Ferdinand Piech: Der große Patriarch der Autoindustrie ist tot

Ferdinand Piech
Der 82-Jährige starb bereits am Sonntagabend nach einem Restaurantbesuch.

Der langjährige VW-Vorstands- und Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch ist tot. Piëch starb im Alter von 82 Jahren. Die Witwe Piëchs, Ursula Piëch, bestätigte den Tod ihres Ehemannes. Ihr Mann sei am Sonntag "plötzlich und unerwartet verstorben", hieß es in einer Mitteilung Ursula Piëchs, die der Deutschen Presse-Agentur am Montagabend vom Anwalt der Familie, Christian Schertz, zugeschickt wurde.

Ursula Piëch schrieb: "Das Leben von Ferdinand Piëch war geprägt von seiner Leidenschaft für das Automobil und für die Arbeitnehmer." Er sei bis zuletzt ein begeisterter Ingenieur und Autoliebhaber gewesen. Die Beisetzung finde im engsten Familienkreis statt, hieß es weiter.

"Großer Ingenieur"

VW-Gesamtbetriebsratschef Bernd Osterloh würdigte ihn am Dienstag als "großen Manager und Ingenieur". "Volkswagen stünde ohne Ferdinand Piech nicht da, wo wir jetzt stehen. Dafür schulden wir ihm unseren Dank und unsere Anerkennung", teilte Osterloh am Dienstag auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit.

"Wir als Betriebsräte waren nicht immer in allen Fragen einer Meinung mit unserem früheren Vorstandsvorsitzenden und Aufsichtsratsvorsitzenden. Aber wir blicken mit Respekt und Achtung auf sein großes Lebenswerk", so der Betriebsratschef weiter. "Denn mit seiner Liebe zum Produkt, seiner strategischen Weitsicht und seinem feinen Gespür für die Weiterentwicklung unserer Marken hat Ferdinand Piech die Erfolgsgeschichte unseres Konzerns entscheidend geprägt."

Osterloh sagte, die Belegschaft danke Piech für seinen Anteil an der Einführung der Vier-Tages-Woche und der damit verbundenen Rettung zehntausender Arbeitsplätze bei dem Autobauer. Zudem habe der frühere VW-Patriarch 1998 die Entschädigung der damals noch lebenden Zwangsarbeiter des VW-Werks auf den Weg gebracht.

Begnadeter Ingenieur

Mit dem Tod von Ferdinand Piech geht für Volkswagen und die Automobilindustrie eine Ära zu Ende. Der Enkel des Käfer-Konstrukteurs Ferdinand Porsche galt als begnadeter Ingenieur und hat das deutsche Unternehmen zu dem gemacht, was er heute ist: zu einem weltumspannenden Megakonzern, der vom Kleinwagen über das Ducati-Motorrad bis zum Schwerlaster alles anbietet, was auf den Straßen rollt.

Der Österreicher und VW-Patriarch führte den Konzern mit eiserner Hand und duldete keinen Widerspruch - von 1993 bis 2002 als Vorstandschef und bis 2015 als Aufsichtsratsvorsitzender. Aus dieser Zeit stammt auch der Begriff des Wolfsburger Imperiums, das die Autowelt beherrscht.

Kritiker sehen in dieser Führungskultur, die von Piechs Ziehsohn und späterem Nachfolger an der Unternehmensspitze, Martin Winterkorn, übernommen wurde, aber auch einen Grund für den Dieselskandal, der die Existenz von Volkswagen vor fast vier Jahren in Gefahr brachte. Durch den von Piech eingeführten Managementstil konnte nach Ansicht von Kritikern über viele Jahre ein System der Angst entstehen, in dem Ingenieure lieber manipulierten, als zugaben, dass Abgasgrenzwerte nicht eingehalten werden konnten. Die Dieselkrise, die bei VW ihren Ausgang nahm, hat inzwischen auch andere Hersteller wie Daimler erfasst.

Distanz zu Winterkorn

Seinen ersten schweren Rückschlag, von dem er sich nie richtig erholte, erlebte der Machtmensch Piech, als er im April 2015 Zweifel an Winterkorn säte, um ihn als Nachfolger an der Spitze des Aufsichtsrats zu verhindern: "Ich bin auf Distanz zu Winterkorn", zitierte ihn der "Spiegel" damals.

Doch womit Piech selbst wohl am wenigsten rechnete, trat ein: Sowohl der mächtige Betriebsratschef Bernd Osterloh und die IG Metall als auch das Land Niedersachsen stützten Winterkorn. Während sich Piech daraufhin grollend in sein Salzburger Domizil zurückzog, blieb Winterkorn zunächst im Amt. Er musste dann allerdings im September 2015 zurücktreten, nachdem die Dieselmanipulation in den USA aufgeflogen war.

Bis zu seiner krachenden Niederlage setzte Piech seine Pläne stets gut durchdacht und mit langem Atem durch. "Wenn ich etwas erreichen will, gehe ich auf das Problem zu und ziehe es durch, ohne zu merken, was um mich herum stattfindet", erklärte Piech in seiner Autobiografie. "Mein Harmoniebedürfnis ist begrenzt."

Das bekam auch Winterkorns Vorgänger Bernd Pischetsrieder zu spüren. Der kam mit dem ruppigen Führungsstil des Patriarchen nicht zurecht. Auch damals kam die erste Botschaft über ein Zeitungsinterview. Dabei hatte Piech Pischetsrieder selbst von BMW in München nach Wolfsburg geholt und ihm nach Einschätzung vieler Autoexperten ein wenig durchdachtes Markenportfolio vererbt.

Zahlreiche Entwicklungen

Piechs enormer Einfluss fußt aber nicht nur auf seinem Machtbewusstsein, sondern auch auf seiner großen technischen Expertise. Der gelernte Maschinenbauer startete seine Karriere 1963 bei Porsche in Stuttgart-Zuffenhausen. Seinen Ruf als Konstrukteur erwarb er sich bei Audi in Ingolstadt, wo er Entwicklungen von der Aluminium-Karosserie in Leichtbauweise bis hin zum Audi-Quattro-Antrieb vorantrieb - auch wenn nicht alles technisch Machbare immer einen großen Verkaufserfolg zeitigte. 1988 rückte er an die Spitze der VW-Tochter, die er zu einem ernstzunehmenden Konkurrenten von BMW und Mercedes machte.
 

Sein Meisterstück als Taktiker lieferte Piech, als der VW-Aufsichtsratschef den Spieß nach der gescheiterten Übernahme von VW durch Porsche umdrehte und der Wolfsburger Konzern sich schließlich Porsche als zehnte Marke einverleibte. Angetrieben von der Idee eines Megakonzerns weitete Piech seine Macht in dem Unternehmen, das sein Großvater Ferdinand Porsche gegründet hatte, systematisch aus. Seit dem Einstieg der Porsche-Holding als Großaktionär war der Porsche-Miteigentümer Piech indirekt auch erheblich an VW beteiligt. Sein Erbe hat er schon vor längerem über zwei Stiftungen geregelt, die seine Frau Ursula führen soll.

Der Meister des Zweiwortsatzes, wie Piech wegen seiner sybillinischen Äußerungen in der Öffentlichkeit genannt wurde, hatte trotz seines hohen Alters enormen Einfluss in dem Konzern. Kaum eine wichtige Entscheidung fiel ohne grünes Licht aus Piechs Büro am Familiensitz in Salzburg. Der Vater von zwölf Kindern aus vier Beziehungen wurde in Wolfsburg regelrecht gefürchtet. Privat soll er jedoch auch ein warmherziger Familienmensch gewesen sein.
 

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