Wird Mercosur dennoch beschlossen? Österreichs Nein könnte überstimmt werden
„Sachlich unverständlich und schädlich für Österreich und Europa“ oder ein „Zeichen wirtschaftspolitischer Vernunft“ – so diametral entgegen gesetzt sind die Einschätzungen zum Festhalten der Regierungsparteien ÖVP und SPÖ am Nein zum Handelspakt Mercosur.
Insbesondere das Nein der ÖVP, das bereits aus 2019 von einem damaligen Parlamentsbeschluss stammt, schien zuletzt in Frage gestellt. Hat doch Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmansdorfer seine starke Unterstützung zum Handelsabkommen mit Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay deponiert.
Parteiintern hat sich aber allem Anschein nach der Mercosur-kritische ÖVP-Bauernbund durchgesetzt. Auch Kanzler Christian Stocker ließ durchblicken, keinen Grund zu sehen, vom österreichischen Nein zu Mercosur abzurücken. Es bindet den Kanzler in Brüssel bei der finalen Sitzung am kommenden EU-Gipfel, wo zu einem Beschluss eine Mehrheit der EU-Staaten nötig ist.
Für die Industriellenvereinigung (IV) ist die Haltung – wie Eingangs zitiert – „unverständlich“. Das Mercosur-Abkommen sei gut verhandelt und ein „faires Abkommen“, das in Zeiten der wirtschaftlichen Herausforderungen notwendige Impulse liefern könnte. Von Landwirten geäußerte Bedenken wurden durch Kontingentierungen bei Rindfleisch, Kontrollen bei der Produktqualität sowie finanzielle Absicherungen in der Höhe von 6,3 Milliarden Euro im mehrjährigen EU-Finanzrahmen berücksichtigt. „Warum man diese Zugeständnisse nicht zur Kenntnis nimmt und vor der Zukunft und dem Potenzial dieses Abkommens, das Österreichs Wirtschaft und Wohlstand in schwierigen Zeiten stärkt, die Augen verschließt, ist mehr als unverständlich“, so IV-Generalsekretär Christoph Neumayer.
NGOs gegen Mercosur
Für die globalisierungskritische NGO Attac spricht aus dem österreichischen Nein die wirtschaftspolitische Vernunft. „EU-Mercosur stärkt klimaschädliche Exportindustrien – von europäischen Pestizid- und Autoherstellern bis hin zu südamerikanischen Fleisch- und Agrarproduzenten. Angesichts der Klimakrise und der zunehmenden Verletzlichkeit globaler Lieferketten braucht es stattdessen eine Handelspolitik, die regionale Wirtschaftskreisläufe stärkt und die sozial-ökologische Transformation unterstützt“, erklärt Theresa Kofler von Attac Österreich.
Trotz des Neins zu Mercosur aus Österreich könnte der Beschluss auf EU-Ebene dennoch gelingen, denn es braucht keine Einstimmigkeit sondern nur eine qualifizierte Mehrheit unter den 27 EU-Regierungschefs. Entscheidend ist daher die Haltung der großen und bisher kritischen Länder wie Frankreich oder Italien. Lehnen beide Länder den finalen Text ab, ist Mercosur gestorben. Stimmt eines der beiden Länder zu, dürfte die Mehrheit zustande kommen, heißt es aktuell in Brüssel. Österreich dürfte - anders als bisher vermutet - nicht das Zünglein an der Waage sein.
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