Angeschrien, beschimpft, beleidigt: Gewalt im österreichischen Handel nimmt zu

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Im Weihnachtsstress steigt die Aggressivität gegenüber dem Personal. "Unserer Mitarbeiterinnen müssen viel aushalten", erzählt die Rewe-Betriebsrätin.

Stau vor der Kassa oder dem Pfandautomaten, das Rabattpickerl ist ungültig, die gewünschte Ware in der Filiale vergriffen: Der Frust lässt den Blutdruck steigen und schnell brennen die Sicherungen durch. „Vor Weihnachten sind alle Kunden gestresster und je gestresster sie sind, umso aggressiver werden sie und lassen es an unseren Mitarbeitern aus“, schildert Rewe-Konzernbetriebsrätin Sabine Grossensteiner dem KURIER.

Jede/r zweite von Gewalt betroffen

Laut einer Umfrage der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA) unter 1.513 Handelsangestellten wurden mehr als die Hälfte selbst schon einmal von Kunden angeschrien oder eingeschüchtert. 57,8 Prozent wurden schon beschimpft oder beleidigt, mehr als ein Drittel war mit Hänseleien oder Verspottung konfrontiert. 

Anmerkung: Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) definiert Gewalt am Arbeitsplatz als „jede Handlung oder jedes Verhalten, das von gesellschaftlich akzeptierten Normen abweicht und im Zusammenhang mit der Arbeit dazu führt, dass eine Person bedroht, beleidigt, psychisch oder physisch verletzt wird“. 

Gewalt nimmt zu

Laut Umfrage sieht mehr als die Hälfte der Befragten grundsätzlich eine Zunahme von Gewalt in den vergangenen fünf Jahren. Frauen sind von Grenzüberschreitungen besonders betroffen. Auch tätliche Übergriffe von Kunden hätten sich in den letzten Jahren gehäuft, erzählt Grossensteiner. Dass Mitarbeiter an den Haaren gerissen, gerempelt oder geohrfeigt werden, seien leider keine Einzelfälle mehr. „Unsere Mitarbeiterinnen müssen wirklich viel aushalten“.

Mehr Zivilcourage gefordert

Bei Rewe gibt es für Betroffene Angebote wie Supervision oder psychologische Beratung. „Jeder Mitarbeiter reagiert unterschiedlich auf solche Vorfälle, die Maßnahmen sind individuell“, so die Betriebsrätin. Wichtig sei es, den Rücken zu stärken und auch das Fehlverhalten der Kunden zu ahnden. Hier wünscht sich Grossensteiner mehr Zivilcourage von anderen Kunden, die eingreifen, wenn Übergriffe im Geschäft stattfinden. Sie kann sich auch eine Bewusstseinskampagne des Handels für mehr Respekt und Wertschätzung gegenüber dem Personal vorstellen.

Forderungen der Handelsgewerkschaft

Die GPA fordert unter anderem die Einrichtung eines Gewaltschutzbeauftragten ab 20 Beschäftigten sowie eine Mindestbesetzung in den Filialen. Angestellte hätten oft gar keine Chance, die Situation an der Kassa zu entschärfen, weil niemand mehr da sei. Auch auf die räumliche Gestaltung der Geschäfte müsse mehr geachtet werden. 

So würden enge Gänge oder zu kleine Kassabereiche Kunden in Stresssituationen bringen. Grossensteiner wünscht sich besonders in der Weihnachtszeit „mehr Geduld, Respekt, Wertschätzung und Anerkennung den Mitarbeitern gegenüber“. So stehe am 24. 12. das Personal schon früh im Geschäft, um die vielen Vorbestellungen zu richten, und komme erst am späten Nachmittag nach Hause, um selbst noch das Weihnachtsfest für die Lieben vorzubereiten.

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