Chefs der Finanzmarktaufsicht: "Unabhängigkeit ist unsere DNA"

Mariana Kühnel und Helmut Ettl
Das neue FMA-Vorstandsduo, Mariana Kühnel und Helmut Ettl, erklärt, warum die unabhängig agierende Behörde wichtig für den Finanzplatz ist und ob aktuell ein fixer oder variabler Kredit besser ist.
KURIER: Frau Kühnel, Sie sind neu im Vorstand der Finanzmarktaufsicht FMA. Sie kommen aus der Wirtschaftskammer. Haben Sie den Rollentausch bereits vollzogen?
Mariana Kühnel: Für mich schließt sich ein Kreis. Ich komme ursprünglich aus der regulatorischen Perspektive im EU-Parlament zu Zeiten der Finanz- und Wirtschaftskrise, wo das, was jetzt unser täglich Brot ist, gesetzlich entwickelt wurde. Habe dann in einem großen Finanzinstitut die Umsetzungsperspektive kennengelernt und bin dann quasi auf die Kundenseite gegangen, wo die Frage lautet: Was braucht die Realwirtschaft von der Finanzwirtschaft.
Die strengeren Kreditvergaberegeln – Stichwort KIM-Verordnung – wurden von der WKÖ teils scharf kritisiert. Jetzt müssen Sie sie verteidigen. Wie sehen Sie die Kreditregeln jetzt?
Kühnel: Die Verordnung ist ausgelaufen, weil sich die Zahlen in die richtige Richtung entwickelt und wir jetzt zu 90 Prozent nachhaltige Kreditvergabe haben. Zum Einbruch der Kreditvergabe hat die KIM-Verordnung als ein Puzzlestein beigetragen, hierfür waren aber auch die hohen Zinsen und hohen Preise für Wohnimmobilien verantwortlich. Jetzt gibt es ein Rundschreiben, das nachhaltige Kreditvergabe auch mit anderen Kriterien ermöglicht.
Im Zuge der heftigen Debatte um die KIM-Verordnung wurde in der Politik teilweise die Meinung vertreten, die FMA sei zu unabhängig. Zugespitzt formuliert vielleicht zu mächtig, zu eigenständig ...
Kühnel: Die Unabhängigkeit der FMA ist gesetzlich mit einer Zweidrittelmehrheit verankert, entspricht aber auch unserem gemeinsamen Mindset. Nur unabhängig kann eine Finanzaufsicht funktionieren. Es ist auch internationaler Standard, dass wir auf Basis von Zahlen, Daten und Fakten Entscheidungen für die Stabilität des Finanzmarktes treffen. Das ist unsere DNA, der wir uns verpflichtet fühlen. Die KIM-Verordnung wurde im Finanzmarktstabilitätsgremium gemeinsam mit OeNB und Finanzministerium entschieden. Die Verordnung ist also gerade kein Beispiel für eine zu unabhängig agierende FMA.
Ist die Unabhängigkeit der FMA in Gefahr?
Helmut Ettl: Nein, das sehe ich nicht. Die Unabhängigkeit der Aufsicht ist für den Finanzplatz ein entscheidender Mehrwert, etwa wenn sich Ratingagenturen Österreich anschauen. Da wird genau geprüft, wie unabhängig, wie professionell ist die Aufsicht aufgestellt. Das ist gut für alle Finanzplatz-Teilnehmer.
Was bleibt für Sie vom Streit über die KIM-Verordnung?
Ettl: Für mich ist das Thema erst einmal abgeschlossen. Preise und Zinsen sind zurückgegangen, die Kredite gehen wieder rauf – bei nachhaltiger Vergabe.
Warum gibt es so eine Verordnung eigentlich nicht für Gewerbeimmobilien, sondern nur für private Kreditnehmer? Bei den Gewerbeimmobilien sind doch die Gefahren für Banken viel größer ...
