Gemeinnützige Bauträger: Empörung über Billigmiete

Gemeinnützige Bauträger: Empörung über Billigmiete
Wohnungskauf und Billigmiete für Spitzen-Funktionäre offenbaren die Kontrolldefizite.

Der Kauf von Vorsorgewohnungen birgt Risiken: Das sollte das Thema sein, das SPÖ-Bautensprecherin Ruth Becher und die Geschäftsführerin der Mietervereinigung, Nadja Shah, am Freitag vor Journalisten thematisieren wollten. Solche Geschäfte seien nichts für Laien, so die Botschaft.

Zum Thema wurden dann jedoch die Vorsorgewohnungen des Obmanns der Gemeinnützigen Bauvereinigungen, Karl Wurm: Laut Presse hat Wurm als Geschäftsführer des gemeinnützigen Bauträgers Neue Heimat/Gewog mehrere nicht geförderte Wohnungen von dieser oder deren Tochterfirmen gekauft.

Ob der Kaufpreis angemessen war, wird derzeit geprüft. Wurm hat stets betont, alle Rechtsvorschriften eingehalten zu haben.

Die offizielle SPÖ-Linie lautet: Die gemeinnützigen Bauträger, auch bekannt als Genossenschaften, verwalten sich selbst. Die Politik habe keinen direkten Zugriff.

Der Wohnungskauf sorgt allerdings auch in der SPÖ selbst für massiven Unmut. „Das stört mich. Ich habe nicht gedacht, dass jemand, der ohnehin abgesichert ist, sich so absichert“, so der kritische Kommentar von Shah.

Neuer Aufreger

Der nächste Aufreger: Der SPÖ-Nationalratsabgeordnete und Bau-Gewerkschafter Josef Muchitsch beziehe eine Wohnung nahe dem Parlament, die der gemeinnützige Bauträger Sozialbau errichtet hat, schreibt die Presse. Die Kosten seien 285,99 Euro samt Betriebskosten für 37 Quadratmeter plus Balkon – billiger geht es kaum.

„Ich habe eine Frau und drei Kinder. Ich bezahle sicher nicht tausend Euro für eine Wohnung“, wird Muchitsch zitiert.

Das empört NEOS-Wien-Chefin Beate Meinl-Reisinger: „Schämen Sie sich nicht?“, schreibt sie in einem Offenen Brief. Ein Nationalratsabgeordneter verdiene genug, um sich eine Wohnung am freien Markt zu leisten.

"Gerechtigkeitsempfinden"

Weil das 1966 mit Wohnbaufördermitteln errichtete Haus inzwischen völlig ausfinanziert ist, gelten allerdings keine Einkommensgrenzen. Die Sozialbau konnte die Wohnung also vergeben, an wen sie will.

Bautensprecherin Ruth Becher will wegen des allgemeinen „Gerechtigkeitsempfindens“ nun eine Unvereinbarkeitsklausel ins Gemeinnützigkeitsgesetz aufnehmen. Künftig soll es nicht mehr möglich sein, von der eigenen Genossenschaft oder deren Tochterfirma Wohnungen zu kaufen. Sie will „mehr Transparenz“.

Keine externe Kontrolle

Es ist zwar unbestritten, dass die gemeinnützigen Bauträger ein wichtiger Faktor beim sozialen Wohnbau sind. Allerdings gibt es keine externe Kontrolle. Der Verband kontrolliert sich selbst.

Die unter diesen Bedingungen erstellten Berichte sind nicht vollständig einsehbar. Nur wenige Bauträger lassen ihren Mietern gekürzte Versionen zukommen. Die FPÖ verlangt daher eine Prüfung der Gemeinnützigen durch den Rechnungshof. Doch SPÖ und ÖVP wollen nichts davon wissen.

Wohl mit gutem Grund. Denn nicht alle gemeinnützigen Bauträger sind gut geführt. Nicht nur bei der Wohnungsvergabe sind gute Kontakte von Vorteil: Auch bei der Personalauswahl kommt es vor, dass parteipolitische Beziehungen mehr zählen als Kompetenz.

Dunkles Kapitel

Ein ebenso dunkles Kapitel ist die Auftragsvergabe. Es steht den Gemeinnützigen frei, Firmen für Reparaturarbeiten oder Gutachter auszuwählen.

So wurde beispielsweise ein Gutachter beauftragt festzustellen, ob durch die Toiletten zu viel Wasser läuft. Mieter wurden verpflichtet, auf eigene Kosten neue Spülkästen einbauen zu lassen. Die Ausgaben waren um ein Vielfaches höher als die Einsparung bei der Wasserrechnung. Wofür der Gutachter eine fette Honorarnote stellte.

Bisweilen vergeben Bauträger zu überhöhten Preisen Aufträge an ihre Tochterfirmen. Das sichert die Gewinne der Tochter-Unternehmen. Die Mieter können sich nicht dagegen wehren.

Auch zu hohe Zinsen für Bankkredite kommen vor. Die Bauträger verrechnen die Kreditzinsen an ihre Mieter weiter. Die Motivation der Geschäftsführer, mit der befreundeten Hausbank in ernsthafte Verhandlungen zu treten, hält sich immer wieder in engen Grenzen.

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