EU-Streit über richtiges Krisenmanagement

EU-Streit über richtiges Krisenmanagement
Frankreich will ein EU-Konjunktur­paket. Merkel lehnt Programme auf Pump ab. Juncker ist für Euro-Bonds light.

Zum Auftakt des G-20-Gipfels in Mexiko und zu den Wahlen in Griechenland meldet sich Weltbankpräsident Robert Zoellick: "Europas Politiker handeln immer einen Tag zu spät und versprechen einen Euro zu wenig", sagte er im Spiegel. "Wenn Europa weiter so schwächelt, wird es an globalem Einfluss verlieren."

Diese wenig schmeichelhafte Bemerkung hat den Europäern gerade noch gefehlt, bestätigt aber den immer heftiger werdenden Streit unter den EU-Granden über die richtige Krisenbewältigung.

Sparen oder Wachstum – das ist die Frage. Italiens Ministerpräsident Mario Monti geht immer stärker auf Konfrontationskurs mit Angela Merkel. Bei einer Konferenz in Bologna mit dem US-Ökonomen Nouriel Roubini griff Monti die deutsche Bundeskanzlerin ungewöhnlich hart an. Wenn sich ein Land mit hoher Staatsverschuldung (wie Italien, Anm.) für eine europäische Wachstumspolitik einsetze, bedeutet das nicht notwendigerweise, dass es "nach Deutschlands Geld trachtet". Der parteifreie Premier betonte, Italien werde seine Krise aus eigener Kraft bewältigen: "Wenn es Italien schafft, dann nicht, weil Angela Merkel es sagt."

Frankreichs Staatspräsident François Hollande verlangt in einem elfseitigen Dokument, das er Merkel und einigen anderen EU-Regierungschefs übermittelt hat, eine sofortigen 120-Milliarden-Euro-Wachstumspakt. Auch Bundeskanzler Werner Faymann hat dieses Papier bereits erhalten, erfuhr der KURIER in Paris. Die Wachstumsinitiative von Hollande wird von Faymann unterstützt. Frankreich will, dass das Milliardenpaket bereits am EU-Gipfel Ende Juni beschlossen wird.

Merkel sträubt sich aber mit Händen und Füßen gegen schuldenfinanzierte Programme. Die große Mehrheit der deutschen Wähler und der Koalitionspartner FDP sind für rigorose Sparmaßnahmen in der EU. Auch Neuverhandlungen der internationalen Sparauflagen für Griechenland lehnen mehr als 70 Prozent der Deutschen ab, ergibt eine aktuelle Emnid-Umfrage.

Psychologische Wirkung

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Die Zuspitzung der Frage, welche Rezepte und Maßnahmen rasch aus der Krise führen, dürfte auch das Treffen der "Vierer-Bande" am Freitag dieser Woche bestimmen. Italiens Ministerpräsident Monti empfängt in Rom Merkel, Hollande und den krisengeschüttelten spanischen Premier Mariano Rajoy.

Dabei werden sich Monti und Hollande erneut für eine stärkere Wachstumspolitik der EU einsetzen. Sollte es gelingen, in den kommenden "entscheidenden zwei Wochen" konkrete Entscheidungen für mehr Wachstumsanreize zu treffen, werde dies auch auf "psychologischer Ebene" viel ändern, ließ Monti vorab die Deutschen wissen.

Doch CDU-Politikerin Merkel beharrt weiterhin auf Haushaltskonsolidierung und appelliert an ihre Kollegen, dass Deutschland nicht der Zahlmeister der EU sei. Zunehmend isoliert steht Merkel dennoch da.

Kurzfristige Euro-Bills statt Euro-Bonds

Die EU-Spitzen haben offenbar einen Plan ausgetüftelt, um den krisengeschüttelten Euro-Staaten wie Griechenland, Spanien oder Italien auch ohne den vor allem von Deutschland vehement abgelehnten Eurobonds unter die Arme greifen zu können.

Das Zauberwort heißt Euro-Bills: Diese "Eurobonds light" sind nicht anderes als gemeinsame europäische Schuldscheine mit einer nur sehr kurzen Laufzeit und einem begrenztem Volumen. Details dazu wollen laut SpiegelEU-Ratspräsident Herman Van Rompuy, Kommissionspräsident José Manuel Barroso, Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker und EZB-Präsident Marion Draghi Ende nächster Woche den Staats- und Regierungschefs präsentieren.

Kurzfristig

Den Plänen zufolge soll sich jeder Staat bis zu einem noch nicht festgelegten bestimmten Prozentsatz seiner Wirtschaftsleistung über diese Bills finanzieren können. Wer die Regeln nicht einhält, soll im folgenden Jahr vom Handel mit diesen Papieren ausgeschlossen werden.

Mit dem Modell hofft das Quartett auch die deutsche Regierung überzeugen zu können, die sich bisher massiv gegen Eurobonds gewehrt hat. Zwar handelt es sich laut Experten um nichts anderes als eine Form von Eurobonds, aber das neue Modell dürfte – verlautet aus Brüssel – mit dem deutschen Grundgesetz vereinbar sein, da die gemeinsamen Schuldscheine von der Laufzeit und von der Höhe begrenzt sind.

In den vergangenen Wochen war die deutsche Kanzlerin mit ihrem Nein zur Ausgabe gemeinsamer Schuldenpapiere immer stärker unter Druck geraten. Merkel beharrt vehement auf dem Fiskalpakt als Voraussetzung für Eurobonds und für die Alternative eines Schuldentilgungsfonds.

Deutschland wehrt sich als größter Nettozahler der EU vor allem gegen das gemeinsame Zurückzahlung der schulden einzelner Länder, solange die EU nicht zu einer echten Fiskalunion zusammengewachsen ist. Diese setzte allerdings voraus, dass die Mitgliedsstaaten auf einen Teil der nationalen Souveränität in der Haushaltspolitik verzichten.

Unterstützung bekam Merkel bisher von Finnland. Frankreich, Italien und Österreich dagegen sind für Eurobonds.

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