Experten sehen Coronakrise als Chance fürs Klima
Experten wie IHS-Chef Martin Kocher und die Geschäftsführerin des Klima- und Energiefonds, Theresia Vogel, sehen die Coronakrise als Chance, die Klimakrise in den Griff zu bekommen. Menschen hätten innerhalb kürzester Zeit lieb gewonnene Gewohnheiten über Bord geworfen, die Wissenschaft habe mehr Glaubwürdigkeit und Gehör bekommen und die Krise habe vor Augen geführt, was der Staat bewirken könne.
"Vieles wird davon abhängen, ob die Menschen ihr Verhalten wirklich ändern", sagte der Chef des Instituts für Höhere Studien (IHS) am Dienstag bei einem virtuellen Business Breakfast. Befragungen würden schon jetzt zeigen, dass viele Homeoffice auch in Zukunft stärker nutzen wollen, was die Mobilität reduziere. Auf der anderen Seite gingen Menschen auch zurück zu ihren alten Verhaltensmustern oder implementierten neue, wie eine stärkere Nutzung von Streamingdiensten. "Streaming ist extrem energieineffizient", sagte Vogel.
"Verzicht funktioniert nicht"
Verzicht halten beide Experten nicht für eine gute Strategie, um die Klimaziele zu erreichen. "Verzicht hat noch nie funktioniert. Mit dem gewinnt man die Menschen nicht", so Vogel. Besser funktioniere ein Belohnungssystem, etwa Förderungen für energieeffiziente Geräte, Gebäude und Erneuerbare Energien. Im Privaten sei der Verkehr zentral, Flugzeug und Auto vermeiden, auf die Öffis umsteigen oder Fahrgemeinschaften bilden. "Wenn ich zur Weltrettung jede Woche nach Brüssel fliege, brauch ich mir um den Rest auch keine Gedanken mehr machen", sagte Vogel.
Aus Kochers Sicht geht es nicht ohne eine höhere Bepreisung und technologischen Fortschritt. Umweltschädliches Verhalten müsse teurer werden (Stichwort CO2-Abgabe), gleichzeitig müsse Forschung und Entwicklung gefördert werden.
In der Coronakrise habe der Staat gezeigt, dass er schnell reagieren kann. Die Maßnahmen seien zügig angekündigt und umgesetzt worden und es habe sich schnell gezeigt, ob sie wirken. "Das muss es beim Klima auch geben", forderte Vogel. Kocher räumte ein, dass punkto Klimaziele vieles in die Zukunft geschoben werde. "Einfacher wäre es, jährliche Ziele zu haben. Viele denken sich, 2050 lebe ich eh nicht mehr", so der IHS-Ökonom.
Kooperation gefordert
Eine Lehre aus der Coronazeit sei auch, dass Jüngere und Ältere kooperativ sein müssten. Das Coronavirus und die Klimakrise hätten die gleiche Zielgruppe, nämlich ältere Personen, sagte Vogel. Klimaveränderungen führten insbesondere bei Älteren zu mehr Hitzetoten, auch das Virus stelle für ältere Menschen ein höheres Gesundheitsrisiko dar als für junge. Die finanziellen Schäden müssten in beiden Fällen junge Menschen tragen. "Das Ausspielen gegeneinander bringt uns wenig", sagte Vogel. Kocher ortet den Konflikt am ehesten beim Thema Pensionen.
Unternehmen müssten Konsumenten mehr Informationen bereitstellen. "Wichtig wäre, dass Konsumenten das Wissen drüber haben, wie klimafreundlich die Produkte sind, die sie kaufen", so Kocher - etwa ob nun die Glasflasche oder das Tetra Pak weniger Energie verbrauche, ob die Paradeiser aus Spanien oder die aus dem österreichischen Glashaus effizienter seien. "Corona hat uns auch gezeigt, wo die Schwachstellen sind", sagte Vogel. Globale Wertschöpfungsketten kamen ins Wanken. Nur lokal zu konsumieren sei aber auch eine Illusion, so Kocher.
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