Warum ein anonymes Pamphlet für Ärger bei den Freimaurern sorgt

Georg Semler
Eine anonyme Website denunziert prominente Logenbrüder aus Politik, Wirtschaft, Kultur, Medien und Justiz. Die Polizei hat Ermittlungen gestartet.

Immer, wenn Georg Semler im Ausland urlaubt, gibt’s zu Hause Ärger. Letzten Sommer war es das Buch des burgenländischen SPÖ-Landeshauptmannes Hans Peter Doskozil, in dem sich dieser über den Einfluss des Männerbundes ausließ und über einen angeblichen Anwerbungsversuch. Semler, Großmeister der Großloge von Österreich, rückte aus, um Doskozil zu korrigieren.

Jetzt sorgt eine Website, selbstredend anonym und ohne Impressum, für ziemliche Aufregung in den 83 heimischen Logen. Der oder die Autoren werfen etlichen Freimaurern und auch solchen, die es nicht einmal sind, üble und sogar kriminelle Machenschaften vor. Korruption, Kick-backs, das Zuschanzen von Geschäften, Postenschacher, Mauscheleien.

Die Anschuldigungen sind völlig absurd (abgesehen vom Fall eines verurteilten Schauspielers), die Beweise werden nicht erbracht, und die Zitate sind frei erfunden. Denunziert wird quer durch. Bekannte Wirtschaftsleute werden ebenso heruntergemacht wie Politiker, Medienmanager, Kulturtreibende und ranghohe Justiz-Mitarbeiter.

Die Website, auf Wordpress publiziert, wird ganz gezielt verschickt. An Medien ebenso wie an Wirtschafts- und Politikkreise. "Wie ein Kettenbrief, den am Ende alle lesen“, sagt Semler. Der KURIER publiziert den Link nicht. Aus medienrechtlichen Gründen und um diesem Machwerk nicht noch zusätzliche Breitenwirkung zu ermöglichen.

Noch konnten die Hintermänner nicht enttarnt werden. „Aus der Anonymität heraus werden Stinkbomben geworfen“, empört sich Semler im Gespräch mit dem KURIER. Die Website enthalte "ganz kleine Elemente der Wahrheit“, wie etwa Funktionen und manche Daten, "alles andere sind verschwörungstheoretische Erfindungen“.

Durchaus möglich, meint Semler, dass ein ehemaliges Mitglied über Interna der Organisation geplaudert habe. Die Website enthalte unwesentliche Informationen, die nur Logenbrüder wissen können. Die Ersteller der Website vermutet Österreichs oberster Freimaurer allerdings nicht in den eigenen Reihen, möglicherweise unter Medienleuten der untersten Ebene mit offenen Rechnungen. Die publizierten Zitate von Logenbrüdern übereinander "sind ebenfalls frei erfunden. Man versucht, die Leute gegeneinander auszuspielen und Missgunst zu säen“, ärgert sich Semler.

Der umtriebige PR-Berater Rudolf Fußi, dem auf der Website gedankt wird, wofür, ist nicht ganz klar, beteuert jedenfalls gegenüber dem KURIER, nichts damit zu tun zu haben und das Ding nicht einmal zu kennen.

An die Hintermänner zu kommen, werde "langwierig und mühsam. Aber wir werden sie enttarnen“, ist Semler überzeugt.

Server in den USA

Semler hat in seiner Funktion für die Großloge beim Landesgericht für Strafsachen Wien in der Vorwoche einen Antrag auf Ermittlungsmaßnahmen gestellt. Beantragt wird, die Stamm- und Zugangsdaten der Website zu erheben. Der Vorwurf lautet auf üble Nachrede über das Internet, was freilich kein Strafrechtsdelikt ist. Das Gericht nimmt die Vorwürfe aber ernst und hat den Antrag kürzlich an die Polizei weitergeleitet, die bereits ermittelt. "Der Antrag ist eingelangt und das Gericht hat alles veranlasst und die entsprechenden Schritte eingeleitet“, bestätigt Gerichtssprecherin Christina Salzborn gegenüber dem KURIER.

Ein Betroffener hat anonym Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Wien erstattet. Wegen des Vorwurfs der Verleumdung, Kreditschädigung und der üblen Nachrede. "Es liegt kein Anfangsverdacht einer strafbaren Handlung vor, deswegen wird kein Ermittlungsverfahren eingeleitet“, sagt Nina Bussek, Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Dass kein Anfangsverdacht gesehen wird, ist insofern bemerkenswert, als die Vorwürfe gegen etliche Freimaurer teilweise strafrechtlich relevant sind, wie beispielsweise Korruption und Kick-backs.

An die Ersteller der Website zu kommen, wird für die österreichischen Behörden schwierig. Wordpress ist ein US-Unternehmen, die Server stehen in den USA. Verteilt wird über Proton, ein verschlüsselungssicheres E-Mail-Programm eines Schweizer Unternehmens.

andrea.hodoschek@kurier.at

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