Forschungsprämie als bürokratischer Hürdenlauf
Betriebe, die in Österreich ihr Recht auf eine steuerliche Forschungsförderung (Forschungsprämie) in Anspruch nehmen wollen, brauchen zwei Eigenschaften: Gute Nerven und eine außergewöhnliche Sprachbegabung. Seit Jahresbeginn gelten nämlich verschärfte Bedingungen, die die Rückerstattung von zehn Prozent der Forschungs- und Entwicklungsausgaben durch das Finanzamt zum „bürokratischen Hürdenlauf“ werden lassen, wie ein Firmenchef dem KURIER erzählt.
Erste Hürde: Das Antragsformular. Das auszufüllende Feld bei FinanzOnline sieht nur noch exakt 3000 Zeichen vor, um das Forschungs- und Innovationsprojekt genau inhaltlich zu beschreiben, dessen Relevanz für den Betrieb zu erklären und den wissenschaftlichen Fortschritt nachzuweisen. Dabei dürfen ausschließlich Buchstaben und Ziffern verwendet werden, nicht aber Skizzen, Pläne, Schaubilder oder sonstige erklärende Darstellungen. „Unser Chemiker sieht sich außerstande, seine neue Formel ohne Grafik verbal so zu beschreiben, dass es ein Außenstehender versteht“, klagt der Firmenchef.
Zweite Hürde: Die Prüfung. Der Inhalt der 3000 Zeichen wird von Mitarbeitern der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) geprüft. Die Firmen werden im Unklaren darüber gelassen, wer ihre Angaben prüft und was mit den heiklen Forschungsdaten passiert. Einsprüche wegen Befangenheit gegen eine bestimmte Person als Gutachter (z. B. aus Wettbewerbsgründen) sind ausgeschlossen. Die Förderwürdigkeit wird mit „Ja“ oder „Nein“ angegeben, Begründung dafür gibt es keine.
Weil letztlich aber doch das Finanzamt über die Zuerkennung der Forschungsprämie entscheidet, geht der Hürdenlauf weiter – und endet im Chaos, falls Firmen gegen einen ablehnenden Bescheid berufen.
„Ein Antrag auf steuerliche Forschungsförderung ist nur noch für Unternehmen mit einem Jahresumsatz jenseits der Zehn-Millionen-Grenze ökonomisch halbwegs sinnvoll“, kritisiert Reinhard Raberger vom Beratungsunternehmen Consult4Value das Prozedere. Der Aufwand für den Antrag habe sich verdreifacht und rechne sich daher für viele Kleinbetriebe gar nicht mehr.
In der Wirtschaftskammer (WKO) kennt man die Klagen und ist ebenfalls unzufrieden mit der Neuregelung. „Einen Innovationsprozess, der über mehrere Jahre geht und nur schwer planbar ist, auf 3000 Zeichen zu Papier zu bringen, ist schwer“, sagt Rudolf Lichtmannegger von der Abteilung Wirtschaftspolitik. Dennoch habe es heuer schon mehr als 1000 Einreichungen für die Forschungsprämie gegeben, sieht er auch einen Gewöhnungseffekt.
Positives Feedback
Bei der FFG versteht man die Aufregung nicht ganz. Vielmehr gäbe es „überwiegend positives Feedback, besonders auch zur raschen und unkomplizierten Abwicklung“. Immerhin liege die Dauer für die Erstellung der Gutachten aktuell bei nur etwa drei Wochen. Klein- und Mittelbetriebe würden den Großteil der Antragsteller ausmachen.
Die Kontrolle durch die FFG soll letztlich auch sicherstellen, dass mit dem Geld auch tatsächlich an etwas Neuem geforscht wird. Der Rechnungshof hinterfragte zuletzt kritisch, warum die Forschungsprämie etwa auch von kleinen Handelsbetrieben und Kfz-Werkstätten geltend gemacht wurde.
Das Finanzministerium will Anfang 2014 die Neuregelung evaluieren und mögliche Auswirkungen auf die Zahl der Anträge prüfen.
Budget Im Rahmen der Forschungsprämie (indirekte steuerliche Forschungsförderung) wurden im Vorjahr 572 Millionen Euro an heimische Unternehmen ausgeschüttet, der Großteil davon an Großbetriebe. Damit wurde das geplante Budget von 450 Millionen Euro bei Weitem überschritten. Die seit Jahresbeginn geltende Neuregelung soll durch einen Lenkungseffekt Einsparungen von 40 Millionen Euro bringen. Neben der indirekten gibt es auch eine direkte Forschungsförderung.
Förderhöhe Gefördert werden zehn Prozent der eingereichten Aufwendungen für Forschung & Entwicklung (F&E). Die Abwicklung erfolgt zur Gänze über FinanzOnline. Für die Förderwürdigkeit wird ein Gutachten der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) benötigt. Das Gutachten ist kostenlos, die Bearbeitung erfolgt innerhalb von vier Monaten. Über die Gewährung der Prämie entscheidet das Finanzamt.
Weitere Informationen unter: www.ffg.at/forschungspraemie
Klein- und Mittelbetriebe (KMU) kommen bei den EU-Förderungen oft zu kurz, geht auch aus einer kürzlich veröffentlichten Eurobarometer-Umfrage hervor. Demnach bekommen gerade einmal 13 Prozent der österreichischen Unternehmen direkt oder indirekt Förderungen von der Europäischen Union. Bei kleinen Betrieben mit maximal zehn Mitarbeitern liegt diese Quote überhaupt nur bei sechs Prozent, so das Ergebnis.
Häufig werden Fördergelder schon allein wegen der Bürokratie nicht abgeholt. In großen Unternehmen sind für die Anträge meist eigene Mitarbeiter oder ganze Abteilungen abgestellt oder es werden die Fachkenntnisse externer Berater zugekauft. Offenbar mit Erfolg. Ein Fünftel der österreichischen Betriebe mit mehr als 51 Mitarbeitern holt sich laut einer Umfrage von Trendexpert Förderungen von der EU ab.
Damit mehr „Kleine“ an Fördergeld kommen, will die EU-Kommission nun die Förderanträge schon in der künftigen Budgetperiode einfacher gestalten. Ob der heimische Gesetzgeber dem Vorbild folgt, bleibt abzuwarten.
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