Finanz sagt Steuerentgang im Internet den Kampf an

"SOKO Internet": Lieferdaten der Zusteller werden angezapft, Austausch von Informationen innerhalb der EU.

Führen ausländische Versandhändler wie Amazon & Co. zu wenig Umsatzsteuer in Österreich ab? Wie berichtet, sollen dem Fiskus jährlich Steuereinnahmen von mehr als 100 Millionen Euro entgehen, weil die tatsächlichen Umsätze für die Steuerfahnder schlicht nicht überprüfbar sind. Das Problem: Viele Online-Händler haben keinen Firmensitz in Österreich und entziehen sich dadurch den Prüfern. Andere wissen gar nicht, dass sie ab einer Lieferschwelle von 35.000 Euro in Österreich umsatzsteuerpflichtig sind.

Finanzminister Hans Jörg Schelling gibt offen zu, dass der grenzüberschreitende Informationsaustausch bezüglich Umsatzsteuerleistung innerhalb der EU nicht funktioniert. "Die Zusammenarbeitsbereitschaft der Mitgliedsstaaten im Bereich des Versandhandels ist steigerungsfähig", schreibt Schelling in einer parlamentarischen Anfrage-Beantwortung. Die Anfrage kam von den Grünen und stützte sich auf Recherchen des KURIER.

Den vermuteten Steuerentgang im Netz will Schelling nicht quantifizieren. Er hat aber eine eigene "SOKO Internet" ins Leben gerufen und kündigt verstärkte Maßnahmen im Inland sowie auf EU-Ebene an.

Paketzusteller Um festzustellen, welche Waren nach Österreich geliefert werden, greift die Finanz auf Lieferdaten von Paketdienstleistern wie Post oder DHL zu. In einem Pilotprojekt 2013 konnten so 30 in Österreich steuerlich noch nicht erfasste ausländische Firmen ertappt werden. Nach Überprüfung ihrer Versandhandelslieferungen konnte das Finanzamt Graz-Stadt zwei Millionen Euro an Mehreinnahmen erzielen. Noch heuer wird die Aktion fortgesetzt.

Infoaustausch Einen automatischen Informationsaustausch innerhalb der EU gibt es derzeit nur bei der Lieferung von Fahrzeugen an Private, nicht aber generell für den Versandhandel. Einzelauskünfte bei ausländischen Finanzbehörden – im Vorjahr gab es 762 solcher Ansuchen – sind langwierig und mangels Kooperationsbereitschaft oft erfolglos. Interessant: An Luxemburg gab es im Vorjahr keine einzige Anfrage. Um den Infoaustausch zu forcieren, wandte sich Schelling bereits schriftlich an alle seine EU-Amtskollegen. Das Problem, so Schelling auf einer KURIER-Veranstaltung zu Wochenbeginn, seien nicht so sehr die großen Internet-Händler, die ohnehin von der Finanz geprüft würden, sondern die kleinen Händler, die sehr schwer kontrollierbar seien. "Manche Firmen existieren nur für acht Stunden, da wird die Kontrolle schwierig."

Außenhandelsstellen Weil im Ausland offenbar große Unwissenheit über die österreichische Versandhandelsregelung herrscht, sollen die Außenwirtschaftsstellen der Wirtschaftskammer (WKO) Aufklärung leisten. Eine entsprechende Vereinbarung mit der WKO gibt es bereits.

Empfängerland-Prinzip Seit Jänner sind digitale Waren (Download von Apps, Musik, Bücher etc.) innerhalb der EU dort umsatzsteuerpflichtig, wo der Kunde ansässig ist (Empfängerland-Prinzip). Damit sich die Anbieter nicht in allen 28 EU-Staaten einzeln registrieren müssen, gibt es einen eigenen Umsatzsteuer-Mini-One-Stop-Shop, genannt MOSS. Firmen führen die gesamte Steuer im eigenen Land ab, melden aber MOSS, in welchen Ländern sie welche Erlöse erzielt haben. Die Finanzbehörden leiten die Abgaben dann an die jeweiligen Länder weiter. Die EU plant, das Empfängerland-Prinzip auch auf den Versandhandel auszuweiten.

Bis dahin ist noch ein weiter Weg. Wie wichtig ein gemeinsames Vorgehen aller Mitgliedsstaaten wäre, zeigen Schätzungen der EU-Kommission, wonach allein durch Mehrwertsteuer-Karussell Steuereinnahmen von 17 Mrd. Euro entgehen. Bruno Rossmann, Budgetsprecher der Grünen, ortet „eine gewisse Ohnmacht“ der nationalen Finanzbehörden beim Steuervollzug, lobt aber das Bestreben des Ministers, „da endlich was zu tun“.

Das Internet macht die Preise transparent – und ruft auch die Wettbewerbshüter auf den Plan. Auf geizhals.at wird etwa ein Waschmaschinenmodell von sieben Händlern zum exakt gleichen Preis angeboten. Für Theodor Thanner, Chef der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB), ist das verdächtig. Auch, weil der Preis des Gerätes seit zwei Jahren, abgesehen von Ausreißern für einen Tag, unverändert ist und das nicht gerade auf ein freies Spiel von Angebot und Nachfrage hinweist, sagt Thanner beim Competition Talk der BWB am Dienstag. Sondern eher darauf, dass Händler, die billiger angeboten haben, von Herstellern gemaßregelt wurden – etwa durch Androhung eines Lieferstopps oder durch verzögerte Belieferung.

Die Wettbewerbshüter in Europa nehmen Händler und ihre Preisgestaltung verstärkt unter die Lupe. Allein in Österreich wurden im Elektronikbereich Geldbußen von insgesamt 2,1 Millionen Euro verhängt – unter anderen einigten sich Media Saturn, Grundig und Pioneer auf Settlements. Weitere Fälle sind anhängig. Viele Entscheidungen gab es zuletzt in Deutschland: Von den Online-Klauseln von adidas bis zur gekippten Mindestpreisklausel der Hotel-Buchungsplattform HRS.

Das Match zwischen Onlinehändlern und stationären Händlern wird härter. In den Geschäften wird moniert, dass Kunden sich lange beraten lassen, dann aber online einkaufen – weil es dort billiger ist. Dass Hersteller den Online-Vertrieb ihrer Produkte einfach untersagen, um eine Preisspirale nach unten zu vermeiden, ist verboten. Die Festsetzung eines Mindestpreises ebenso.

Konsument zahlt drauf

Laut dem Magazin Newsweek verursachten Kartelle in Europa europäischen Konsumenten seit 1990 Mehrkosten von 1,5 Billionen Euro. Dagegen ist die Höhe der bezahlten Bußgelder mit insgesamt 115 Milliarden Euro bescheiden, wird aus einer Studie des American Antitrust Institute zitiert.

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