Ettl: Bei Gewerbeimmobilien gibt es im Unterschied zum Privatbereich wenige, aber große Kreditnehmer. Da sind Kreditvergaben Einzelentscheidungen, die die Bank individuell prüfen und beurteilen muss. In diesem Bereich haben wir seit sechs bis sieben Jahren in den Gesprächen mit den Banken ganz klar adressiert, wo mögliche Risiken liegen und auch entsprechende Warnungen ausgesprochen, was passieren kann, wenn nach der Nullzinsphase die Zinsen wieder anziehen. Es gab das eine oder andere grenzwertige Geschäftsmodell.
René Benko hat Ihre Warnungen offenbar überhört ...
Ettl: Einspruch, Benko war ein Kreditnehmer und kein Kreditgeber. Aber wir haben auch zu Signa schon ab 2018/19 mit Banken intensive Gespräche geführt, um aufzuzeigen, was da eigentlich los ist und ob Kredite ausreichend besichert sind. Wir haben durch unsere Aktivitäten sehr viel Ungemach vor den österreichischen Banken ferngehalten und die Ausweitung des Exposures für die Banken damals jedenfalls gestoppt. Wenn Sie so wollen, sind wir in Österreich mit einem blauen Auge davongekommen.
Wie werden Sie sich die Arbeit im Vorstand aufteilen?
Kühnel: Wir sind ein Kollegialorgan und entscheiden gemeinsam. Was ich sicher einbringe, ist ein starker Innovations- und Digitalisierungsfokus. Eine Aufsicht am Puls der Zeit ist einer meiner Schwerpunkte, wo ich sicher einen neuen Blickwinkel einbringe und wir gemeinsam die FMA weiterentwickeln wollen.
Stichwort moderne Aufsichtsthemen: Sie haben betrügerischen Anbietern im Krypto-Bereich den Kampf angesagt. Mit dem Bitcoin-Höhenflug tauchen da immer mehr Seiten auf, wo nur Luft und Fake dahinter ist. Hat man als FMA dagegen überhaupt eine Chance?
Kühnel: Wir müssen eine Chance haben und wir werden uns mit voller Kraft dafür einsetzen. Unsere Aufgabe ist es, durch Verbraucherschutz-Information, wo wir mit unserem Angebot „Reden wir über Geld“ einen Fokus auf Finanzbildung setzen, den Konsumentinnen und Konsumenten helfen, dass sie ein besseres Verständnis für die Chancen und Risiken in diesem Bereich bekommen. Speziell junge Kunden, die digital erreicht werden, muss man natürlich umso mehr auf das vorbereiten, was sie da entscheiden und welches Risiko damit verbunden ist.
Und wie gehen Sie mit dem relativ neuen Phänomen der Finfluencer um, wo man ja auch nie weiß, wie seriös ist das, was da beworben wird?
Ettl: Wir haben unlängst mit rund 20 für Österreich maßgeblichen Finfluencern einen Workshop gemacht, um klarzumachen, was ihre Rolle ist und was auch für sie mögliche Gefahren sind. Die Gefahr ist, dass der Finfluencer eine Anlageempfehlung abgibt, dafür aber nicht qualifiziert ist, keine Lizenz hat und damit eine Haftung übernimmt, die eingelöst werden kann, wenn etwas schiefgeht. Das war ein sehr konstruktiver Dialog und den Weg werden wir weitergehen.
Abschlussfrage aus Sicht der Kreditnehmer: Die Zinsen sind in den vergangenen Monaten kräftig gesunken. Würden Sie jetzt einen fixen oder einen variablen Kredit empfehlen?
Ettl: Die goldene Regel lautet: Ich sollte keinen variablen Kredit aufnehmen, wenn ich mir den fix verzinsten Kredit nicht leisten kann. Soll heißen, wenn mir die zwei Prozent fix zu teuer sind, sollt ich nicht darauf spekulieren, dass die Zinsen noch viel weiter runtergehen, denn sie können auch wieder steigen. Wir hatten auch schon Zeiten mit zehn Prozent und mehr.
Kommentare