Friedrich Wille: "Wir brauchen die Russen"

Firmenchef Friedrich Wille: Ein Drittel des Umsatzes wird mit russischen Kunden erzielt.
Komplettausfall der russischen Kundschaft wäre nicht verkraftbar, meint der Chef von Exportkaiser Frey Wille.

Für den Wiener Emailschmuck-Hersteller und Exportkaiser Frey Wille ist Russland einer der Hauptmärkte. Heuer brachte er sogar eine eigene russische Kollektion auf den Markt, demnächst sind einige Schmuckstücke in der Moskauer Eremitage zu sehen.

Der KURIER sprach mit dem 73-jährigen Firmenchef Friedrich Wille über russische Emotionen, chinesische Kopierer, seinen Nachfolger und mögliche Kooperationen mit Luxusmarken.

KURIER: Frey Wille hat drei Shops in der Ukraine, davon zwei in Kiew. Wie laufen derzeit die Geschäfte?

Friedrich Wille: Ich hätte mir erwartet, dass wir während der Unruhen am Maidan vorübergehend zusperren müssen, aber das war nicht so. Wir wollten Normalität zeigen. Ein Shop, der offen hat, ist sicherer als einer, der geschlossen hat. Und in Odessa ist es ja völlig ruhig.

Wie wichtig ist der russische Markt für Frey Wille?

Sehr wichtig. Wir haben 20 Geschäfte mit 120 Mitarbeitern dort und machen damit etwa ein Drittel des Gesamtumsatzes. Der Shop im Moskauer Edelkaufhaus Gum ist nach den beiden Wiener Geschäften unser dritterfolgreichster weltweit.

Ein Drittel des Russen-Umsatzes erzielen wir in Österreich mit den russischen Touristen, die unsere Marke kennen. Wir sind in Russland sehr beliebt. Die Kunst ist dort ein sehr wichtiges Thema, und da kann Österreich natürlich punkten.

Wie würde sich eine Eskalation in der Region auf Ihre Geschäfte dort auswirken?

Einen Totalausfall des Russland-Geschäfts würden wir nur schwer überleben, aber der kommt nicht.

Einen Weltkrieg wird es ja hoffentlich nicht geben, und auch mit Sanktionen rechne ich nicht. Russland braucht Europa, und Europa braucht die Russen, immerhin sind wir ja wirtschaftlich eng verflochten.

Man nehme nur den Tourismus: Wenn die Touristen aus Russland ausbleiben, dann gibt es ein großes Gejammere. Österreich wäre da massiv betroffen.

Wegen der Terrorgefahr rund um Sotschi fahren jetzt schon weniger Touristen ins Ausland, das spüren auch wir. Politische Stabilität ist wichtig für ein Land.

Spüren Sie auch, dass die russische Wirtschaft lahmt?

Nein, das ist nicht dramatisch, und die Reichen sparen deshalb nicht. 100.000 Euro mehr oder weniger spielt für die keine Rolle. Unsere primäre Zielgruppe sind aber nicht die Reichen, sondern die gehobene Mittelschicht, und die wächst weiter.

Als größter Wachstumsmarkt im Luxussegment gilt China. Was sind Ihre Pläne dort?

Wir haben neun Shops in China und wollen heuer einen weiteren in Schanghai eröffnen. Dabei kommt uns der Anti-Korruptions-Kurs der neuen Führung sehr entgegen. Wir bekommen jetzt Standorte angeboten, die wir früher nur mit Bestechung erhalten hätten. Wir haben das immer abgelehnt und sind deshalb oft nicht zum Zug gekommen. Das wird jetzt allmählich besser.

Sie leiden aber auch unter den vielen Plagiaten aus China?

Ich werde immer wütend, wenn ich sehe, was da alles gemacht wird. Die Fälscher nutzen nicht nur unser Design, sondern auch unseren Namen und unsere Werbung. Und du kannst fast nichts dagegen machen. Wir haben beschlossen, kein Online-Geschäft mehr zu betreiben und warnen alle Kunden, dass im Internet nur Fälschungen zu haben sind. Kleiner Trost: Unsere Zielgruppe ist nicht jene, die Billig-Kopien kauft. Ich hätte mit einer gefakten Rolex ja auch keine Freude.

Sie haben mehr als 100 eigene Shops weltweit. Wo gibt es noch weiße Flecken?

Jede Menge. Wir sperren endlich in Barcelona auf, auch da geht es plötzlich ohne Schwarzgeld. Großes Potenzial sehe ich noch in Japan, Korea, auch in Nord- und Südamerika.

In New York übersiedeln wir, weil am Standort Madison Avenue die Monatsmiete von 60.000 auf 120.000 Dollar erhöht wird, und das können wir uns nicht leisten. In Wien wäre ich einem dritten Geschäft nicht abgeneigt, etwa am Kohlmarkt.

Welche Standorte sind für einen Schmuck-Hersteller am attraktivsten?

Wir gehen dorthin, wo es Tourismus gibt. Oft müssen wir zwei bis drei Jahre warten, bis sich ein Standort rentiert. Unrentable Filialen schließen wir auch wieder. Flughäfen sind attraktiv, weil Geschäftsleute auf der Suche nach Geschenken sind. 80 Prozent unserer Kunden dort sind Männer. Wir hoffen, bald auch in den Flughäfen Frankfurt und Brüssel unterzukommen. Im Bordverkauf sind wir ab April auch bei der Lufthansa erhältlich. Passagiere haben viel Zeit, sich Broschüren anzuschauen.

Ihre Aussichten für 2014?

Die Aussichten für die Luxusbranche sind eher gedämpft, wir bremsen daher auch unser Wachstum. So wie im Vorjahr sind fünf bis sechs neue Standorte geplant.

Sie sind über 70. Wie lange wollen Sie noch an der Firmenspitze bleiben – und was kommt danach?

Ich baue schon seit ein paar Jahren ein junges Management auf und habe auch einen Sohn, der sich interessiert. Das wäre also geregelt. Ich möchte später eine Kooperation mit einem Großen in unserer Branche nicht ausschließen. Aber derzeit möchte ich meine Freiheit noch behalten.

Das Unternehmen

Frey Wille wurde 1951 als Emailmanufaktur im sechsten Bezirk in Wien gegründet. Die Wiener Künstlerin Michaela Frey entwickelte eine einzigartige Feueremailtechnik mit eingearbeitetem Goldstaub, die Schmuckstücken ein leuchtend buntes Aussehen verleiht. Nach dem Tod von Frey übernahm 1980 der Jurist Friedrich Wille (73), der seit 1970 beim Schmuckhersteller arbeitete, das Unternehmen und treibt seither die Internationalisierung voran. Ein Team aus Künstlern, Goldschmieden und Emailleuren entwirft die Kollektionen für Schmuck und Accessoires. Der Schmuck wird nach wie vor ausschließlich in Wien produziert.

Freywille betreibt in Eigenregie 106 Schmuckboutiquen in 35 Ländern und beschäftigt weltweit 650 Mitarbeiter. Der Umsatz beträgt rund 60 Millionen Euro, die Exportquote 85 Prozent. Das Unternehmen ist zu 100 Prozent in Privatbesitz.

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