein Unternehmen zu wenig Zertifikate, musste es von anderen Konzernen, die zu viel hatten, zukaufen. Derzeit kostet ein Zertifikat nur fünf bis sechs Euro je Tonne. Die EU will das Angebot der Zertifikate verknappen und so den Preis in die Höhe treiben. 35 Euro müsste die Tonne CO2 kosten, sagt Global 2000. Nur dann würden schmutzige Kohlekraftwerke unrentabel und die Industrie würde Emissionen reduzieren.

Ist die Industrie hauptverantwortlich für den Ausstoß von CO2?

In Österreich stammt etwa ein Drittel der Kohlendioxid-Emissionen von Industrie und Kraftwerken. Ein weiteres Drittel kommt vom Verkehr und ein Drittel von der Raumwärme. Die Industrie betont, dass sie bereits viel getan hat, um die Emissionen zu verringern. "Mehr geht technisch nicht", betont Industriellen-Präsident Georg Kapsch. Wenn die EU Kohlendioxid stark verteuert, werden Betriebe abwandern und Arbeitsplätze verloren gehen, warnt er. Die Grünen kontern: Strenge Ziele fördern die Innovationskraft.

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