"Landwirtschaft ist emotional"

"Landwirtschaft ist emotional"
Die Bienen-Debatte ist "entglitten", bedauert der Präsident der Land & Forstbetriebe.

Rund 700 LandwirtschaftsUnternehmen sind Mitglied im Verband Land&Forst Betriebe Österreich. Präsident Felix Montecuccoli über Emotion und Vernunft in der Agrarpolitik.

KURIER: Was ist bei den Verhandlungen über die künftige EU-Agrarpolitik noch offen?

"Landwirtschaft ist emotional"
Felix Montecuccoli:Bestimmte Flächen sollen nicht mehr intensiv bewirtschaftet werden. Für Kleinstlandwirte wird es Sonderregelungen geben. Außerdem muss definiert werden, wer förderungswürdiger Landwirt ist.

Es gibt weniger Förderungen. Warum wehren Sie sich dagegen, dass die Förderung für Großbetriebe gedeckelt wird?

Es soll die Leistung betrachtet werden und nicht der Erbringer. Der Preis für eine Taxifahrt hängt auch nicht davon ab, wie groß die Flotte des Taxiunternehmers ist.

Die Förderungen für landwirtschaftliche Unternehmen und Stiftungen sind im Internet abrufbar. Was stört Sie daran?

Entweder volle Transparenz, dann aber nicht nur für die Landwirtschaft, sondern auch für den Sozialbereich und alle anderen. Oder man lässt es ganz bleiben.

Der Selbstversorgungsgrad der Landwirtschaft ist hoch. Wird das auch in Zukunft so sein?

Wir haben einen guten Selbstversorgungsgrad bei Getreide, Fleisch und Feldgemüse und einen exzellenten bei Milch. Wir können daher verarbeitete Lebensmittel exportieren und haben verglichen mit den importierten Lebensmitteln – etwa Südfrüchte – eine positive Handelsbilanz. Ein Rückgang der Lebensmittelproduktion würde zu einer Belastung der Handelsbilanz führen.

Werden für landwirtschaftliche Produkte faire Preise bezahlt?

Der europäische Markt ist ein Segment des Weltmarktes. Getreide, Mais, Raps und Sojabohnen hängen über die Preise für Treibstoff und Düngemittel an der Entwicklung des Ölpreises. Die Preise sind dann fair, wenn der höhere Ölpreis abgegolten wird.

Das Projekt E 10, also Verdoppelung des Anteils an Biosprit im Benzin, wurde fallen gelassen, weil es angeblich zu mehr Hunger führt. Da geht es um Emotionen.

Landwirtschaft ist emotional, weil ich als Bauer jeden Tag mit Tieren und Pflanzen, also mit Leben, zu tun habe. Dass Biodiesel hungernden Menschen die Lebensmittel wegnimmt, stimmt einfach nicht. Wir werfen etwa drei Mal so viele Lebensmittel weg, wie wir zu Treibstoff verarbeiten. Es wird mehr Rapsöl für das Frittieren verwendet, als zu Biodiesel verarbeitet.

Nun werden Pflanzenschutzmittel verboten, weil sie für das Bienensterben verantwortlich sein sollen.

Die Bienen sind für die Bestäubung von Pflanzen extrem wichtig. Die am stärksten wachsende Gruppe sind aber die Insekten. Der Maiswurzelbohrer vernichtet die gesamte Ernte. Der Erdfloh ist gefährlich für Raps, Zuckerrüben, Kürbis und Mohnpflanzen. Die Neonicotinoide treffen nur Insekten, die sich in die Pflanze hineinfressen.

Und die Bienen?

Für sie ist der Staub gefährlich, der bei der Aussaat entsteht. Die Landwirtschaft hat daher alle Sämaschinen nachgerüstet. Das Thema ist allerdings emotional entglitten. In den Schweizer Bergen gibt es das Bienensterben genauso, obwohl dort keine Neonicotinoide verwendet werden. Diese werden auch als Pflanzenschutzmittel im Bau- und Gartenmarkt an jeden verkauft. Die Leute wissen oft gar nicht, was sie da verwenden.

Im Streit um falsche Angaben bei Almflächen und daraus drohenden Rückzahlungen von Fördergeldern an die EU könnte auch der Staat zur Kasse gebeten werden. Denn in Fällen, in denen ein Almbauer nachweislich unschuldig an der falschen Flächenvermessung sei, könnte es zu Haftungsfällen für die Behörden kommen. Das schließt zumindest der ehemalige Agrar-Kommissar Franz Fischler nicht aus, der im Auftrag des Landwirtschaftsministeriums die im April eingerichtete „SOKO Alm“ leitet.

Die EU hat wie berichtet für die Jahre 2006 bis 2008 bis zu 64,2 Millionen Euro zurückgefordert, die wegen zu hoher Angaben für die so genannte „Futterflächen“ ausbezahlt worden seien. Mittlerweile ist allerdings von einem einstelligen Millionenbetrag die Rede.

Bei rund 3500 der 8500 österreichischen Almen gibt es laut Fischler und Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich bei den jetzt von der Agrarmarkt Austria (AMA) vorgenommenen Neuvermessung „größere Abweichungen“ von den bisherigen Flächenangaben. Dabei hätte – so Fischler – „nur eine einstellige Prozentzahl“ von Bauern wahrscheinlich falsche Angaben gemacht. In diesem Fall drohen neben der Rückzahlung der Förderung auch Strafzahlungen. Bei den meisten Fällen wurden die Abweichungen bereits berichtigt, es liegen noch 270 Härtefälle vor.

Almbauern, die ihre Flächenangaben im Antrag für die neue Förderung richtigstellen, sollen laut Berlakovich zumindest ohne Sanktionen – also Strafzahlungen – davonkommen. In Einzelfällen könnte es aber dennoch Rückforderungen von bereits ausbezahlten Prämien geben.

Für die Zukunft arbeitet die SOKO Alm an einem neuen Vermessungs-Plan. Denn die derzeitige digitale Berechnung der Almflächen aufgrund von Luftbildaufnahmen ist laut Fischler auch für Experten extrem schwierig. Mit Bäumen bewachsene Flächen oder Heidelbeersträucher – die nicht zur förderwürdigen Futterfläche zählen – seien auf den Luftbildern oft nicht eindeutig zu erkennen.

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