"Finanzpolizei macht Freitagmittag Schluss"

Achtung, dubiose Baustelle!
Lohn- und Sozialdumping: Mehr Kontrollen und bessere Vernetzung der Behörden gefordert.

Freitagnachmittag auf einer Wiener Großbaustelle: Bauarbeiter-Schichtwechsel, die einen gehen ins Wochenende, die anderen kommen zur Wochenend-Schicht. Busweise trifft Billig-Personal aus Polen, Rumänien oder Ungarn ein. Das Werkzeug wird selbst mitgebracht, die Entlohnung erfolgt meist bar auf die Hand. Angst vor Kontrollen oder gar Razzien durch die Finanzpolizei muss hier niemand haben.

Das behauptet zumindest Porr-Betriebsratschef Peter Grandits bei einer Podiumsdiskussion im Europazentrum Wien. "Am Wochenende drehen sich die Kräne in Wien, aber die Finanzpolizei macht am Freitagmittag Schluss", ärgert sich der Baugewerkschafter über die Untätigkeit der Behörden im Kampf gegen Lohn- und Sozialdumping. Obwohl die Finanzpolizei offiziell stets versichere, selbstverständlich auch an Wochenenden Stichproben durchzuführen, sehe die Praxis anders aus.

Insgesamt kontrollierte die Finanzpolizei im Vorjahr 29.722 Betriebe, das waren um 5000 weniger als 2014. Dazu kamen allerdings auch Kontrollen im Bereich des illegalen Glücksspiels. Auch Arbeiterkammer-Präsident Rudolf Kaske forderte am Freitag mehr Razzien am Bau – und mehr Personal. "Wir wollen bei der Finanzpolizei eine Aufstockung von 470 auf 1000 Beamte", so Kaske.

Vollzugsproblem

Selbst bei mehr Kontrollen bleibt das Problem, dass Strafen bei Firmen im Ausland schwer einzutreiben sind. "Wir brauchen Instrumente, die im Inland wirken", meint Wirtschaftskammer-Sozialexperte Rolf Gleißner und hat auch gleich Vorschläge parat. Bei Verdacht auf Unterentlohnung sollten gleich Baumaschinen vor Ort beschlagnahmt werden oder die Behörden die Bezahlung an die Arbeitnehmer übernehmen. Baufirmen müssten das Entgelt dann zuerst an die Behörde überweisen und diese dann an die Arbeitnehmer. So könne sichergestellt werden, dass der am Papier angeführte Betrag auch tatsächlich ausbezahlt werde.

Als Vorbild für wirksame Kontrollen gilt Deutschland, wo Großbaustellen durchgehend abgesperrt sind und Arbeiter nur mittels elektronischer Zutrittskontrollen auf die Baustelle kommen. Die Razzien erfolgen durch eigene, gut ausgebildete Sondereinheiten aus mehreren Behörden (Sozialversicherung, Finanz). In Österreich funktioniere diese Behörden-Vernetzung in der Praxis überhaupt nicht, klagt Grandits.

Eine Verbesserung der Lage erhoffen sich die Sozialpartner durch eine Verschärfung des Lohn- und Sozialdumpinggesetzes, das gerade in Begutachtung ist. Unter anderem ist darin eine Ausweitung der Generalunternehmerhaftung auf öffentliche Auftraggeber, also Bund, Länder und Gemeinden, vorgesehen. Diese tun gut daran, sich an das seit März geltende Bestbieterprinzip zu halten.

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