Fünf Fragen und Antworten, warum der Euro auf einem 20-Jahrestief ist
Die europäische Gemeinschaftswährung befindet sich im Sinkflug. Schon seit Monaten geht es mit dem Euro bergab. Zuletzt beschleunigte sich die Talfahrt sogar, der Kurs fiel am Mittwoch mit knapp 1,02 US-Dollar auf den tiefsten Stand seit fast zwei Jahrzehnten. Warum ist die gemeinsame Währung der 19 Euroländer so tief gesunken? Und was sind die Folgen des Wertverlusts? Fragen und Antworten dazu:
Warum ist der Euro so schwach?
Fachleute erklären die Euro-Schwäche vor allem durch zwei Entwicklungen. Zum einen geht derzeit die Furcht vor einem wirtschaftlichen Absturz um. "Die Rezessionsängste in Europa verschärfen sich", kommentieren Analysten der Commerzbank. Die Experten der Dekabank pflichten bei: "Konjunkturangst greift um sich." Dafür gibt es einige Gründe, vor allem aber hat der Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine die hohe Abhängigkeit Europas von russischen Gaslieferungen drastisch vor Augen geführt. Russland hat seine Lieferungen bereits stark reduziert. Sollten sie ganz ausbleiben, könnte dies eine tiefe wirtschaftliche Rezession auslösen. Es gibt einen zweiten wichtigen Grund für die ausgeprägte Euro-Schwäche, nämlich die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB).
Welche Rolle spielt die Europäische Zentralbank?
Viele andere Notenbanken, allen voran die mächtige US-Notenbank Federal Reserve, haben den Kampf gegen die hohe Inflation bereits aufgenommen und ihre Leitzinsen meist deutlich angehoben. Die EZB stellt allerdings eine der wenigen Ausnahmen dar, sie hat sich bisher nur zu einer Ankündigung durchgerungen. Im Juli sollen die Leitzinsen im Euroraum erstmals seit elf Jahren steigen - allerdings nur um 0,25 Prozentpunkte. Das ist im Vergleich zu anderen Zentralbanken wenig.
Was sind die Nachteile eines schwachen Euro?
Die zunehmende Schwäche des Euro kommt im aktuellen Umfeld mit sehr hohen Inflationsraten äußerst ungelegen. Denn je niedriger der Wechselkurs der Gemeinschaftswährung ist, desto stärker werden im Verhältnis andere Währungen wie beispielsweise der US-Dollar. Das führt dazu, dass nach Deutschland eingeführte Waren teurer werden. Die bereits hohe Inflation wird dadurch zusätzlich angefacht.
Verbraucher müssen bei sinkendem Eurokurs also noch tiefer in die Tasche greifen, um ihre Lebenshaltungskosten zu stemmen. Vor allem die bereits hohen Energie- und Rohstoffpreise drohen weiter zu steigen. Denn gezahlt wird international üblich in US-Dollar. Und der auch genannte Greenback wertet auf, wenn der Euro abwertet. Auch der Urlaub im vielen Ländern ohne die Gemeinschaftswährung dürfte mit fallendem Euro tendenziell teurer werden. Und natürlich wird der Inflationskampf der EZB noch schwieriger.
Gibt es auch Profiteure?
Ja, insbesondere in der Exportnation Deutschland. Denn deutsche Waren werden mit fallendem Euro-Wechselkurs für andere Länder günstiger. Ein wechselkursbedingter Nachfrageschub könnte also dazu führen, dass die befürchtete wirtschaftliche Abschwächung zumindest abgebremst wird. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die wirtschaftliche Lage in vielen anderen Ländern ähnlich ungünstig wie in Deutschland ist. Die Auslandsnachfrage dürfte konjunkturell bedingt also eher fallen als steigen - was den positiven Nachfrageeffekt durch den schwachen Euro zumindest ausbremst.
Wie geht es weiter, fällt der Euro auf Parität?
Unter Parität wird ein Tauschverhältnis eins zu eins verstanden. Bis dahin ist es bei einem Eurokurs von knapp 1,02 US-Dollar nicht mehr weit. Letztmalig war ein Euro im Jahr 2002 genau einen Dollar wert - also vor rund zwei Jahrzehnten. Das war knapp nach der Einführung des Euro als Bargeld. Analysten halten es für gut möglich, dass der Euro ein solches Niveau demnächst erreicht. Ein Test der Parität sei "sehr wahrscheinlich", meinen Experten der Dekabank. Auch die Volkswirte der Landesbank Hessen-Thüringen sind der Meinung, einem Fall auf Parität stehe nur noch wenig entgegen. Anzeichen für eine Trendwende sehen sie nicht.
Besondere wirtschaftliche Auswirkungen hat ein Kursverfall auf Parität zwar nicht. Allerdings ist die Signalwirkung groß: So wurde zur Einführung des Euro für die Kursdarstellung nicht wie einst für die D-Mark eine Preisnotierung gewählt. Diese fragt danach, "was kostet der US-Dollar?". Stattdessen hat man sich für die Mengennotierung entschieden, bei der gefragt wird, "was kostet der Euro?". Damit wollte man wohl auch ein Zeichen für die wirtschaftliche Stärke und Unabhängigkeit der Währungsunion setzen. Sinkt der Kurs unter Parität, dürfte das dem internationalen Ruf des Euro eher schaden als nutzen.
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