Erkältungswelle beschert Apotheken virale Mehrumsätze
Die Rückkehr der Grippe und grippalen Effekte sorgt derzeit nicht nur für akute Lieferengpässe, sie beschert den Apotheken auch beträchtliche Mehrumsätze. Allein im Dezember wurden doppelt so viele Husten- und Erkältungsmittel verkauft wie im vergangenen Jahr, berichtet Martin R. Geisler, Generalsekretär der ApoLife Apothekengruppe, der 107 selbstständige Apotheken angehören.
„Österreich hustet wieder wie vor der Pandemie, die klassischen Winter-Erkrankungen haben sich weit stärker verbreitet als im Vorjahr, wo noch FFP2-Masken getragen wurden und Hygienemaßnahmen eingehalten wurden“, berichtet Geisler dem KURIER. Im gesamten Vorjahr verzeichneten die ApoLife-Apotheken bei Husten- und Erkältungsmittel ein Umsatzplus von 50 Prozent auf rund 22,3 Mio. Euro.
"Österreich hustet wieder wie vor der Pandemie."
Ebenfalls deutlich angestiegen ist der Absatz von Verdauungsmitteln um 10 Prozent – vor allem als Beigabe zu Antibiotika. Beruhigungs- und Schlafmittel legten um 7 Prozent zu. Weil die Österreicher wieder mehr verreisten, wurden auch um 34 Prozent mehr Mittel gegen Reisekrankheiten verkauft. Rückläufig waren hingegen Schlankheitsmittel. In Summe gab es bei den frei verkäuflichen Arzneimitteln ein Absatzplus von 15 Prozent.
Die ApoLife Apothekengruppe (Pharmazeutische Arbeitsgemeinschaft Rat & Tat Gmbh) wurde 1984 gegründet. Schwerpunkte sind Aus- und Weiterbildung von Personal, Unterstützung bei Einkauf, Marketing und Digital-Projekten sowie die Entwicklung und Vermarktung der Eigenmarke ApoLife.
107 Apotheken
Der Gruppe gehören 107 Apotheken in allen neun Bundesländern an. Sie beschäftigen rund 1.900 Mitarbeitende und setzten zuletzt 320 Mio. Euro um. insgesamt gibt es in Österreich rund 1.400 Apotheken.
Mehr Eigenlabor
Weil ob der hohen Nachfrage viele gängige Produkte vorübergehend vergriffen sind, bereiten die Pharmazeuten in den apothekeneigenen Labors wieder vermehrt selbst Hustensäfte, Tinkturen, Salben oder Tees zu. Diese Einzelanfertigungen („magistrale Zubereitung“) erfolgen nach ärztlicher Verschreibung oder nach eigenen Rezepturen. Vor allem Kinder benötigen häufig maßgeschneiderte Dosierungen, die industriell zugelassene Medikamente oft nicht erfüllen. Geisler klagt jedoch über immer höhere Bürokratiehürden, weshalb die Einzelanfertigungen in den vergangenen Jahren stark zurückgingen. Das könnte sich jetzt wieder ändern, denn Engpässe und Ausfälle werde es immer wieder geben, ist der Branchenkenner überzeugt.
Als Beispiel nennt er das Schmerzmittel Ibuprofen, das nur noch an sechs Standorten weltweit hergestellt wird, fünf davon sind nicht in Europa. Fällt ein Werk aus, wie im Vorjahr jenes von BASF in Deutschland, habe das weitreichende Konsequenzen.
„Die Idee aus der Politik, im Waldviertel eine Medikamenten-Fabrik zu errichten, find ich echt lustig. Ich kann nur sagen, viel Vergnügen.“
Ein Zurückholen der Pharma-Produktion nach Europa sei wegen viel höherer Kosten und knappen Personal mehr ein Wunschdenken. „Die Idee aus der Politik, im Waldviertel eine Medikamenten-Fabrik zu errichten, find ich echt lustig. Ich kann nur sagen, viel Vergnügen“, so Geisler. Allein die Produktion hochzufahren dauere 15 Jahre.
Als mittlerweile „dramatisch“ bezeichnet Geisler den Personalmangel in den heimischen Apotheken. Besonders in ländlichen Gebieten könnten offene Stellen mangels Bewerbungen oft gar nicht mehr besetzt werden.
Amazon ante portas
Wer sein gewohntes Präparat in der Apotheke nicht bekommt, versucht es im Internet, der Online-Vertrieb boomt wie nie zuvor. Den Markt beherrschen die großen ausländischen Plattformen Shop Apotheke und Zur Rose, während der Zug für heimische Anbieter „längst abgefahren“ ist, meint Geisler.
Für einzelne Apotheken oder Apothekengruppen wie ApoLife rechne sich der Aufwand nicht. Selbst in Deutschland würden gerade einmal zehn Online-Apotheken halbwegs überleben können. Platz wäre da nur noch in der Nische, etwa mit TCM-Produkten.
Geisler rechnet damit, dass demnächst Versandriese Amazon in Europa starten wird. In der Branche wird schon länger über eine Übernahme spekuliert. „Amazon steht vor der Tür und das wird ganz ungemütlich für alle anderen Online-Händler. Denn neben Amazon wird keiner überleben, die machen das richtig professionell“, sagt Geisler. In den USA startet Amazon Pharmacy mit einem neuen Medikamente-Abo für Prime-Kunden. Für fünf Dollar monatlich werden Arzneien vergünstigt vor die Haustür geliefert.
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