EU erlässt Griechen Großteil der Schulden

EU erlässt Griechen Großteil der Schulden
Verhandlungsmarathon: Die Banken werden zu Beteiligung gedrängt. Griechenland erhält die nächste Notkredit-Rate.

Die Stimmung in Brüssel ist extrem angespannt, die Zeit für klare Lösungen knapp. Die Fragen, die beim Gipfel der 27 EU-Staats- und Regierungschefs am Sonntag Vormittag und beim Treffen der 17 Euro-Staaten am Nachmittag beantwortet werden müssen, sind zahlreich: Kann Griechenland vor dem finanziellen Untergang bewahrt werden? Können weitere 100 Milliarden Euro zur Absicherung der europäischen Banken aufgetrieben werden? Wie soll der 440 Milliarden Euro schwere Schutzschirm "gehebelt", also vervielfacht werden, damit er auch große Euro-Staaten wie Italien gegen den gnadenlosen Finanzmarkt verteidigen kann?

Gipfel-Vorbereitung

Die Staats- und Regierungschefs können auf die intensive Vorarbeit der EU-Finanzminister zurückgreifen, die am Freitag und den ganzen Samstag über Detailfragen stritten. Erstes Ergebnis war die Freigabe der nächsten Notkredit-Rate für Griechenland in Höhe von acht Milliarden Euro - obwohl das Land schon wieder mehr Geld braucht. Das zeigt der Bericht der Troika von EU-Kommission, Zentralbank und Währungsfonds zur griechischen Situation, der dem KURIER vorliegt. Er fällt vernichtend aus: Insgesamt brauche das Land weitere 252 Milliarden Euro, da sich die Wirtschaft und damit die Steuereinnahmen lange nicht so gut entwickelt haben wie erhofft.

Die Finanzminister diskutierten am Samstag vor allem über die Frage, in welcher Höhe die Banken auf ihren Forderungen gegenüber Griechenland verzichten könnten. 21 Prozent waren schon beim Gipfel im Juli vereinbart worden. Dass das viel zu wenig ist, bestreitet in Brüssel niemand mehr, Bundeskanzler Werner Faymann spricht von einer möglichen Bankenbeteiligung bis 50 Prozent, der Troika-Bericht zeigt Berechnungen für einen Schuldenschnitt von 60 Prozent.

Bankenbeteiligung

Nur im Falle eines Schuldenschnitts in Höhe von 60 Prozent muss kein zusätzliches Geld aus dem EFSF bereit gestellt werden. Weigern sich aber Europas Banken, die in Brüssel von Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann vertreten werden, dem Schuldenschnitt zuzustimmen, muss der EFSF für die volle Summe aufkommen.

Dann aber wäre der Rettungsfonds, der derzeit mit 440 Milliarden ausgerüstet ist, praktisch leer, da aus dem EFSF auch die Finanzhilfen für die Krisenländer Portugal und Irland gezahlt wurden. Die Frage, ob man das Geld über einen finanziellen "Hebel" vervielfachen kann, würde sich dann gar nicht mehr stellen. Die Finanzminister haben sich deshalb auch darauf geeinigt, dass sich Europas Banken besser gegen neue Risiken wappnen. Ihr Kapital soll um 108 Milliarden Euro aufgestockt werden, so ein EU-Diplomat am Samstagabend. Nur so können sie sich auf mögliche Ausfälle aufgrund des Schuldenschnitts und eine Ausweitung der Krise vorbereiten. Finanzministerin Maria Fekter äußerte sich erneut skeptisch zur Kapitalaufstockung. Die Banken sollen daher zunächst versuchen, sich das Kapital am freien Markt zu beschaffen. Falls das nicht klappt, könnten sie staatliche Hilfe erhalten. Erst wenn ein Land das nicht leisten kann, bleibt als dritte Lösung der Euro-Rettungsschirm EFSF.

Deutschland plädiert zudem für eine neuerliche EU-Vertragsreform für mehr Haushaltsdisziplin. Ziel ist eine EU-Wirtschaftspolitik mit einem Durchgriffsrecht Brüssels auf nationale Budgets. Viele Länder sehen das allerdings sehr skeptisch.

EU-Partner erzürnt über die beiden Granden

Nicht nur die Wirtschaftskrise an sich, auch die mühsame Entscheidungsfindung auf EU-Ebene schlägt vielen Delegationen in Brüssel auf die Stimmung. Vor allem dass die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy hinter verschlossenen Türen die großen Leitlinien aushandeln, erregt großen Unmut bei den übrigen EU- und Eurozonen-Partnern. "Die Realität ist, dass wir nicht wissen, was überhaupt auf den Tisch kommt, weil wir nicht einbezogen werden", murrte ein EU-Delegierter am Rande der Besprechungen.

Diesen Unmut hat Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker offen ausgesprochen, als er den Krisen-Marathon der Europäer als "desaströs" kritisierte.
Nach Meinung von Beobachtern hat er damit 13 anderen EU-Regierungschefs aus der Seele gesprochen. Ein EU-Beamter prangert die Serie europäischer Krisengipfel gar als "Gipfel-Besoffenheit" an.

Der Hebel-Trick zur Ausweitung des Rettungsschirms

E wie EFSF: Der Begriff steht für "Europäische Finanz-Stabilitätsfazilität", wobei Fazilität nichts anderes als ein Fonds ist, aus dem Kredite gewährt werden können. Der EFSF, übersetzt mit Euro-Rettungsfonds , hat ein Garantie-Volumen von 780 Milliarden Euro. Das maximale Kreditvolumen beträgt 440 Milliarden Euro und soll, weil es zur Zeit nicht ausreicht, um überschuldete Euro-Staaten und bedrängte Banken zu retten, auf ein bis zwei Billionen Euro "gehebelt" werden.

H wie Hebelung: Dabei handelt es sich um eine Versicherungslösung zur Ausweitung des Volumens des Rettungsfonds EFSF, ohne dass die Euro-Länder neuerlich Mittel dafür bereitstellen müssen. Wenn ein kriselndes Euro-Land neue Staatsanleihen herausgibt, würde der EFSF für 20 bis 30 Prozent des Emissionsvolumens garantieren. Dadurch wäre das Ausfallsrisiko für die Käufer der Staatsanleihen (vor allem Banken und Versicherungen) geringer, der Kaufanreiz daher größer. Die Zinslast für die Staaten sinkt. Sinn des Hebels ist es, durch eine Art Teil-Ausfallsversicherung privates Kapital zu mobilisieren. Damit kann der Finanzspielraum des Rettungsschirms um das Fünffache erhöht werden.

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