Erste-Bank-Vorstand: "Auch die Jugend will Filialbanken"
KURIER: Vor einigen Jahren starteten Online-Finanzanbieter den Angriff auf Banken. Banken würden bald überflüssig sein, lautete ihre Prognose. Was halten Sie davon?
Stefan Dörfler: Wenig überraschend glaube ich die Prognose nicht. Aber die FinTechs haben die Bankenbranche gewissermaßen aufgeweckt. Die Erste Group hat mit George frühzeitig begonnen und so ihre eigene FinTech entwickelt.
Die Erste ist also genug digitalisiert?
Ich denke, dass die Erste gut gerüstet ist für die Schnellboote links und rechts von uns, weil wir Erfahrung und Kundennähe haben, aus der wir für die Zukunft schöpfen können.
Glauben Sie, dass Sie damit auch die Jungen ansprechen?
Die Jungen kommen natürlich seltener in Filialen, aber sie kommen. Wir haben das untersuchen lassen und festgestellt, dass sogar für 60 Prozent der Jugendlichen zwischen 15 und 19 nur eine Filialbank in Frage kommt. Von all unseren Kunden besuchen fünf von sechs zumindest einmal im halben Jahr eine Filiale. Im täglichen Zahlungsverkehr geht es aber massiv in Richtung online. Kontodaten rasch mit Fingerprint checken und mit wenigen Clicks Überweisungen tätigen. Das erspart viel Zeit.
Tatsächlich?
Mein Vorstandskollege hat das ausrechnen lassen. Allein heuer haben wir den 1,6 Millionen George-Kunden in Österreich 21 Jahre an Zeit erspart, weil es das schnelle Fingerprint-Login in der App gibt. Die Leute schauen nämlich sehr häufig auf ihr Konto, ohne eine Transaktion zu machen. Für kompliziertere Bankgeschäfte, wie Kredite für Wohnungskäufe, kommen sie aber in die Filiale.
Dafür brauchen Sie aber nur wenige Filialen ...
Daher haben wir in Wien die Anzahl der Filialen in den vergangenen zehn Jahren reduziert. Gleichzeitig haben wir die Fläche und die Beratungszeit ausgedehnt. Und wir haben in einigen Standorten auch am Samstag offen. Das ist der große Unterschied zu früher: Es gibt auch um 18 Uhr Beratungen.
Das gilt für Wien. Wie sieht es in den Bundesländern aus?
Ich glaube, dass manche Sparkassen Institute da noch einen Weg vor sich haben.
Filialschließungen am Land bergen die Gefahr, dass Kunden zur Konkurrenz abwandern. Was raten Sie den Sparkassen?
Erstens müssen die Sparkassen selbst entscheiden, was in ihrer Region am besten ist. Und zweitens schließt auch die Konkurrenz Standorte. Wir haben im Sparkassensektor inklusive Erste Bank in den vergangenen zwei Jahren jeweils 70.000 Kunden zugelegt. Das kommt auch aus Umbrüchen bei der Konkurrenz. Dies ist weitgehend vorbei.
Das heißt: Der Kampf um Kunden wird härter?
Der Wettbewerb ist intensiv. Das spüren wir in den Margen. Dank der tiefen Zinsen haben wir aber auch sehr wenig Kreditausfälle.
Irgendwann werden die Zinsen aber steigen. Macht Ihnen das als Banker Angst?
Nein. Ich denke, die Zinsen sollten steigen. Die Zentralbank muss aus dieser Liquiditäts-Sackgasse raus. Wir sind felsenfest davon überzeugt, dass die große Mehrheit unserer Kunden ein normalisiertes Zinsniveau verträgt.
Die Sparer jedenfalls ...
Es ist unglaublich, wie viel trotz der niedrigen Zinsen auf Sparbüchern landet. In Österreich liegen rund 360 Milliarden Euro auf Einlagenkonten. Wir appellieren an die Kunden, zumindest für die Altersvorsorge Wertpapiere zu bevorzugen. Dazu braucht man Finanzwissen.
Das in Österreich fehlt ...
Wir werden das Schulsystem nicht so einfach verändern. Aber als Erste Bank tun wir viel, um Wissen über Finanzen zu verbreitern, etwa mit unserem Financial Life Park. Das ist ein Top-Thema bei uns im Haus. Sogar Andreas Treichl selbst macht im Flip Touren für Schulkinder.
Inwieweit hilft Information im Internet, Kunden Finanzprodukte näher zu bringen?
Grundsätzlich sind Kunden, die zu Beratungen in die Bank kommen, heute besser informiert als früher. Das heißt auch, dass unsere Beraterqualität immer besser werden muss.
Die andere Seite ist: Die Beratungen kosten Geld ...
Naja. Sie sind Teil des Kontopakets. Ein Beratungsgespräch selbst kostet nichts extra. Wir haben kein Kontopaket ohne Beratung.
Ihr Ausblick auf die Bank der Zukunft: Wie schaut eine Filiale aus, wie lange hat sie offen?
Zwei Drittel unserer Filialen in Wien haben derzeit von 9 bis 18 Uhr durchgehend offen. Im Dezember werden wir an den Einkaufssamstagen von 10 bis 14.30 Uhr offen haben. Im Burgenland sind wir an bestimmten Tagen in Gemeindeämtern präsent. Da brauchen wir gar keine Filiale. Das heißt: Es geht um Präsenz dort, wo die Kunden sind.
Und was sagen Sie zur künftigen neuen Führung der Erste Group?
Ich kenne Treichl-Nachfolger Bernd Spalt seit vielen Jahren und wir haben in diversen Konstellationen quer über die Region der Erste Group ausgezeichnet zusammengearbeitet. Daher freut es mich, dass er nun all seine Erfahrung in der absoluten Top-Position für die Erste Group nutzen kann.
Zur Person
Stefan Dörfler (47) ist eigentlich Mathematiker. Er hat an der TU Wien Technische Mathematik studiert, begann seine Karriere dann aber in der Erste Bank, wo er eine Reihe von Führungspositionen innehatte. Seit Oktober 2016 ist er Vorstandsmitglied der Erste Bank Österreich, wo er für Firmen- und Großkunden zuständig ist.
Zusammen mit den Sparkassen hat die Erste Bank in Österreich 3,6 Millionen Kunden und 1085 Standorte – inklusive jener an den OMV-Tankstellen. Das Institut beschäftigt 15.500 Mitarbeiter.
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