Gewerbereform: Warum der Hufschmied beschlagen sein muss
Jeder, der sich dazu berufen fühlt, soll in Österreich Pferde beschlagen, Speiseeis herstellen, Fahrräder flicken oder Fingernägel modellieren dürfen. Mit der Abschaffung der 21 Teilgewerbe und der weitgehenden Liberalisierung der Nebenrechte trat schon am 17. Oktober ein Teil der im Vorjahr beschlossenen Gewerbereform in Kraft. Der zweite Teil wird ab heute, Dienstag, umgesetzt. Ziel: Weniger Bürokratie, mehr Wettbewerb.
Mit der Reform wurde im Oktober auch der früher teilgeregelte Beruf des Hufschmieds ein freies Gewerbe. Die neue Konkurrenz durch Reitlehrer oder Reitstallbesitzer, die jetzt ohne jeglichen Befähigungsnachweis am Pferdefuß herumraspeln, ließ nicht lange auf sich warten. Josef Frech, Sprecher der rund 400 Hufschmiede in Österreich, schlägt Alarm. „Die Arbeit am lebenden Tier erfordert hohe fachliche Kompetenz. Falsch beschlagene Hufe stellen nicht nur für Reiter eine Gefahr dar, sondern auch für die Gesundheit der Pferde“, schildert er dem KURIER. Unterstützung erhalten die Hufschmiede von den Tierärzten, die ebenso wie tausende Pferdebesitzer kürzlich eine Petition an die Regierung unterzeichneten. Darin fordern die Hufschmiede eine Aufnahme des Huf- und Klauenbeschlags in die Liste der reglementierten Gewerbe. Nur so könne die berufliche Qualifizierung durch die vor acht Jahren wiedereingeführte Lehrausbildung gesichert werden.
Die Hufschmiede sind nicht die einzigen, die mit der Liberalisierung hadern. Auch in anderen sensiblen Bereichen wie der Herstellung von Speiseeis, der Fahrradtechnik, der Autoverglasung und den Nagelstudios hatte es im Vorfeld Warnungen vor unqualifizierter Billig-Konkurrenz gegeben. Vor allem deshalb, weil die Kontrolle der nötigen Kompetenzen allein dem Markt überlassen wird. Im Falle einer unqualifizierten Speiseeis-Erzeugung droht etwa Gesundheitsgefährdung durch Bakterien wie Salmonellen oder Listerien. In Deutschland, wo das Gewerbe schon 2004 freigegeben wurde, kam es bei Speiseeis-Stichproben zu alarmierenden Ergebnissen. Konsumentenschützer fordern dort schärfere Kontrollen.
Nagelstudios
Einen regelrechten Run gibt es auf das freie Gewerbe „Modellieren von Fingernägeln“, zuvor Teil des Kosmetik-Gewerbes. Seit Oktober hat sich die Anzahl an Nagelstudios um ein Sechstel oder rund 510 Betriebe erhöht. Was die etablierten Betriebe am meisten stört: Die Qualifikation der Neulinge, die oft mit Billig-Preisen um Kundschaft buhlen, ist völlig unbekannt. Bisher galt zumindest eine Lehrabschlussprüfung und ein Jahr Praxis als Voraussetzung für den Dienst am Nagel. Die Bundesinnung der Kosmetiker griff daher zur Selbsthilfe und führte vor kurzem ein eigenes Qualitäts-Gütesiegel ein. Unsachgemäßes Modellieren könne zu großen gesundheitlichen Problemen wie Nagelpilzerkrankungen führen, warnt Bundesinnungsmeisterin Dagmar Zeibig. „Wir wollen, dass die Kunden heimischer Nagelstudios die Gewissheit haben, dass diese auch über eine entsprechende berufliche Qualifizierung verfügen“, begründet sie die Einführung des Qualitätssiegels.
Um das Gütesiegel führen zu dürfen, müssen sich alle Branchen-Newcomer einen mehrstündigen schriftlichen und praktischen Kompetenzcheck unterziehen. Dabei sind facheinschlägige Kenntnisse unter anderen in Anatomie, Dermatologie, Kräuterlehre, Physik, Hygiene oder Gewerberecht nachzuweisen. „Bei den Gütesiegeln geht es darum, die alte Ausbildung sichtbar zu machen“, sagt Reinhard Kainz, Bundesgeschäftsführer der Sparte Gewerbe/Handwerk in der Wirtschaftskammer (WKO).
„Meisterbetrieb“
Dass es im Zuge der Liberalisierung zu einem Wildwuchs an diversen Branchen-Gütesiegeln kommen wird, glaubt Kainz nicht. Eine Vereinheitlichung wird angestrebt. So verhandelt die WKO gerade mit der Regierung, um das vom Handwerk bekannte staatlich geprüfte Qualitätssiegel „Meisterbetrieb“ auf alle reglementierten Gewerbebetriebe auszuweiten. Im Regierungsprogramm ist von einer Aufwertung des Meisters und von einem „Unternehmensqualifikationsgesetz“ die Rede, das künftig den Zugang zum Gewerbe regeln soll. Bisher gibt es aber nicht mehr als Überschriften.
Gewerbeordnung neu: Was sich am 1. Mai ändert
Freie Gewerbe
Davon gibt es 440. Diese wurden um 21 bisher geregelte
Teilgewerbe erweitert. Wer mehrere freie Gewerbe ausübt, braucht ab 1. Mai nur noch eine Gewerbeberechtigung („Single License“). Zur Gewerbeberechtigung erhält man bei der ersten Anmeldung auch eine Gewerbelizenz, die zu weiteren Tätigkeiten berechtigt. Diese müssen in der Folge nur noch mittels Meldung im Online-Gewerberegister angezeigt werden.
Nebenrechte
Bis zu 30 Prozent des Jahresumsatzes können in anderen freien Gewerben gemacht werden. Erst wenn die 30 Prozent überschritten werden, muss die Tätigkeit angezeigt werden.
Beraten statt Strafen
Unterbleibt die Anzeige und es kommt zu Gewerbeüberschreitungen, gilt ab 1. Mai das Prinzip „Beraten statt Strafen“.
Es bleiben drei Wochen Zeit, die Anzeige nachzureichen.
Nähere Infos finden Sie hier
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