"Fast jeder will bei uns ein E-Auto"
Erik Lorentzen kratzt sich seinen dichten roten Bart und wundert sich ob der Skepsis, die in Österreich gegenüber E-Autos herrscht. Der E-Mobility-Experte des Norwegischen E-Auto-Verbands ist überzeugt, dass es kein bequemeres und stressfreieres Autofahren gibt als mit E-Autos. Der Großteil der Norweger teilt seine Ansicht.
Jeder zweite neu zugelassene Pkw in dem Land fährt mit Strom. Knapp mehr als ein Viertel aller Autos werden bereits elektrisch angetrieben. Rechnet man die Hybrid-Fahrzeuge dazu, kommt man schon auf einen Anteil von 40 Prozent am gesamten Autobestand in Norwegen.
Und es wären eigentlich noch viel mehr, sagt Lorentzen. „Wir warten hier auf ein neues E-Auto Monate“, betont er. Nicht etwa eine zu geringe Nachfrage von Kunden sei das Problem, sondern das viel zu geringe Angebot der Autoindustrie. „Sie kommen mit der Produktion nicht nach. Die Industrie ist der wahre Bremsklotz für die Entwicklung des E-Auto-Marktes“, betont der norwegische Experte. „Vor allem die europäischen Autobauer reagieren zu langsam“, fügt er hinzu. Lorentzen ist durchaus besorgt, dass die Europäer den Anschluss an die neue Technologie in der Fahrzeugindustrie verlieren. „Die Chinesen werden Europa abhängen, wenn das so weitergeht“, befürchtet er. Noch aber beherrschen europäische und japanische Marken und natürlich Tesla das Straßenbild in der norwegischen Hauptstadt Oslo. Das beliebteste E-Auto in der August-Neuzulassungsstatistik war der Nissan Leaf vor dem VW e-Golf und dem BMW i3.
Auf der Überholspur
Spürbar leiser als in anderen europäischen Hauptstädten ist der Verkehr. Und zu Stoßzeiten verstopfen E-Autos an so manchen Tagen die Busspuren der Hauptstraßen der Stadt. Denn elektrische Fahrzeuge genießen den Vorteil, die Busspur benutzen zu dürfen. Ob das noch lange so bleibt, wenn sich E-Mobility zum Massenphänomen entwickelt, wagt Lorentzen nicht zu sagen. Eine erste Einschränkung hat die Regierung schon durchgesetzt: Wer mit einem E-Auto die Busspur benutzt, muss zumindest einen Mitfahrer haben. Der eine oder andere findige Norweger soll dann auch schon mal mit einer Plastikpuppe am Beifahrersitz erwischt worden sein.
Wie hat es Norwegen geschafft, in vergleichsweise kurzer Zeit die Verbreitung von E-Autos derart zu steigern? „Ganz einfach“, sagt Lorentzen, „E-Autos kosten nicht mehr als vergleichbare Benziner oder Dieselautos.“ Denn auch für Norweger gelte: Der Preis ist beim Autokauf entscheidend. Wenn das Fahrzeug 10.000 Euro teurer sei und nicht mehr könne als ein Verbrenner, werde es nicht gekauft.
Also hat die norwegische Regierung deutliche Steuerentlastungen für die „Stromer“ festgesetzt. Auf E-Autos fällt weder eine Mehrwertsteuer, noch eine Importsteuer an und die Kfz-Steuer ist geringer als für Benzin- und Dieselautos. E-Auto-Fahrer zahlen keine Maut, parken kostenlos auf öffentlichen Parkplätzen, dürfen die Busspur nutzen und zahlen nichts für die meisten Fähren. Somit kostet ein e-Golf in Norwegen 32.990 Euro, ein „normaler Golf“ 31.236 Euro. Die Preisdifferenz ist fast vernachlässigbar. Natürlich tut sich das Land leicht, Steuernachlässe für E-Autos zu gewähren. Denn seit Jahrzehnten sind die Steuern auf Fahrzeuge extrem hoch.
Immer weiter
Und noch einen Vorteil haben die Norweger, wenn es um E-Autos geht: Sie sind gewohnt, nicht schnell zu fahren. Geschwindigkeitsbeschränkungen in dem Land sind häufig und werden drastisch geahndet. Gemütliches Dahinrollen ist der norwegische Fahrstil. Das hat Vorteile, weil das auch den Verbrauch reduziert.
Nach Jahren der Gewöhnung ans elektrische Fahren wagen sich die Norweger auch auf längere Strecken mit dem E-Auto. „Es sind nicht mehr nur die Pendler, die E-Mobility bevorzugen“, sagt Lorentzen. Nach einer Befragung des Verbands haben 37 Prozent der E-Auto-Besitzer schon eine Reise mit ihrem Fahrzeug unternommen.
Die Stromanbieter kommen dem rasch wachsenden E-Mobility-Markt in Norwegen mit dem Errichten neuer Ladestationen kaum noch nach. „Schlange stehen vor Ladestationen kommt leider vor“, räumen die Experten des finnischen Stromversorgers Fortum ein, dem Marktführer bei Norwegens E-Tankstellen.
An der E-Tankstelle läuft die Uhr mit
Tanken ist für Benzin- und Dieselauto-Fahrer eine schnelle Sache: hin zur nächsten Tankstelle, ein Blick auf die übersichtlich präsentierte Preistafel und in wenigen Minuten volltanken. Eine klare Angelegenheit.
Beim E-Auto läuft das komplett anders ab. Zunächst einmal muss schon beim Kauf des Fahrzeugs überlegt werden, mit welchem Stromanbieter man einen Vertrag abschließt. Die Tarife unterscheiden sich laut einer Studie der Arbeiterkammer beträchtlich und sind zudem schwer vergleichbar. Der billigste Tankvertrag kostet demnach 2,92 Euro für 100 Kilometer, der teuerste ganze 8,33 Euro. Hat man einen Vertrag mit einem Stromversorger abgeschlossen, bekommt man eine Tankkarte. Mit dieser kann man bei den rund 2800 Ladestellen des Bundesverbands Elektromobilität Österreich (BEÖ) zu dem jeweiligen Tarif seines Versorgers tanken. Nicht dabei bei diesem Netz ist jedoch die Tiwag, sie hat eine Tankkarte für ihre
57 Stationen. Lädt man an einer Station, für die die eigene Tankkarte nicht gilt, muss man direkt per Kreditkarte zahlen. Das ist mit Abstand die teuerste Variante. Grundsätzlich gilt zudem: Langsames Aufladen mit einer geringen Ladeleistung ist für den Autofahrer am billigsten, Schnellladen mit hoher Leistung teuer.
Die Energieversorger, die mit dem BEÖ zusammenarbeiten, verlangen einen Zeittarif. Das heißt: Je länger ein Fahrzeug an der Ladestelle hängt, umso teurer wird es. Wien Energie verrechnet zum Beispiel ab 1. Oktober für die 11-Kilowattstunden-Ladeleistung 1,6 Euro je Stunde plus 0,2 Euro je Kilowattstunde am Tag. In der Nacht sind es 0,16 Euro je Stunde plus 0,2 Euro je Kilowattstunde.
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