Erstmals seit zehn Jahren: US-Notenbank vor Zins-Senkung

Konjunkturaussichten trüben sich ein. Nach mehr als zehn Jahren erstmals wieder Zinssenkung in den USA erwartet.

Wegen Handelskonflikten und zunehmender Sorgen um die Konjunktur steht die US-Notenbank Experten zufolge vor der ersten Senkung ihres Leitzinses seit einem Jahrzehnt. Die Zentralbank will mit der Zinswende offenbar eine drohende Abschwächung der seit nunmehr zehn Jahren wachsenden US-Wirtschaft auffangen.

Außerdem kommt die Federal Reserve (Fed) damit auch ihrem prominentesten Kritiker entgegen: US-Präsident Donald Trump, der seit Monaten öffentlich harsche Kritik am Kurs der Notenbank äußert.

Zäsur

Finanzmärkte rechnen mehrheitlich mit einer Zinssenkung um 0,25 Prozentpunkte. Bei ihrer letzten Sitzung im Juni hatte die Fed die Leitzinsspanne bei 2,25 bis 2,5 Prozent belassen. Die Entscheidung soll an diesem Mittwochabend (20.00 Uhr MESZ) bekanntgegeben werden.

Der weithin erwartete Schritt der Fed markiert eine Zäsur: Im Zuge der verheerenden globalen Finanzkrise 2008/09 senkte die Notenbank die Zinsen aggressiv, um die Wirtschaft zu stabilisieren. 2015 begann sie, den Leitzins wieder sukzessive zu erhöhen. Allein im vergangenen Jahr gab es vier Erhöhungen. "Die Zinswende der Fed wird die globale Wende der Geldpolitik besiegeln", schrieben Analysten der Commerzbank vergangene Woche.

Warnzeichen mehren sich

Noch läuft die amerikanische Wirtschaft, doch die Warnzeichen mehren sich. Die Zinssenkung lasse sich daher als "Absicherung" gegen einen möglichen Abschwung verstehen, so die Commerzbank. Analyst Franck Dixmier von Allianz Global Investors schrieb: "Es erscheint der Fed weniger riskant, jetzt zu handeln als abzuwarten."

Die Zinswende dürfte Finanzmärkten und der US-Konjunktur neuen Schwung verleihen. Investoren warteten allerdings auch mit Spannung auf die Aussagen der Fed zum weiteren Vorgehen: Wird die Notenbank für die kommenden Monate weitere Zinssenkungen signalisieren? Oder wird sie eher zur Gelassenheit mahnen?

Notenbankchef Jerome Powell hatte zuletzt wegen der - vor allem von Präsident Trump angezettelten - Handelskonflikte und einer schwächeren Weltkonjunktur eine Lockerung der Geldpolitik ins Spiel gebracht. Die Notenbank werde die Abwärtsrisiken für die Wirtschaft "genau beobachten" und falls nötig "angemessen handeln", sagte Powell Mitte Juli. Bereits im Juni hatten mehrere Mitglieder des geldpolitischen Ausschusses Gründe für eine lockerere Geldpolitik gesehen, wie es im später veröffentlichten Sitzungsprotokoll hieß. Anfang Mai hatten die Notenbanker noch davon gesprochen, man werde bei der Festlegung der Geldpolitik "geduldig" sein.

Trump-Forderung

Trump war der Geduldsfaden da schon längst gerissen: Er fordert niedrigere Zinsen, um die Konjunktur anzukurbeln. Auf Twitter bezeichnete er die Fed etwa als "völlig ahnungslos" oder auch als "hartnäckigstes Problem" der US-Wirtschaft. Der Leitzins sei "viel zu hoch". Am Montag mahnte er mit Blick auf die erwartete Absenkung um 0,25 Prozentpunkte: "Eine geringe Zinssenkung ist nicht genug."

Trump hatte zuvor zudem erklärt, dass er Notenbankchef Powell feuern könnte - auch wenn Juristen das anders sehen. Für die Fed waren Trumps ständige Angriffe Neuland, denn frühere US-Präsidenten vermieden es zumeist, sich direkt zur Geldpolitik der unabhängigen Notenbank zu äußern. Mehr als Trumps Twitter-Tiraden ist es aber wohl seine Handelspolitik, die die Fed nun zu einem Kurswechsel bewegt. Vor allem der Handelskrieg mit China - bei dem es um Strafzölle in Milliardenhöhe geht - bremst die globalen Wachstumsaussichten.

Die US-Wirtschaft wächst derzeit noch robust: Im zweiten Quartal waren es auf das Jahr hochgerechnet 2,1 Prozent, nach 3,1 Prozent im ersten Quartal. Die Arbeitslosenquote lag im Juni bei nur 3,7 Prozent. Die Inflation indes liegt stur unter dem Ziel der Notenbank von zwei Prozent. Einige Analysten argumentierten daher, dass es eigentlich eine Zinssenkung um 0,5 Prozentpunkte bräuchte, um die Inflation nachhaltig anzukurbeln.

Personalentscheidung

Trump hatte zuletzt auch versucht, den Kurs der Notenbank über die Nachbesetzung von freien Posten im Fed-Direktorium zu beeinflussen. Die im Frühjahr von ihm betriebenen Nominierungen des ehemaligen Journalisten Stephen Moore sowie des Geschäftsmanns und früheren Präsidentschaftsbewerbers Herman Cain scheiterten nach heftiger Kritik. Fachleute bezweifelten durchwegs ihre fachliche Eignung.

Inzwischen hat Trump die Ökonomen Judy Shelton und Christopher Waller für die beiden Positionen nominiert. Die Kandidaten stehen im Ruf, die von Trump geforderten Zinssenkungen zu befürworten. Shelton gilt zudem als ausgewiesene Kritikerin der US-Notenbank. Waller ist gegenwärtig Chef der Forschungsabteilung der regionalen Fed in St. Louis. Beide müssen erst noch vom US-Senat bestätigt werden.

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