"Fließmodell": In Pension – wann jeder will

"Fließmodell": In Pension – wann jeder will
Den Zeitpunkt des Pensionsantrittes sollte jeder Arbeitnehmer selbst wählen können, meint IV-Boss Kapsch. Ganz unproblematisch ist die Idee nicht.

Die Politik hat vor allem mit der Schuldenkrise in Europa und dem Spezialfall Griechenland zu tun. Doch bei den Alpbacher Wirtschaftsgesprächen wurde die Generationengerechtigkeit zum Generalthema erklärt. Motto: Die aktuelle Krise mag irgendwann vorbei sein, aber der Schuldenberg und die alternde Gesellschaft bleiben erhalten.

Georg Kapsch, erfolgreicher Unternehmer und neuer Präsident der Industriellenvereinigung (IV), hat zur Finanzierbarkeit des Sozialstaates und vor allem der Pensionen seine eigenen Vorstellungen mitgebracht.

Kapsch tritt für ein "Fließmodell" ein, bei dem jeder Arbeitnehmer in Hinkunft den Zeitpunkt seines Pensionsantrittes selbst wählen könnte. Die jeweilige Pensionshöhe würde dabei ausschließlich auf Basis der Beitragsjahre versicherungsmathematisch ermittelt. Das bisherige Bonus-Malus-System wäre hinfällig.

Basis dieser Überlegungen ist die Annahme der Industrie, dass jeder gesunde Arbeitnehmer zu motivieren sein müsste, länger zu arbeiten (siehe Ergänzungsgeschichte unten). Kapsch wettert gegen jene, die schon vom ersten Tag des Berufslebens an nur die spätere Pension im Auge hätten. "Stellen Sie sich vor, Sie wüssten schon bei der Geburt, wann sie sterben."

Kritik

Obwohl es auf den ersten Blick einfach und gerecht klingt, hat dieses Modell auch seine Tücken. Ein Beispiel: Sehr junge Arbeitnehmer, die schon mit 35, 40 Jahren in Pension gehen wollen, bekämen nur eine Mini-Rente – ohne Anspruch auf eine Mindestpension. Kapsch dazu: "Ich gehe nicht davon aus, dass jemand mit 50 Euro in Pension gehen will." Die Frage der sozialen Absicherung müsste man sich aber noch genauer überlegen, gibt der IV-Chef zu.

Nicht ganz unproblematisch ist auch der Umgang mit Älteren: Was tun, wenn jemand in diesem Modell partout nicht zu arbeiten aufhören will und etwa mit 85 ein Spitzengehalt statt der kleineren Pension will? Kapsch: "Dann bleibt noch immer das Kündigungsrecht."

Wie überhaupt rigoroser vorgegangen werden müsste: Die Altersteilzeit würde Kapsch am liebsten sofort abschaffen. Und sei die Politik nicht von seinem "Fließmodell" zu überzeugen, müsste auch Österreich den deutschen Weg einschlagen, und eben das gesetzliche Pensionsantrittsalter auf 67 Jahre anheben. Sowie das niedrigere Antrittsalter von Frauen rascher als bisher geplant an jenes der Männer heran führen.

Kapsch sagt über sein Vorbild Deutschland: "Wir erwarten uns ähnliche strukturelle Maßnahmen endlich auch in Österreich, wir müssen alle Schlupflöcher in die Frühpension schließen."

Die Maßnahmen der heimischen Bundesregierung im letzten Sparpaket seien "viel zu langsam gesetzt worden und nicht ausreichend."

Länger arbeiten bringt 7,5 Milliarden

In Deutschland wurde das Pensionsantrittsalter angehoben. Die Folge: In der Altersgruppe 55 bis 64 sind noch 64 Prozent der Bevölkerung erwerbstätig. In Österreich liegt dieser Anteil bei nur 43 Prozent.

Das Forschungsinstitut EcoAustria hat daher errechnet: Gelänge in Österreich bis 2022 eine vergleichbare Steigerung der Beschäftigungsquote bei Älteren wie in Deutschland zwischen 2000 und 2011, wären Einsparungen von 7,5 Milliarden Euro für das Budget erzielbar. Diese Größenordnung haben auch die gesamten Zinszahlungen der Republik für die Staatsschulden – also ein durchaus stolzer Betrag.

Das Problem ist der offenbar große Mentalitätsunterschied. Bei Umfragen streben in Österreich 57 Prozent der Männer eine vorzeitige Pensionierung zwischen 60 und 64 Jahren an, in Deutschland bloß 29 Prozent. Noch ausgeprägter ist der Unterschied bei Frauen: In Österreich wollen 50 Prozent eine Pensionierung zwischen 55 und 59 Jahren, in Deutschland lediglich fünf Prozent.

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