FMA-Chef Ettl: "Wir haben viel zum Aufräumen"

FMA-Chef Ettl: "Wir haben viel zum Aufräumen"
Die Finanzmarkt­aufsicht kämpft gegen die Macht der Banken, die wichtige Finanz-Reformen verhindern wollen.

Europaweit versuchen die Aufsichtsbehörden, eine Wiederholung der Finanzkrise durch strengere Regeln für Banken zu vermeiden. Helmut Ettl, Vorstand der Finanzmarktaufsicht (FMA) in Wien, warnt vor einem Stillstand im Reformprozess und erklärt, wo er den Kern der Krise sieht.

KURIER: Herr Ettl, Banker werfen der Aufsicht vor, die Krise mit vielen einengenden Vorschriften für Finanzinstitute zu verschärfen. Will die FMA mit neuer Härte alte Versäumnisse gutmachen?

Helmut Ettl: Die Krise hat uns schon stärker gemacht. Wir gehen konsequent vor und stellen sicher, dass in der österreichischen Finanzwelt höchste Standards herrschen. Wir haben auch viel zum Aufräumen. Ein guter Aufseher ist eben nicht beliebt.

Hätte die FMA Fehlentwicklungen nicht viel früher erkennen müssen?

Bis zum Beginn der Krise 2007 wurde nur darüber diskutiert, dass die Aufsicht zu hohe Kosten verursacht. Die Meinung war damals, man brauche keine Regeln. In der Londoner City meinte man damals, zehn Gebote auf einem Blatt Papier würden reichen, um die Finanzwelt zu regeln. Da wurde jeder Kritiker als Spielverderber abgetan. Der damalige EU- Binnenmarktkommissar McCreevy hat nur ein Programm gehabt: Deregulierung der Finanzmärkte und Senkung der Aufsichtskosten.

FMA-Chef Ettl: "Wir haben viel zum Aufräumen"

Hat diese grenzenlose Freiheit für die Finanzmärkte nicht auch positive Seiten?

Entfesselte Finanzmärkte haben historisch immer zu den größten Krisen im Finanzsystem beigetragen. Ein hohes Wachstum der Wirtschaft geht mit einem hohem Wachstum der Finanzwelt nicht einher. Es funktioniert nicht auf Dauer, dass Banken 25 Prozent Rendite verdienen, wenn die Wirtschaft nur zwei Prozent wächst. Aber immer wieder denken die Menschen: Dieses Mal wird es funktionieren. 2007 aber standen wir in Wahrheit genau dort, wo wir vor der Weltwirtschaftskrise der 1930er- Jahre waren. Total liberalisierte Finanzmärkte, keiner sah Risiken, alles war in Hochstimmung. Kredite wurden durch Aufnahme neuer Kredite bezahlt.

Hätte da die Aufsicht nicht warnen sollen?

Das ganze System wurde von einer breiten öffentlichen Unterstützung getagen. Durch den Anstieg der Aktienkurse und höhere Immobilienpreise fühlten sich viele Menschen reicher. Eine starke Aufsicht wäre als Verhinderer von Wohlstand dagestanden. Das beste Beispiel sind die Fremdwährungskredite für Häuslbauer, die eigentlich so etwas wie Mini-Hedgefonds sind. Wir haben gewarnt und wurden beschimpft. Die Fremdwährungskredite wurden ja als gutes Geschäftsmodell für den Mittelstand gesehen.

Was haben die Fremdwährungskredite mit der Finanzkrise zu tun?

Die wahre Ursache der Krise ist die hohe Verschuldung. Nicht nur jene der Staaten, sondern auch die der Privaten, der Industrie und der Banken. Wer mit zu viel Fremdkapital unterwegs ist, ist anfällig. Das hat die Krise gezeigt und dort müssen wir anfangen. Kaum jemand hätte vor der Krise gedacht, dass hohe Privatverschuldung so rasch auf den Staat übergreift. Das aber ist in den USA genauso passiert wie in Spanien und Irland. Wir müssen also auf die Summe der Verschuldung schauen.

Ist das Vorhaben der Aufseher, die Banken zu zwingen, mehr mit Eigenkapital zu arbeiten, die Lösung?

Das ist eines unserer wichtigen Projekte. Gerade Banken hatten zu viel Fremdkapital. Aber die wichtigen Projekte der Aufseher kommen nicht zum Fliegen. Basel III ( Anm. Gesetz, das höheres Eigenkapital für Banken vorschreibt) wurde nicht wie geplant im Juli im Europäischen Parlament beschlossen. Es gibt eine Unmenge von Abänderungsanträgen. Generell droht bei vielen Reformen eine Verschiebung und Verwässerung.

Wo sehen Sie die größten Hindernisse?

Es gibt ein massives Lobbying der Banken, dass diese Prozesse aufgehalten werden. Da geht es auch um das Banken-Insolvenzrecht und eine stärkere europaweite Aufsicht. Beim Insolvenzrecht warten wir auf die politische Entscheidung. Wir wollen, dass sich Banken so aufstellen, dass das Spareinlagengeschäft im Fall von Problemen der Bank rasch abgespalten und übertragen werden kann. Die drei Großbanken in Österreich müssen bis Jahresende eine Art Testament vorlegen, in dem sie erklären, wie eine Abwicklung im Notfall aussehen könnte.

Was passiert, wenn die Aufsicht die neuen Regeln nicht durchbringt?

Eine Verschiebung der Regeln würde zu neuen Unsicherheiten am Finanzmarkt beitragen. Ohne Regulierung ginge jede Glaubwürdigkeit verloren und die Ratingagenturen würden bestimmen, welche Kapitalanforderungen eine Bank braucht. Die Ratingagenturen agieren entweder panisch – wenn Krise herrscht – oder manisch in den Boomphasen.

Zur Person: Helmut Ettl (47)

Karriere Der Volkswirt Helmut Ettl arbeitete nach dem Studium mehrere Jahre in der Kinder- und Jugendarbeit der Stadt Linz. 1995 wechselte er in die Nationalbank, wo er sich mit der Währungspolitik in der EU beschäftigte. 1999 wurde er Assistent von OeNB-Vizegouverneurin Gertrude Tumpel-Gugerell, 2003 wurde er Leiter der Bankenanalyse. 2008 stieg Ettl mit einem Fünf-Jahres-Vertrag in die Chefetage der Finanzmarktaufsicht auf.

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