MAM

Genuckelt wird auch in Krisenzeiten

MAM-Chef Röhrig: "Verkaufen nur 1,5 Prozent unserer Produktion in Österreich"
Der Schnuller-Produzent aus Ottakring baut ein Werk in Thailand und expandiert nach Saudi-Arabien.

Vor 40 Jahren hat der Kunststofftechniker Peter Röhrig die Baby-Artikel-Firma MAM gegründet, die es mit ihren Schnullern selbst in den USA zum Marktführer geschafft hat. Im KURIER-Gespräch erzählt er, warum er sich Sorgen um den Standort Österreich macht und warum es ihn in absehbarer Zeit nicht nach Indien zieht.

KURIER: Sie machen knapp ein Drittel Ihres Geschäfts in den USA, sind dort Marktführer. Tangiert Sie der neue US-Präsident Trump?

Peter Röhrig: Als Unternehmer überhaupt nicht, aber persönlich leide ich wie viele andere unter dem Wahlergebnis. Ich denke, wir müssen jetzt abwarten. Wir können ja nicht annehmen, dass alle Amerikaner Idioten sind, die ihn gewählt haben. Vielleicht haben wir irgendetwas übersehen …

Hat Ihnen die Politik schon einmal das Geschäft verhaut?

Wir merken weder Krisen noch Aufschwünge. In all den Jahren hat es nur zwei Ausnahmen gegeben.

Die wären?

In Dubai ist 2008/’09 das Geschäft um ein Drittel eingebrochen – weil in der Finanzkrise so viele Expats (Anm.: Fachkräfte aus dem Ausland) weggezogen sind, gab es plötzlich viel wenige Kinder im Land und damit weniger Nachfrage nach Schnullern.

Und in welchem anderen Land gab es eine Ausnahmesituation?

Nach dem Zerfall der Sowjetunion ist es Finnland wirtschaftlich ganz schlecht gegangen. Sogar die Geburtenrate ist damals um ein Drittel nach unten gegangen. Das haben wir auch im Umsatz gesehen – er ist um ein Drittel eingebrochen.

Sie haben im Kalten Krieg mit einem Plakat geworben, auf dem Arafat, Begin, Breschnew, Reagan und Thatcher alle an einem Schnuller nuckelnd zu sehen waren. Wäre so eine Werbung heute noch möglich?

Das wäre heute sicher schwieriger. Damals waren die Politiker noch diskutabler. Mit einem Chef der IS könnte man so eine Werbung nicht machen. Ein Erdoğan hat, wie man liest, auch nicht so viel Humor.

Sie wollen unter anderem in Saudi-Arabien expandieren. Warum genau dort?

Weil es dort verhältnismäßig viele Kinder und ein hohes Einkommensniveau gibt. Dagegen werden wir noch lange nicht nach Indien gehen, weil es dort schlicht zu wenig Kaufkraft gibt.

Zu den weltweit großen Konkurrenten zählen Nuk, der Philips-Ableger Avent und Chicco. Gibt es Länder mit Lokalmatadoren?

Natürlich. In Asien gibt es viele Lokalkaiser, die weder in Europa noch in den USA bekannt sind. In Asien werden aber auch weniger Schnuller verwendet, weil die Frauen noch länger stillen. In China beginnt sich das jetzt aber zu ändern.

Sie betreiben in Thailand ein Kautschuk-Werk. Wie kann man sich das vorstellen?

Wie eine Molkerei. Die Fabrik liegt inmitten der Gummibaum-Plantagen. Wir sind eine Sammelstelle, zu der die Bauern den Kautschuk bringen. Wir testen dann im Labor die Qualität und verarbeiten ihn.

In Thailand hat MAM kürzlich auch ein zweites Werk eröffnet. Was wird dort produziert?

Beißringe und Flaschenbürsten für die ganze Welt. Früher haben wird das für uns produzieren lassen, jetzt machen wir es selbst, weil wir die Qualität selbst in der Hand haben wollen. Wir haben acht Millionen Euro in das Werk investiert, derzeit 30 Leute angestellt – in zwei Jahren werden es hundert bis 150 sein.

Der Unternehmenssitz von MAM ist in Ottakring, produziert wird aber in Ungarn. Ist der Standort Österreich abgesandelt, wie Wirtschaftskammerpräsident Leitl gesagt hat?

"Abgesandelt" ist ein Schlagwort, aber es stimmt schon, dass wir bei den Kosten und beim Können – also bei der Ausbildungsqualität – seit 2000 verlieren. Wir verkaufen nur 1,5 Prozent unserer Produktion in Österreich, müssen international kompetitiv sein. In Ungarn beschäftigen wir 450 Mitarbeiter zu ganz anderen Lohnkosten. Außerdem gibt es in Österreich zu wenige qualifizierte Fachkräfte.

Wie viel Prozent vom Umsatz macht MAM mit Schnullern?

Etwa die Hälfte, vor zehn Jahren waren es noch 75 Prozent. Wir haben das Sortiment ausgebaut.

Sie haben zwei Söhne – wird einer davon das Unternehmen übernehmen?

Das ist in Planung, derzeit arbeiten sie aber beide noch in anderen Firmen.

Peter Röhrig kann stundenlang übers Stillen reden. Über Koliken bei Babys und über Schnuller und Flaschen, die genau diese verhindern sollen. Das alles gehört zu seinem Geschäft.

Anfang der 1970er-Jahre hat der Wiener Unternehmer und Kunststofftechniker das Unternehmen seines Vaters übernommen, das unter anderem Zuckerlspender für die Firma PEZ vom Band laufen hat lassen. Zuerst wollte sich Röhrig auf das damals boomende Geschäft mit Mikrowellengeschirr spezialisieren, doch dann kam ihm die Idee mit dem Schnuller.

Heute nuckeln Babys in 60 Ländern an Schnullern von MAM. Jede Sekunde werden irgendwo auf der Welt zwei Stück aus seiner Produktion verkauft, behauptet Röhrig. MAM hält in Norwegen bei einem Marktanteil von 91 Prozent, in Dänemark und Schweden bei mehr als 60 und am Heimmarkt Österreich bei mehr als 50 Prozent. Die Umsätze sind zuletzt um mehr als 20 Prozent gestiegen, und zwar pro Jahr, heißt es aus dem Unternehmen. Konkrete Zahlen werden nicht veröffentlicht.

Das Marketing hat Firmenchef Röhrig nach wie vor in Wien Ottakring angesiedelt. Dort finden Videokonferenzen mit den zwölf Auslandstöchtern statt, in den unteren Etagen gehen Mütter ein und aus, die bei Focus-Gruppen teilnehmen. Im Technologiezentrum in Siegendorf, südlich von Wien, wird an der Entwicklung von Schnullern, Trinkbechern und diversen Mundpflegeprodukten getüftelt. Die Produktion hat Röhrig aus Kostengründen ausgelagert – nach Ungarn und Thailand.

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