Gartenzwergperspektive bei Gentechnik und Freihandel

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Skepsis gegenüber modernen Technologien und Freihandel hemmt den Fortschritt und gefährdet Wohlstand. Wenigstens in der EU tut sich da etwas.
Martina Salomon

Martina Salomon

Wie kann sich Europa als Wirtschaftsmacht behaupten, obwohl Amerika als verlässlicher Partner abhandengekommen ist, China aggressive protektionistische Politik betreibt und in Asien insgesamt ein dreimal höherer Leistungs- und Aufstiegswille herrscht? Natürlich unter anderem mit Handelsabkommen und der Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Technologien.

Am 20. Dezember soll nach ewigem Tauziehen endlich der Mercosur-Pakt unterschrieben werden. Hoffentlich! Damit entsteht eine europäisch-südamerikanische Freihandelszone. Sicher ist das aber immer noch nicht. Neben Frankreich und Polen ist Österreich dagegen, weil sich die ÖVP hauptsächlich (nur noch) als Bauernpartei sieht.

"Chlorhühner"

Die Landwirte fürchten sich eben vor Billigfleisch-Konkurrenz. Leider sind die Debatten um Freihandelszonen hierzulande geradezu gartenzwerghaft lächerlich. Tiefpunkt war das Freihandelsabkommen TTIP, wo der in diesen Belangen besonders dümmliche Boulevard im Verein mit NGOs (die für jede Kampagnenmöglichkeit zur Spendenlukrierung dankbar sind) vor „Chlorhühnern“ warnte. Das Abkommen scheiterte in der Ära Trump I – was der Europäischen Union nun unter Trump II dank dessen erratischer Zollpolitik ziemlich auf den Kopf fällt.

Noch eine weitere, vielleicht bahnbrechende Reform kommt diese Woche aus der EU: Man einigte sich auf eine Liberalisierung bei neuen, gentechnischen Pflanzenzüchtungsmethoden. Aber auch das muss das EU-Parlament erst beschließen. Und wie immer zählt neben Österreich ebenso Deutschland zu den technikskeptischen Ländern (was wahrscheinlich aus der Nazizeit stammt, als man die jüdischen Wissenschafter und Industriellen verfolgte – und es übrigens auch einen „Reichsvollkornausschuss“ gab). 

Weniger Ernteausfälle

Dabei können sich gentechnisch veränderte Pflanzen zum Beispiel besser auf – klimawandelbedingte – Dürrezeiten einstellen und brauchen weniger Dünger. Es gibt weniger Ernteausfälle, was für eine noch wachsende Weltbevölkerung essenziell ist. Die europäische Biolandwirtschaft wird weiterhin gentechnikfrei bleiben und kann damit eine Marktlücke besetzen. Österreich ist immerhin Bio-Europameister – was u. a. ein Grund und eine Rechtfertigung für die höheren Lebensmittelpreise ist.

Natürlich können wir uns alternativ dazu auch entscheiden, ein Museum für Touristen aus aller Welt zu werden – dann müssten wir unser kulturelles Erbe allerdings besser pflegen. Die Asiaten werden unsere Fiaker und Lastenfahrräder sicher bestaunen, die in ihren Heimatländern schön langsam der neuen Zeit weichen. Ein bisschen Walzer- und Sisi-Seligkeit geht eh auch noch. Aber die wahre „Musik“ wird dann leider anderswo spielen. Und der Wohlstand ist irgendwann einmal auch perdu.

Porträt von Martina Salomon vor dem Schriftzug „Kurier Kommentar“.

KURIER-Herausgeberin Martina Salomon

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