Finanztransaktionssteuer: Londons Klage abgewiesen
Die Finanztransaktionssteuer hat noch vor ihrer möglichen Einführung juristischen Aufwind erhalten. Die Klage Großbritanniens gegen den Beschluss des EU-Finanzministerrats, eine Finanztransaktionssteuer auf Basis der verstärkten Zusammenarbeit von elf Staaten - unter ihnen Österreich - einzuführen, wurde abgewiesen. Der EuGH weist darauf hin, dass der von London angefochtene Beschluss nicht vor Einführung der Steuer geprüft werden könne. Großbritannien hatte geklagt, weil es durch den EU-Ratsbeschluss vom Jänner 2013 seine Rechte und Pflichten als nicht-teilnehmender Staat missachtet sieht und zusätzliche Kosten befürchtet.
In Großbritannien nahm man die Zurückweisung der Klage gelassen, zumal sie erwartet worden sei. Hätte man nicht schon jetzt geklagt, hätte man riskiert dies zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr machen zu können. Die Entscheidung bekräftige, dass ein endgültiger Vorschlag für die Transaktionssteuer angefochten werden kann, sagte ein Sprecher des britischen Finanzministeriums.
Die elf Euro-Länder, die sich an der Finanztransaktionssteuer beteiligen wollen, sind neben Österreich noch Deutschland, Frankreich, Belgien, Griechenland, Estland, Italien, Spanien, Portugal, Slowakei und Slowenien. Die Brüsseler Behörde hatte vorgeschlagen, Geschäfte mit Aktien und Anleihen mit 0,1 Prozent und solche mit spekulativen Finanzprodukten (etwa Derivate) mit 0,01 Prozent zu besteuern.
EU: Weg frei
Die EU-Kommission sei immer von der Rechtmäßigkeit der Entscheidung für die Steuer ausgegangen, erklärte eine Sprecherin von EU-Steuerkommissar Algirdas Semeta am Mittwoch. Dies sei nun vom Gerichtshof bestätigt worden. Damit werde den elf Staaten volle Legitimität erteilt, auf dem Weg zur Einführung der Steuer voranzuschreiten. Die Kommission selbst sei immer für eine Einführung aller 28 Staaten gewesen. Man habe aber immer klargestellt, dass eine verstärkte Zusammenarbeit keinerlei negative Auswirkungen auf die nicht teilnehmenden Staaten habe.
Faymann: Noch in dieser Legislaturperiode
Allerdings ist der Zeitpunkt einer konkreten Einführung derzeit noch überhaupt nicht klar. Die Finanzminister waren sich zuletzt zumindest über ein schrittweises Vorgehen einig. So soll mit Aktien begonnen werden, dann kommen Derivatprodukte. Wobei bei den Derivaten noch Klärungen notwendig seien. Am 5. Mai beim nächsten EU-Finanzministerrat sei ein weiteres Treffen der elf Staaten geplant, hatte zuletzt Österreichs Ressortchef Spindelegger erklärt. Bundeskanzler Faymann zeigte sich am Mittwoch im Nationalrat optimistisch, dass die Finanztransaktionssteuer noch in dieser Legislaturperiode kommt.
Was genau ist die Finanztransaktionssteuer?
Für jedes Finanz- und Wertpapiergeschäft soll ein geringer Prozentsatz als Steuer eingehoben werden. Dadurch werden Sparer oder langfristige Investoren kaum belastet. Spekulanten, die sehr rasch viele Transaktionen tätigen, würden stark getroffen. Der Börsenspruch "Hin und her macht Tasche leer" erhält neue Bedeutung.
Was soll besteuert werden?
Das ist heftig umstritten. Die EU-Kommission hat vorgeschlagen, Aktien und Anleihen mit 0,1 Prozent und Derivate mit 0,01 Prozent zu besteuern. Damit hätten Frankreichs Großbanken ein Problem, die extrem viele Derivategeschäfte betreiben. Für sie wird eine Art Rabattabschlag überlegt.
Wann wird die Steuer eingeführt?
Österreich und Deutschland wollen, dass es noch vor der EU-Wahl im Mai eine politische Einigung gibt. Möglicher Starttermin wäre 2016. Womöglich gibt es einen Stufenplan, wo die Steuerbasis sukzessive ausgeweitet wird.
Wer macht mit?
Weil es unter den 27 EU-Ländern keine Einigkeit gab, preschen 11 Länder vor: Die "großen Vier" Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien sowie Österreich, Belgien, Griechenland, Estland, Portugal, Slowakei und Slowenien.
Wie viel bringt das?
In der breitesten Variante könnte die Steuer laut EU-Kommission 34 Mrd. Euro pro Jahr in die Kassen der elf Staaten spülen, davon 12 Mrd. Euro in Deutschland. In Österreich hat die Regierung ursprünglich auf 500 Mio. Euro gehofft. Die Schmalspurvariante (Börseumsatzsteuer) bringt nur einen niedrigen zweistelligen Millionenbetrag.
Wer ist dagegen?
Großbritannien und Luxemburger fürchten um ihren Finanzplatz. Schweden hatte mit einem Alleingang schlechte Erfahrungen.
Kann die Steuer umgangen werden?
Das soll verhindert werden. Geplant ist deshalb, dass die Steuer anfällt, wenn der Käufer, Verkäufer oder das gehandelte Finanzprodukt aus einem der elf Staaten kommt. Somit könnten die Geschäfte nicht so einfach verlagert werden.
Bei österreichischen EU-Abgeordneten löste die vom EuGH abgewiesene Klage Großbritanniens Erleichterung aus.
Der Vizepräsident des EU-Parlaments, Othmar Karas (ÖVP), forderte, dass die Finanztransaktionssteuer nun umgesetzt werde und die kleinkarierten Streitereien aufhören. Karas meinte, das EU-Parlament habe im Juli 2013 ein Modell vorgelegt, das sowohl praxistauglich sei als auch die nötigen Lenkungseffekte am Finanzmarkt bietet. Das von ihm verhandelte Modell sehe einheitliche Maximalsteuersätze aller Teilnehmerländer vor, um Marktverzerrungen zu verhindern und einen höheren Steuersatz für außerbörsliche Geschäfte, die auf nicht-regulierten Märkten stattfinden. Die Einnahmen aus der Finanztransaktionssteuer sollten ins EU-Budget fließen, um notwendige Zusatzinvestitionen in den Bereichen Bildung und Jugendarbeitslosigkeit finanzieren zu können.
Die SPÖ-Europamandatarin Evelyn Regner verlangte ebenfalls eine rasche Umsetzung, um Spekulanten an den Kosten der Krise zu beteiligen. Regner erklärte, die Sozialdemokraten würden seit Jahren für die rasche Einführung der Finanztransaktionssteuer kämpfen. Bei der EU-Wahl werde sich entscheiden, ob konservative Bremser oder sozialdemokratische Steuergerechtigkeit künftig das Sagen haben.
Die Grüne EU-Abgeordnete Ulrike Lunacek sagte, der EuGH habe einen Bremsklotz für die Finanztransaktionssteuer aus dem Weg geräumt. Lunacek forderte den Rat auf, die längst überfällige Einführung der Finanztransaktionssteuer zügig umzusetzen. Es dürfe keine Ausnahmen für Pensionsfonds, Investmentfonds (UCITS) oder bestimmte Marktakteure eingeräumt werden.
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