Generation „Geh, bitte“
Die Leute stellen sich Trendforschung so vor: Ein paar lustige Köpfe sitzen im Kreis zusammen, und einem fällt etwas Geniales ein.“ Jörg Spreitzer weiß es besser. Der Österreich-Chef der US-Agentur JWT legt letzte Hand an die Konsumtrends für 2012. Spreitzer gestresst: „Ein Knochenjob.“
Die Konsumscouts stehen unter Erfolgsdruck. Sie müssen auf Basis ihrer Recherchen den Firmen Ideen liefern, die „zu 99,9 Prozent“ kommerziell erfolgreich sein müssen.
Mini-Verpackung
Die Füllkörbe mit Probepackungen zu Preisen zwischen einem und drei Euro, die in manchen Drogeriemärkten bereits Regalwände füllen, stehen nicht zufällig dort. Und Sie richten sich nicht allein an Reisende.
Kleine Verpackungen und abgespeckte Angebote werden 2012 zur „neuen Norm“, erklärt Spreitzer. In den USA bietet Heinz bereits jetzt Ketchup im 280 Gramm- und Senf im 250 Gramm-Beutel um jeweils 99 Cent an. „Gutes Geschäft“, analysiert Spreitzer.
Die Spielregeln des Konsums ändern sich in Richtung Sparsamkeit. Bei JWT-Umfragen in den USA (57 Prozent) und Großbritannien (56 Prozent) sagte eine Mehrheit, dass sie lieber weniger für kleinere Mengen ausgibt und dabei auch auf Qualität verzichtet. Gut 80 Prozent wünschen sich etwa mehr einfach gestaltete, billige Smartphones und Tablets.
Bis der Trend auf Österreich durchschlägt, wird es noch etwas dauern. Die Erklärung liefert der Wirtschaftspsychologe Arnd Florack von der Uni Wien: „Wir werden zwar sparsamer, aber das Konsumniveau ist bei uns immer noch überraschend hoch.“
Auch ein weiterer Großtrend der Studie, laut dem die Menschen die Nase voll von Diäten und Sparpaketen haben und sich gern für ihre Mühen belohnen, wird in Österreich keine gesellschaftlichen Umwälzungen auslösen. Der Zwang zur Selbstdisziplin und die Appelle, gesund zu leben, sich zu bewegen, nicht zu rauchen, führen nämlich auch 2012 nicht in die totale Freudlosigkeit. Spreitzer: „Die Leute sagen: Geh, bitte, ich will auch leben.“ Das bedeutet: Fetter Schweinsbraten und teurer Alkohol sind nicht akut vom Aussterben bedroht.
Status-Symbol
Zumindest vor Weihnachten war von Sparsamkeit wenig zu merken, der Handel legte einen „ordentlichen Endspurt“ hin, meldeten Nachrichtenagenturen rund um den Globus. Bei Naturkatastrophen oder Terroranschlägen macht sich der Konsument durch den Kauf teurer Waren Luft. „Geld ausgeben ist ein Weg zurück in die Normalität“, sagt Spreitzer. In Japan stiegen die Ausgaben für Luxusgüter nach dem Atomunfall von Fukushima im März um 26 Prozent. Tiffany, Moët Hennessy und Louis Vuitton verzeichneten zweistellige Umsatzzuwächse. Ähnliches wurde auch nach den Anschlägen auf die Twin Towers berichtet. Florack: „Die Menschen bauen Symbole für die Ewigkeit. Werden diese Bauwerke zerstört, führt uns das unsere Endlichkeit vor Augen. Wir fühlen uns bedroht und klammern uns noch mehr an Statussymbole.“
Alters-Formel
Die Käufer dieser schicken Smartphones und Autos werden immer älter, obwohl sie sich selbst immer jünger fühlen. In einer JWT-Umfrage sagten 69 Prozent der befragten 60-Jährigen, sie seien so fit wie früher die 50-Jährigen. 68 Prozent der 50-Jährigen fühlten sich wie 40. Und 68 Prozent der 40-Jährigen wie 30. Die Werbung setzt darauf und lässt reife Damen für Hautcreme und rüstige Herren für Bier werben. Die kommerziellen Erfolgsaussichten dieses Trends sind bescheiden, erklärt Florack. „Jeder, dem man den Spot vorspielt, findet das toll und politisch korrekt. Echte Wirkung erzielt man damit aber kaum.“
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