Traditionsreiche Buchhandlung schließt letzte Filiale
"Wir schließen diese Filiale am 24.12.", heißt es am Eingang des Geschäfts Freytag & Berndt in der Wiener Wallnerstraße. Damit wird die letzte verbliebene stationäre Buchhandlung des Wiener Traditionsbetriebs geschlossen.
Das gänzliche Aus für den Handel mit Büchern und Karten bei Freytag und Berndt bedeutet das aber nicht. Online läuft der Verkauf weiter, auch der Großhandel bleibe bestehen, heißt es auf Anfrage des KURIER. Aus dem Lager- und Logistikzentrum im niederösterreichischen Wolkersdorf sollen weiterhin Reisebücher und Kartenmaterial ausgeliefert werden.
Der Markt für Reise- und Wanderführer sowie Kartografie sei seit Jahren zurückgegangen. Seit er 2019 die Geschäftsführung übernommen hat, sei der Gesamtmarkt für Kartografie von 39 Mio. Euro pro Jahr auf 26 Mio. Euro pro Jahr im deutschsprachigen Raum gesunken, sagt Carl Rauch, Geschäftsführer von Freytag & Berndt. Rauch spricht von einer "ständigen Anpassung von Strukturen und Prozessen".
Dazu komme, dass die Kosten im stationären Buchhandel durch Lohnabschlüsse und Mietvalorisierungen gestiegen seien. Das Geschäft mit Reisebüchern in der Wallnerstraße sei sehr beratungsintensiv, sagt Rauch. Wenn Kunden nach einer ausführlichen Beratung ein oder zwei Produkte kaufen, dann sei die verbleibende Marge sehr gering.
Von den zwölf Mitarbeitern der Buchhandlung in der Wallnerstraße, neun davon arbeiten Teilzeit, soll voraussichtlich ein Teil in die Buchhandlung Morawa in der Wollzeile wechseln, ein anderer Teil ins Logistikzentrum nach Wolkersdorf, von wo aus der Webshop betrieben wird.
Karten von Freytag & Berndt.
Turbulentes Jahr
Die jüngere Geschichte des mehr als 250 Jahre alten Traditionsbetriebs ist durchaus komplex. Im heurigen Oktober wurde die Kartografiesparte an die Kompass Karten GmbH, einer Tochter des deutschen Reisemedienverlags Mairdumont, verkauft. Das Unternehmen, das künftig unter Kompass Freytag & Berndt firmieren soll, wird unter anderem von Rauch geleitet.
Zuvor, im Mai, wurde die ÖBV Buchhandlung in der Wiener Schwarzenbergstraße übernommen, um die Kompetenzen für Schulbücher auszubauen, wie es damals hieß. Die Rechnung dürfte nicht im gewünschten Ausmaß aufgegangen sein. Der reguläre Betrieb der ÖBV Buchhandlung wurde bereits Ende Oktober eingestellt, die Öffnungszeiten reduziert. Zum Jahresende ist auch in der Schwarzenbergstraße Schluss. Die Schulbücher werden dann ebenfalls nur noch online vertrieben und die Großkunden über das Lager in Wolkersdorf betreut. Von dort aus werden auch die Produkte der an die deutsche Reiseverlagsgruppe Mairdumont verkauften Kartografiesparte weiter vertrieben.
Zu dem verbliebenen Teil des Unternehmens zählen neben Online-Vertrieb und Großhandel auch der vor 20 Jahren gekaufte deutsche Rother Bergverlag, der auf Wanderführer spezialisiert ist, und ein im heurigen Juli gemeinsam mit dem britischen Unternehmen Imray, Laurie, Norie & Wilson gegeründetes Joint Venture, mit dem Freytag & Berndt sein Portfolio um Seekarten und nautische Handbücher wesentlich erweiterte, wie es in einem zuletzt im Firmenbuch veröffentlichten Lagebericht heißt.
Zuletzt wies Freytag & Berndt in der Jahresbilanz 2024 einen Umsatz von 12,7 Mio. Euro aus. Rund die Hälfte davon sei über rein digitale Produkte oder digitale Verkaufskanäle erwirtschaftet worden, sagt Rauch. Die Digitalisierung sei ein wesentliche Säule des Verlags geworden. 30 von rund 60 Mitarbeitern sollen bei Freytag & Berndt verbleiben. Weitere 27 sind im Oktober in den Kompass Freytag & Berndt Verlag im Eigentum von Mairdumont gewechselt.
Verkaufspläne schon länger kolportiert
Mehrheitseigentümer Paul Swarovski, der aus der Tiroler Kristalldynastie stammt und rund zwei Drittel der Anteile an Freytag & Berndt hält, soll bereits 2023 Verkaufspläne für den Verlag gewälzt haben, wie damals etwa der Standard berichtete. Rund ein Drittel des Unternehmens gehören der Akademie der Wissenschaften, der Rest befindet sich im Streubesitz.
Von der noblen Adresse am Wiener Kohlmarkt, wo Freytag & Berndt lange residierte, verabschiedete sich die Reisebuchhandlung bereits vor mehr als zehn Jahren. Dort verkaufte das 1885 gegründete Unternehmen seit 1920 Karten und Bücher, als es mit der Kartografiesparte des 1770 gegründeten Artaria-Verlags fusionierte. 2014 übersiedelte das Geschäft wegen erwarteter Mietanhebungen in die nahegelegene Wallnerstraße 3, wo zu Betriebsschluss am Heiligabend zum letzten Mal die Lichter in der Buchhandlung ausgehen werden.
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