Trainingsjets für Österreich: Start frei für das erste Gegengeschäft seit 25 Jahren

Trainingsjets M-346FA des italienischen Rüstungsgigangen Leonardo
Seit 2000 hat Österreich bei militärischen Beschaffungen keine Gegengeschäfte mehr für Zulieferer gemacht. Jetzt, nach 25 Jahren, arbeiten Verteidigungs- und Wirtschaftsministerium am ersten Gegengeschäft. Wegen des Eurofighter-Skandals wird der Begriff aber nicht mehr verwendet. Heute spricht man lieber von „industrieller Kooperation“, wie sie auch im Regierungsprogramm festgeschrieben ist.
Es geht um 12 Leonardo Trainingsjets M-346 FA, die Nachfolge der 2020 ausgemusterten Jets Saab 105. Die zweisitzigen, waffenfähigen Unterschall-Jets sollen für die Piloten-Ausbildung, zur Unterstützung der Landstreitkräfte und zur Luftraumverteidigung eingesetzt werden.
Die Direktion 5 im Verteidigungsministerium, „Rüstung und Beschaffung“, arbeitet derzeit den Vertrag mit der italienischen Regierung aus (Government-to-Government-Geschäft, G2G). Diese wiederum verhandelt mit dem nationalen Rüstungsgiganten Leonardo für Österreich über den Auftrag und auch über die Gegengeschäfte. „Die Republik Österreich bemüht sich für dieses Projekt um eine industrielle Kooperation“, bestätigt Generalleutnant Harald Vodosek gegenüber dem KURIER.
Das Auftragsvolumen liegt bei rund einer Milliarde Euro.
Nächstes großes Projekt bis 2026 sind Luftabwehrraketen mittlerer Reichweite (MRAD, Medium Range Air Defence), der umstrittene „Sky Shield“. Auftragsvolumen um die drei Milliarden.
Der größte Deal, die Nachfolge der Eurofighter, muss bis 2029 entschieden werden. Größenordnung rund sechs Milliarden.
Macht in Summe etwa zehn Milliarden. Da sind Hunderte von Millionen Euro für heimische Zulieferer drin.

Verteidigungsministerin Klaudia Tanner mit Generalleutnant Harald Vodosek
Wie aber laufen Gegengeschäfte überhaupt ab? Hinter den Industrie-Kooperationen, sehr aufwendige Verfahren, steht ein komplexes System aus Regeln und Vergabevorschriften. Basis ist Artikel 346 AEUV. Der „Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union“ thematisiert die wesentlichen Sicherheitsinteressen der Mitgliedsländer.
Laut diesem könne ein Staat „sicherheitsrelevante Gründe anführen, die in weiterer Folge einen vertraglichen Hebel für Industriekooperationen mit Rüstungsfirmen darstellen können“, erklärt Vodosek. „Grundlage für die Vergabe-Entscheidungen ist unter anderem die Einhaltung des Wettbewerbs“.
Das Volumen der Gegengeschäfte hängt davon ab, wie viele Unternehmen in Österreich im jeweiligen Bereich tätig sind. Hier kommt das Wirtschaftsministerium ins Spiel, das gemeinsam mit der Direktion 5 die Bewertung durchführt. Die Anbieter bieten üblicherweise zwischen 30 bis 60 Prozent an.
Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP) ist also verantwortlich für die Kooperation und die Verteilung der Zulieferverträge, Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) für das Beschaffungsverfahren.
Muss ein Lieferant Gegengeschäfte anbieten, darf’s dann dafür beim Kaufpreis ein bissl mehr sein? „Nein“, winkt Vodosek ab, die Herausforderung sei eben das Austarieren, „welcher Prozentsatz ist leistbar, um einen angemessenen Ankaufspreis zu erzielen“.
Abgesehen von den Aufträgen für die Unternehmen hat Österreich den Vorteil, Teile der Produktion im eigenen Land zu haben, was die Versorgungssicherheit erhöhe. „Das können ganz Produktlinien sein oder Ersatzteile, bis hin zu Betriebsansiedlungen“ (Vodosek).
Spezialisten fürs Grobe
Rheinmetall beispielsweise überlegt in der EU den Bau eines Simulationszentrums für die Embraer C-390 Transportflugzeuge, die Österreich kürzlich gemeinsam mit den Niederlanden kaufte.
Anti-Korruptionsexperten sind allerdings sehr skeptisch, ob Gegengeschäfte sauber aufgestellt werden können, der KURIER berichtete. Wo in der Verfahrenskette ist Korruption möglich? „Auf Ebene der Ministerien nirgends“, betont Vodosek. „Wir haben klare Compliance-Regeln, die durch die Beamten streng eingehalten werden. Im gesamten Prozess der Beschaffung und Systemeinführung haben wir ein „66-Augenprinzip“. In den Eurofighter-Skandal seien keine Beamten verwickelt gewesen.
Lobbyisten und einschlägige PR-Agenten, die sich Firmen als „Spezialisten fürs Grobe“ andienen, wittern jedenfalls schon wieder das große Geschäft. Sie intervenieren und lobbyieren heftig gegen die Jettrainer, hört man aus Industriekreisen.
Mit industriellen Kooperationen bleibe Spitzentechnologie im Land und die österreichische Luftfahrtzulieferindustrie auf Augenhöhe mit der anderer Staaten. Das unterstütze nationale Sicherheitsinteressen, sagt Peter Malanik, Managing Director der AviationIndustry Austria.

Peter Malanik, AviationIndustry Austria.
"Damit das jetzt auch richtig klappt, ist ein objektiver und transparenter Prozess für die Abwicklung wichtig, damit die wettbewerbsfähigsten Unternehmen zum Zug kommen".
Die Fakten:
Direktion 5 - RüstungBeschaffungsmanagement
Die Direktion 5 im Verteidigungsministerium verfügt über ein Jahresbudget von 2,5 Milliarden Euro, das mit dem Sparpaket nicht gekürzt wird. 1,7 Milliarden Euro davon sind für Investitionen, der Rest für den Betrieb. Leiter ist Generalleutnant Harald Vodosek. Die 500 Mitarbeiter wickeln jährlich rund 4500 Beschaffungsvorgänge ab. Basis für Gegengeschäfte ist Artikel 346 AEUV über die wesentlichen Sicherheitsinteressen der EU-Mitgliedsländer.

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