Ethische Bilanz wird zur Pflicht
Tue Gutes und berichte darüber: Seit Jahren informieren börsenotierte Unternehmen abseits nackter Finanzkennzahlen gerne auch über ökologisch, ethische und soziale Belange. Rechtsverbindlich und genau normiert waren diese Nachhaltigkeitsberichte bisher nicht, weshalb Kritiker auch gerne von "Greenwashing" (dt. grünes Mäntelchen umhängen, Anm.) sprachen.
Ab Jänner 2017 ist es mit der Freiwilligkeit vorbei. Das sogenannte Nachhaltigkeits- und Diversitätsverbesserungsgesetz (NaDiVeG) verpflichtet Unternehmen von öffentlichem Interesse mit mehr als 500 Beschäftigten und 40 Mio. Euro Umsatz zu einem jährlichen, nicht-finanziellen Lagebericht. Das Gesetz wird voraussichtlich Donnerstag im Parlament verabschiedet. Es ist die spätestmögliche Umsetzung einer EU-Richtlinie, mit der die Transparenz sozialer und ökologischer Aspekte unternehmerischen Handelns EU-weit erhöht werden soll. Alle Details zur NFI-Richtlinie finden Sie hier.
Im nicht-finanziellen Lagebericht müssen folgende Infos enthalten sein:
- Umweltengagement Darunter fallen etwa ökologischer Fußabdruck, Vermeidung von Treibhausgasen, Wasserschutz oder Energieeffizienz.
- Soziale und Mitarbeiter-bezogene Aktivitäten Hier geht es unter anderem um erweiterte Angaben zur Diversität. Beispiel Frauenanteil in Vorständen: In den Chefetagen der 200 umsatzstärksten Unternehmen in Österreich beträgt der Frauenanteil gerade einmal 5,9 Prozent. Mit Diversitätskonzepten soll der Frauenanteil steigen, heißt es im Begleitschreiben zum Gesetzesentwurf.
- Achtung der Menschenrechte Ein Punkt, der besonders bei Geschäftsbeziehungen mit Entwicklungsländern relevant ist. Die Unternehmen müssen darlegen, wie sie etwa Kinderarbeit in Zulieferbetrieben verhindern.
- Korruptionsbekämpfung Für die aktive Bekämpfung von Korruption und Bestechung in der gesamten Lieferkette muss ein eigenes Konzept (Compliance-Richtlinie) erstellt und über deren Umsetzung berichtet werden.
Zulieferer betroffen
Direkt berichtspflichtig sind in Österreich rund 200 Unternehmen, darunter viele Börsefirmen. Weil diese nicht nur über ihre eigene Geschäftstätigkeit, sondern auch über potenzielle Risiken bei Geschäftspartnern berichten müssen, ist der Betroffenenkreis ungleich größer. "Auf kleine und mittlere Zulieferbetriebe kommt dadurch erheblicher Mehraufwand zu", meint Martin Eckel, Compliance-Experte bei der Kanzlei Taylor Wessing. Als Beispiel nennt er die Autozulieferer. "Großunternehmen verlangen von ihren Zulieferern genaue elektronische Erklärungen zu den Compliance-Themen, das werden aber viele noch gar nicht haben."
Zusatzkosten
Die neue Berichtspflicht verursacht laut Gesetzesvorlage Zusatzkosten von rund 310.000 Euro jährlich, bei manchen Unternehmen wird für die Datenerhebung zusätzliches Personal benötigt. Die Wirtschaftskammer fordert ob der neuen "Verwaltungslast" im Gegenzug einen Entlastung der Firmen in Form der Abschaffung der "papierenen Pflichtveröffentlichung" im Amtsblatt der Wiener Zeitung.
