SAP-Chef zur EU-Förderpolitik: "Brauchen keine fünf Gigafactorys“

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Statt in Infrastruktur zu investieren, sollte das Geld lieber in KI-Anwendungen und digitale Bildung fließen, meint SAP-Chef Christian Klein.

Die EU plant den Bau von bis zu fünf Gigafactorys für Künstliche Intelligenz (KI), um die europäische Wettbewerbsfähigkeit und die digitale Souveränität Europas zu stärken. Wie berichtet hat sich auch Wien bereits als Standort für diese Hochleistungsinfrastruktur beworben. Insgesamt 20 Milliarden Euro an Fördergeld soll in diese riesigen Zentren fließen, die Unmengen an Strom verbrauchen.

Allein in Wien sollen bis zu fünf Milliarden Euro investiert werden, wobei 35 Prozent aus öffentlichen Mitteln getragen werden, für den Rest soll die Privatwirtschaft aufkommen. Die leistungsstarken Rechenzentren ermöglichen die Entwicklung von KI-Modellen, die für komplexe Simulationen in der Forschung oder in der Industrie eingesetzt werden.

Nach Ansicht von SAP-Konzernchef Christian Klein ist das Geld falsch angelegt. Der Manager von Europas wertvollstem Börsenunternehmen mit Sitz in Walldorf übt ungewöhnlich scharfe Kritik an der EU-Förderpolitik. "Wir brauchen keine fünf neuen Gigafactorys“, sagte Klein in einem virtuellen Round Table mit Journalisten, an dem auch der KURIER teilnahm.

Zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit Europas seien nicht Rechenzentren wichtig, sondern die KI-Anwendungen und gut ausgebildete Menschen, die diese auch in den Industriebetrieben umsetzen können.

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Klein: "Es fehlen die Talente"

"Uns fehlen nicht KI-Rechenzentren und Chips, sondern die Talente“, argumentierte der SAP-Chef und plädierte für eine gezielte Bildungs- und Innovationsstrategie. "Jede Innovation startet mit Hardware, doch der Zug ist längst abgefahren, jetzt geht es um die Anwendungen“, erläuterte Klein. Europas Förderpolitik würde sich viel zu sehr auf die Infrastruktur konzentrieren. 

Mehr Geld sollten aber in die Implementierung von KI-Anwendungen in der Industrie fließen, damit diese wettbewerbsfähig bleibe. Der CEO des Business-Software-Konzerns nennt als Beispiele die in Deutschland starke Autoindustrie und die chemische Industrie. Im industriellen Bereich verfüge Europa im Gegensatz zu den USA über eine riesige Datenbasis. Hier gehe es um Vernetzung, etwa um gemeinsame Branchenlösungen zu entwickeln.

Wer kontrolliert die Daten?

Wichtigste Frage beim Thema Datensouveränität sei nicht die Infrastruktur, sondern wer über den Zugang wacht und die Kontrolle über die Daten hat. Firmenkunden sei es in der Regel egal, ob die Hardware aus den USA oder China oder von sonst wo stamme, ihnen sei aber wichtig, wo ihre Daten gespeichert sind und dass sie immer die Kontrolle über sie haben. SAP könne schon jetzt diese Datensouveränität bieten und die Daten in Servern in Europa speichern und managen, wenn gewünscht.

Die Sorge um die Sicherheit der Daten bekam erst vor Kurzem kurzem neue Brisanz, als US-Präsident Donald Trump den E-Mail-Account des Chefanklägers des Internationalen Strafgerichtshofes bei Microsoft einfach sperren ließ. 

Die deutsche Regierung stellt öffentliche Daten unter einem besonderen Schutzschirm, um sich von ausländischen Herstellern unabhängiger zu machen. So stellt die SAP-Tochter Delos etwa diverse Microsoft-Dienste über ihre eigenen Rechenzentren zur Verfügung. An der souveränen Delos-Cloud gibt es aber auch Kritik, weil sie ebenfalls auf Microsoft-Software aufbaut. Ein völliges Entkoppeln sei im globalen Netzwerk weder sinnvoll noch ohne Einschränkungen möglich, meint Klein.

Die USA rüsten im KI-Wettrennen massiv auf. In das von der Regierung unterstützte Projekt "Stargate“ von OpenAI und anderen Firmen sollen 500 Milliarden Dollar fließen. 100.000 neue Jobs sollen entstehen. Klein: „Wir brauchen auch ein Stargate in Europa, dürfen dabei aber nicht die USA kopieren“.

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