"Es wird viel Geld verbrannt"

Im Modehandel wird bis zu 70 Prozent des Umsatzes mit Aktionen gemacht
Der Preisdruck steigt, die Margen sinken. Händler retten sich mit eigenen Marken aus dem Preiskrieg.

Im Supermarkt gibt es minus 25 Prozent auf alkoholfreie Getränke, das Möbelhaus verkauft ganze Küchen um den halben Preis, der Modehändler läutet den Sommerschlussverkauf ein, bevor die Badesaison richtig startet: Im Handel ist das ganze Jahr über Ausverkauf. "Das passiert, wenn das Angebot die Nachfrage übersteigt", sagt Thomas Haller von der Strategieberatung Simon Kucher & Partners.

"Ganz übel" sei die Situation im Textilhandel. In Deutschland werden geschätzte 70 Prozent des Sortiments in Aktion verschleudert, in Österreich ist die Situation ähnlich. Auf der Siegerstraße sind Modeketten wie die Inditex-Gruppe (Zara, Bershka, Massimo Dutti, Pull&Bear), die nicht nur Händler sind, sondern auch selbst produzieren. Sie reagieren blitzschnell auf Trends, transportieren Ware dank ausgeklügelter Logistik nach Bedarf binnen Stunden quer über den Kontinent. Kleine Mitbewerber können schwer mithalten und verschwinden zunehmend aus dem Einkaufsstraßenbild.

Über alle Branchen hinweg gibt jedes zweite Unternehmen an, in einem Preiskrieg verwickelt zu sein, geht aus der Global-Pricing- Studie 2016 hervor, für die mehr als 2000 Unternehmen diverser Branchen befragt wurden. Der Druck steigt, die Margen sinken – auch weil ständig neue Rabatte erfunden werden. Haller: "Studiert man die Umsatzrenditen der Händler, sieht man, dass oft nur Geld verbrannt wird."

Bauchgefühl & Blindflug

Im Lebensmittelhandel würden die Umsatzrenditen bei 1,5 Prozent liegen – deutlich unter jenen der Industrie (6 Prozent, oft deutlich mehr). Viele Händler würden einfach auf "Bauchgefühl und Blindflug" setzen, meint Haller. Oft würden Erfolg und Misserfolg einer Aktion gar nicht erst gemessen werden.

Eine Exit-Strategie aus der Preisspirale sind Eigenmarken. Sie haben aus Handelssicht den Vorteil, dass es sie beim Mitbewerber nicht gibt. Damit gibt es keinen direkten Preiskampf und höhere Margen, so die Rechnung. Deswegen führen Händler nun auch in Warengruppen Eigenmarken ein, die bisher klar in Händen von Markenartiklern waren – etwa Mundhygiene oder Babynahrung.

Österreichs Supermärkte machen bereits rund ein Drittel ihres Umsatz mit Handelsmarken – eine im internationalen Vergleich noch bescheidene Quote. In der Schweiz liegt der Anteil bei 60 Prozent, in deutschen Lebensmittelgeschäften in Warengruppen wie Molkereiprodukte bei 60 Prozent, beobachtet Haller.

Selbst in Möbelhäusern werden immer mehr hauseigene Marken ausgestellt. Die XXXLutz-Gruppe (XXXLutz, Mömax, Möbelix) macht bereits 80 Prozent ihres Umsatzes mit eigenen Labels. Kleinere Mitbewerber monieren, dass die Statt-Preise niemand mehr nachvollziehen kann. Man könne davon ausgehen, dass ein Stück, das mit 1000 Euro angeschrieben ist, um 600 verkauft wird, um 300 Euro einkauft wurde, rechnet ein Branchenkenner vor. Zu verschenken habe schließlich niemand etwas – auch wenn das in der Werbung suggeriert werde, sagt er.

Bis zu Minus 95 Prozent

XXXLutz-Sprecher Thomas Saliger sieht die Preispolitik sehr differenziert. "Der Aktionsanteil hängt stark von der Warengruppe ab. Hoch ist er unter anderem bei Küchen, da wird jede zweite unter dem Listenpreis verkauft." In anderen Warengruppen würden Einzelteile aber auch mit Abschlägen um 95 Prozent abverkauft – schlicht um Platz für neue Ware zu schaffen. Saliger: "In solchen Fällen schreiben wir die Prozente gar nicht mehr drauf, weil wir sonst nicht glaubwürdig erscheinen."

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