Zahnlos
Als wenig ambitioniert bis völlig wirkungslos kritisieren hingegen Gewerkschaft und NGOs das Gesetz. "Da wurde eine Chance vertan. Unternehmen können berichten was sie wollen, es gibt weder einheitliche Standards noch externe Prüfer für die Inhalte", bemängelt Gemeinwohl-Ökonom Christian Felber. Um Fortschritte zu erzielen, müssten die "Ethikbilanzen" mess- und vergleichbar sein. Sanktionen gibt es nur, wenn gar kein Bericht veröffentlicht wird. Auch kleinere Unternehmen sollten in kompakter Form eine Ethikbilanz erstellen müssen, meint Felber. Dass dies mit geringem Aufwand möglich sei, würden 400 Unternehmen der Gemeinwohl-Ökonomie beweisen.
Experte Eckel glaubt, dass viele Börse-Unternehmen eine ausführliche Berichterstattung auch zum eigenen Vorteil nutzen können. Dieser Ansicht ist auch Semperit-Konzernchef Thomas Fahnemann: "Die nicht-finanzielle Berichtspflicht schafft mehr Transparenz zu wichtigen Themen, denen wir uns bereits selbst verschrieben haben und die wir als Teil unserer Unternehmenskultur sehen", so Fahnemann. Sie biete darüber hinaus die Möglichkeit, klarer über den Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft zu berichten.
Wer mit Unternehmern spricht, egal, ob junger Gründer oder alteingesessener Hase mit Hunderten Mitarbeitern, hört seit Jahren immer dieselben Klagen. Zu hohe Abgaben, zu wenig Fachkräfte und zu viel unnötige Bürokratie im Land! Zwar wird stets ein Bürokratieabbau versprochen, aber dieser endet oft nach dem Motto „Zwei Schritte vor, einer zurück“. Jüngstes Beispiel dafür ist die Reform der Gewerbeordnung.
Die EU-Bürokraten stehen dem um nichts nach. Verordnungen und Richtlinien, die das freie Unternehmertum behindern und Konsumenten nur wenig bis gar nichts bringen, werden zu einem großen Wettbewerbsnachteil in einer globalisierten Welt. Wenn z. B. ein Konzern Gesetze bricht, wird er schon jetzt dafür bestraft. Daher braucht es keinen verpflichtenden Nachhaltigkeitsbericht, der keine Verstöße aufdecken kann und außer der Gewissensberuhigung niemandem dient.
- Robert Kleedorfer
Österreich ist für die Digitalisierung (Stichwort Industrie 4.0) gut gerüstet und gehört gemeinsam mit Deutschland und Schweden in Europa zu den führenden EU-Ländern. Zu diesem Befund kommt die dafür gegründete Plattform, an der unter anderem das Innovationsministerium, die Industrie und die Sozialpartner beteiligt sind. Allerdings orten die Proponenten noch eine Vielzahl von Maßnahmen, um die Umstellung zu bewältigen.
An oberster Stelle steht für Innovationsminister Jörg Leichtfried, AK-Präsident Rudi Kaske und Brigitte Ederer, Obfrau des Elektrofachverbandes FEEI, die Qualifikation der Beschäftigten für die neuen Herausforderungen. Dann werde es gelingen – ist Leichtfried überzeugt – „neue, gut bezahlte Arbeitsplätze“ zu schaffen oder nach Österreich zu holen.
Ederer sieht sogar Chancen, ganze Produktionen aus Niedriglohn-Ländern wieder zurückzuholen, da mit der digitalen Vernetzung dezentral produziert werden könne und die Lohnkosten keine so große Rolle mehr spielten. Allerdings würden durch die Digitalisierung auch gravierende Änderungen etwa bei der Arbeitszeit, aber auch im Steuersystem – Stichwort Wertschöpfungsabgabe – notwendig werden. Um Firmen bei der Umstellung zu unterstützen, hat die Plattform einen „Industrie 4.0-Check“ entwickelt, mit dem Unternehmen überprüfen können, wie gut sie für den Umstieg auf die Digitalisierung gerüstet sind.
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