Ebenfalls deutlich angestiegen ist der Absatz von Verdauungsmitteln um 10 Prozent – vor allem als Beigabe zu Antibiotika. Beruhigungs- und Schlafmittel legten um 7 Prozent zu. Weil die Österreicher wieder mehr verreisten, wurden auch um 34 Prozent mehr Mittel gegen Reisekrankheiten verkauft. Rückläufig waren hingegen Schlankheitsmittel. In Summe gab es bei den frei verkäuflichen Arzneimitteln ein Absatzplus von 15 Prozent.
Weil ob der hohen Nachfrage viele gängige Produkte vorübergehend vergriffen sind, bereiten die Pharmazeuten in den apothekeneigenen Labors wieder vermehrt selbst Hustensäfte, Tinkturen, Salben oder Tees zu. Diese Einzelanfertigungen („magistrale Zubereitung“) erfolgen nach ärztlicher Verschreibung oder nach eigenen Rezepturen. Vor allem Kinder benötigen häufig maßgeschneiderte Dosierungen, die industriell zugelassene Medikamente oft nicht erfüllen. Geisler klagt jedoch über immer höhere Bürokratiehürden, weshalb die Einzelanfertigungen in den vergangenen Jahren stark zurückgingen. Das könnte sich jetzt wieder ändern, denn Engpässe und Ausfälle werde es immer wieder geben, ist der Branchenkenner überzeugt.
Als Beispiel nennt er das Schmerzmittel Ibuprofen, das nur noch an sechs Standorten weltweit hergestellt wird, fünf davon sind nicht in Europa. Fällt ein Werk aus, wie im Vorjahr jenes von BASF in Deutschland, habe das weitreichende Konsequenzen.
Ein Zurückholen der Pharma-Produktion nach Europa sei wegen viel höherer Kosten und knappen Personal mehr ein Wunschdenken. „Die Idee aus der Politik, im Waldviertel eine Medikamenten-Fabrik zu errichten, find ich echt lustig. Ich kann nur sagen, viel Vergnügen“, so Geisler. Allein die Produktion hochzufahren dauere 15 Jahre.
Als mittlerweile „dramatisch“ bezeichnet Geisler den Personalmangel in den heimischen Apotheken. Besonders in ländlichen Gebieten könnten offene Stellen mangels Bewerbungen oft gar nicht mehr besetzt werden.
Wer sein gewohntes Präparat in der Apotheke nicht bekommt, versucht es im Internet, der Online-Vertrieb boomt wie nie zuvor. Den Markt beherrschen die großen ausländischen Plattformen Shop Apotheke und Zur Rose, während der Zug für heimische Anbieter „längst abgefahren“ ist, meint Geisler.
Für einzelne Apotheken oder Apothekengruppen wie ApoLife rechne sich der Aufwand nicht. Selbst in Deutschland würden gerade einmal zehn Online-Apotheken halbwegs überleben können. Platz wäre da nur noch in der Nische, etwa mit TCM-Produkten.
Geisler rechnet damit, dass demnächst Versandriese Amazon in Europa starten wird. In der Branche wird schon länger über eine Übernahme spekuliert. „Amazon steht vor der Tür und das wird ganz ungemütlich für alle anderen Online-Händler. Denn neben Amazon wird keiner überleben, die machen das richtig professionell“, sagt Geisler. In den USA startet Amazon Pharmacy mit einem neuen Medikamente-Abo für Prime-Kunden. Für fünf Dollar monatlich werden Arzneien vergünstigt vor die Haustür geliefert.
Kommentare