Online-Hass gegen Sportlerinnen: "Sie vergessen, dass wir Menschen sind"
Attackiert: Leichtathletin Hunter Bell (li.) Turnerin Biles (hinten) und die Tennisspielerinnen Paszek und Serena Williams.
Nein, es sind keine Einzelfälle. Neun von zehn Spitzensportlerinnen haben online innerhalb der vergangenen zwölf Monate Belästigungen oder eine Form von Sexismus oder Rassismus erlebt. Dies geht aus einer Studie der Deakin University in Australien aus dem Jahr 2024 hervor. Am häufigsten ging es um persönliche Beleidigungen (81 Prozent), Hassrede (62 Prozent), Versuche, jemanden bloßzustellen (60 Prozent) sowie allgemeine und sexuelle Belästigung (50 bzw. 39 Prozent).
Das Dilemma der Sportlerinnen
„Die Sportlerinnen befinden sich in einem Dilemma“, sagt Kim Toffoletti, eine der Autorinnen der Studie. „Denn mehr als 97 Prozent der Sportlerinnen gaben an, dass die Präsenz auf Social Media für sie unbedingt notwendig ist. Entweder für den Verein oder um für Sponsoren attraktiver zu sein.“
Die britische Mittelstreckenläuferin Georgia Hunter Bell beobachtet die „dunkle Seite“ des Internets ebenfalls genau: „Ich meide Social Media an Wettkampftagen, weil ich weiß, was da auf mich zukommt.“
Tatsächlich bezogen sich bei den Olympischen Spielen in Paris in der Leichtathletik 87 Prozent aller Hassnachrichten auf Frauen, wie aus einer Untersuchung des Weltverbandes hervorgeht.
In Österreich machte etwa Tennisspielerin Tamira Paszek Hass, Spott und Morddrohungen gegen ihre Person auf Social Media öffentlich. „Du bist extrem hässlich. Kannst du sterben? Fucking Anfängerin!“ schrieb ein User etwa. Oft werden solche Nachrichten von Personen verfasst, die Sportwetten auf das betreffende Spiel verloren haben.
Paszeks deutsche Tennis-Kollegin Eva Lys machte 2024 und 2025 Schlagzeilen, als sie die ihr geschickten Hassnachrichten öffentlich machte. „Bring dich um du Stück Sch***e“, wird etwa gepostet. Regelmäßig werde sie beleidigt, bedroht und gestalkt. Auch Lys sieht vor allem in Menschen, die auf Spiele wetten, das Hauptproblem. „Ich werde niemals schweigen“, sagt sie. „Das darf nie normal werden.“
Die Japanerin Naomi Osaka erlebte die besonders grausame Kehrseite des Ruhms. Als sie sich 2020–2021 wegen mentaler Probleme zurückzog, wurde sie online mit Hassbotschaften überschwemmt. „Ich habe das Gefühl, dass die Leute vergessen, dass wir Menschen sind“, sagte sie. Sportlicher Erfolg sei keine Einladung für Respektlosigkeit.
Die erfolgreichste Tennisspielerin der Geschichte ist laut Untersuchungen jene Sportlerin, die am öftesten und heftigsten angegriffen wird. Immer wieder berichtet Serena Williams von sexistischen Kommentaren und Trolling. Zu wütend, zu schwarz, zu männlich und gleichzeitig zu weiblich. In einem Interview sagte sie: „Ich habe gelernt, dass man auf sein eigenes Wohlbefinden achten muss, egal, was andere sagen.“
Als sich US-Turn-Star Simone Biles 2021 wegen des zu großen Drucks zurückzog, wurde auch sie zur Zielscheibe von Online-Hass, den sie als „entmenschlichend und verletzend“ bezeichnete. Sie erklärte: „Ich kämpfe auf der Matte, aber ich kämpfe auch mit der Tatsache, dass Menschen meinen Schmerz online ausnutzen.“
Beratungsstelle gegen Hass im Netz: www.zara.or.at
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