Geldspritze für die Krankenkassen

Geldspritze für die Krankenkassen
Wie Pensionsversicherung und Steuerzahler das Gesundheitssystem subventionieren.

Es geht um Milliardenbeträge. Jedes Jahr fließt noch mehr Geld von der Pensionsversicherung zur Krankenversicherung. Obwohl die meisten Krankenkassen Überschüsse erwirtschaften. Eine Anfragebeantwortung von Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) macht die aktuellen Geldflüsse transparent. Wie diese kalkuliert werden, kann allerdings niemand schlüssig erklären. Jener Beamte, der diese Geheimwissenschaft beherrschte, ging unter SPÖ-Sozialminister Rudolf Hundstorfer in den wohlverdienten Ruhestand, offenbar ohne einen Nachfolger einzuweihen.

Die aktuellsten Zahlen:

2017 überwies die Pensionsversicherung 1,676 Milliarden Euro an die Krankenversicherung (siehe Grafik unten). Insgesamt erwirtschafteten die Krankenkassen einen Überschuss von 187 Millionen Euro.

 

Geldspritze für die Krankenkassen

„Die Pensionsversicherung stopft nicht nur die Löcher in der Krankenversicherung, sondern finanziert auch deren Überschüsse. Anstatt dass die Kassen bei den eigenen Strukturen sparen“, kritisiert Neos-Sozialsprecher Gerald Loacker.

 

Geldspritze für die Krankenkassen

Neos-Sozialsprecher Gerald Loacker.


Seit 2009 machten die Krankenversicherungen durchgehend Gewinne, im Schnitt 250 Millionen Euro im Jahr, rechnet Loacker aus der Anfragebeantwortung vor.

Das Zauberwort heißt Hebesätze.

 

Geldspritze für die Krankenkassen

 

Der Pensionstrick funktioniert so: Die Pensionisten zahlen 5,1 Prozent für die Krankenversicherung. Diese Beiträge überweisen die Pensionsversicherungsträger an die Krankenkassen.

Da Pensionisten aber keinen Dienstgeber mehr haben, der wie im aktiven Erwerbsleben auch in die Krankenkassen einzahlt, schießt der Bund aus Steuermitteln einen fiktiven Dienstgeberanteil zu – den sogenannten Hebesatz.

Bei den ASVG-Pensionisten (Arbeitnehmer) lag dieser Hebesatz 2017 bei 178 Prozent. Heißt, auf 100 Prozent Eigenleistung der Pensionisten zahlt der Bund 78 Prozent drauf.

Spitzenreiter sind die Bauern und die Eisenbahner mit Hebesätzen von 387 bzw. 308 Prozent. Weil es in Österreich immer weniger Vollerwerbs-Landwirte gibt und sich auch bei den Eisenbahnern das Verhältnis zwischen Pensionisten und Aktiven wirtschaftlich zunehmend verschlechtert. Ausgerechnet aber die stärker subventionierten Kassen bieten laut Loacker ihren Versicherten bessere Leistungen.

 

Geldspritze für die Krankenkassen

 

Ursprünglich sollten die Hebesätze, die vom Parlament festgelegt werden, die Unterschiede in den Kassen im Verhältnis von Aktiven zu Pensionisten ausgleichen, heißt es in der Beantwortung. Die Hebesätze wurden in der Vergangenheit mehrfach angepasst, die damit verfolgten Zeile seien „mittlerweile mehrdimensional“. Was immer damit gemeint ist, eine Erklärung dazu gibt es nicht.

In der Sozialversicherung werden die Überschüsse der Krankenkassen mit den gesetzlich erforderlichen Mindestrücklagen (etwa für plötzlich ausbrechende Epidemien) argumentiert. Außer Kärnten, Niederösterreich, Wien und Vorarlberg erfüllen jedoch alle Kassen diese Leistungssicherungsrücklage in der Höhe der Ausgaben eines Monats voll.

„Würde man die Hebesätze der Kassen in der Größenordnung der Überschüsse senken, wären die Kassen immer noch ausgabendeckend unterwegs und man könnte das ohnehin angespannte Pensionssystem um knapp 200 Millionen Euro entlasten“, argumentiert Loacker.

Das Defizit in der Pensionsversicherung muss bekanntlich der Steuerzahler über die gesetzlich vorgeschriebene Ausfallshaftung des Bundes abdecken. Das waren 2017 rund 6,26 Milliarden Euro. Für die Krankenkassen gibt es diese Ausfallshaftung nicht.

Spannend wird noch die Frage, ob die Regierung bei der angekündigten Senkung der Sozialversicherungsbeiträge für Geringverdiener auch die Mindestpensionisten berücksichtigen wird. In diesem Fall würden die Krankenkassen noch weniger Geld bekommen. Davon abgesehen, sind ältere Menschen öfter krank und belasten das Gesundheitssystem stärker.

Die Regierung hat den Krankenkassen versprochen, die Einnahmenausfälle durch die Beitragssenkung – Größenordnung rund 700 Millionen Euro im Jahr – aus dem Budget zu ersetzen.

Die Sozialversicherungsträger befürchten ein alljährliches Feilschen um diese Zuschüsse. Anzunehmen, dass unter Türkis-Blau härter verhandelt werden muss als unter der Vorgänger-Regierung. Der Finanzminister wird auf Kostensenkungen aus der Sozialversicherungsreform pochen.

Die Sozialversicherer haben eine komfortablere Idee. Statt über direkte Mittel aus dem Bundesbudget sollte der Ausgleich über den Trick – oder Umweg, je nach Betrachtungsweise – mit der Pensionsversicherung ablaufen. Denn diese wäre zum Zahlen verpflichtet – Stichwort Ausfallshaftung. andrea.hodoschek

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