Erhard Grossnigg: "Das ist doch rausgeworfenes Geld"

Grossnigg: „Politiker ist der einzige Beruf, für den man keine Qualifikation braucht. Damit ist alles gesagt.“
Der Investor über verheizte Steuern, Bremser in der Politik und knappe Kassen bei Konsumenten.

Erhard Grossnigg hat mehr als 100 Firmen saniert und ist unter anderem bei Anker Brot oder der Westbahn Miteigentümer. Mit dem KURIER sprach er über Konjunktursorgen, schleppende Geschäfte und die Gefahr steigender Insolvenzen.

KURIER: Die EZB pumpt 1,14 Billionen Euro in die Wirtschaft. Ist das der richtige Schritt, um die Wirtschaft anzukurbeln?

Erhard Grossnigg: Damit wird die Geldmenge angekurbelt, aber nicht die Wirtschaft. Solche Maßnahmen unterstreichen die Hilflosigkeit der Politik.

KMU sprechen von einer Kreditklemme, Banken von genügend Geld. Ihre Sicht?

Der Kauf von Staatsanleihen ist deutlich einfacher als die Gewährung von Krediten. Daher wird in Staatsanleihen investiert, weil die Länder ohnehin kein Geld haben. Es gibt so gesehen keine Kreditklemme, die Banken sind liquide. Es gibt aber insofern eine, als die Banken viel kritischer in der Kreditgewährung sind.

Sie schimpfen immer auf den Reformstau und die Politik ...

... Politiker ist der einzige Beruf, für den man keine Qualifikation braucht. Damit ist alles gesagt.

Wo würden Sie als Politiker ansetzen?

Die wesentlichen Bereiche sind Bildung, Pensionen, Gesundheit und Verwaltung. Am wichtigsten wäre mir die Bildung. Wir hinken hinter den skandinavischen Ländern her. Noch sind wir aber eine Insel der Seligen. Noch.

Klingt nicht optimistisch.

Aus meiner Sicht hat sich die Wirtschaftslage im vergangenen halben Jahr dramatischer verändert als es wahrgenommen wird. Wir haben 20 Unternehmen in unserer Gruppe, davon performen 18 schlechter als wir angenommen haben (Anm.: die Ausnahmen sind S&T und Semper Constantia).

Welche Branchen sehen Sie besonders gefährdet?

Wir haben Unternehmen in der Bauindustrie – Gaulhofer Fenster und Domoferm. Beide hatten 2014 Einbrüche von 15 bis 20 Prozent, weil einfach weniger gebaut wird.

Kommt in Österreich eine Firma in Schieflage, werden Sie schnell als möglicher Investor gehandelt. Haben Sie derzeit wegen der Konjunkturlage besonders viele Angebote auf dem Tisch?

Im Moment ist es relativ ruhig, aber ich bin überzeugt, dass es bald viele Sanierungsfälle geben wird. Alarmierend ist, dass die Umsätze im Lebensmittelhandel seit Monaten immer gegen den Monatsletzten abnehmen. Das heißt, den Menschen geht am Monatsende das Geld aus. In der EU hat nur der Lebensmittelhandel in Finnland noch höhere Umsatzrückgänge als jener in Österreich.

Was läuft schief?

Das Grundproblem ist, dass wir in den letzten Jahren verstärkt eine Steuer- und Abgabenpolitik zulasten aller Bürger gehabt haben. Der Durchschnittsbürger hat weniger in der Tasche als vor sechs Jahren. Viele können nicht mehr kaufen, was sie wollen. Wenn das schon in den Zahlen des Lebensmitteleinzelhandels zu sehen ist, ist das ein Signal. Und die Politiker können sich nicht auf die nötigen Reformen einigen, sondern reden immer von Gegenfinanzierung. Das ist völlig irrelevant. Jetzt muss man schauen, dass die Wirtschaft ins Rennen kommt. Sonst zahlen wir bald auch keine Steuern mehr.

Macht Sie der neue Finanzminister optimistisch?

Viele sagen, er kommt aus der Wirtschaft, ist unabhängig, muss nicht wieder gewählt und versorgt werden – gute Voraussetzungen also.

Und was meinen Sie?

Ich finde, dass schon zu viele Monate nichts passiert ist. Das zeigt, dass die Bünde in der ÖVP sehr mächtig sind und auch er sich nicht durchsetzen kann.

Wie stehen Sie zu Vermögenssteuern?

Davon halte ich nichts, weil es eine ungerechte Steuer ist. Wir können nicht die Steuern erhöhen, wir sollten mit den Steuern sparsamer umgehen. Der Staat hat in 69 Jahren nur vier Mal positiv bilanziert. Das letzte Mal 1962. Wie will man denen noch Geld geben? Das ist doch rausgeworfenes Geld. Schauen Sie nur die Tarifpolitik der ÖBB an!

Dass Sie etwas gegen die ÖBB haben, ist schon klar. Sie sind schließlich beim Konkurrenten Westbahn an Bord ...

Herr Kern hat es geschafft, den Ruf zu haben, dass er ein tüchtiger ÖBB-Manager ist. Ich hab’ mir die Bilanzen angeschaut – aus den Zahlen ist keine wesentliche Verbesserung erkennbar. Er hält nur die Belegschaft ruhig und kommt in der Öffentlichkeit gut an. Dann erhöht er beispielsweise die Bahnpreise um 1,5 Prozent, aber auf der Westbahnstrecke lässt er sie um 2 Prozent nach. Weil wir da fahren. Das ist kein verantwortlicher Umgang mit Staatsmitteln. Die ÖBB kosten uns jedes Jahr Unsummen.

Wird die Westbahn 2015 schwarze Zahlen schreiben?

Das werden wir nicht schaffen. Bei der Frequenz haben wir immer Steigerungen, aber beim Durchschnittspreis sind wir nicht im Plan, weil die ÖBB auf unserer Strecke dauernd die Tarife senken.

Sie bauen derzeit unter anderem auch den Großbäcker Anker um. Was haben Sie als Nächstes vor?

Es gibt nur zwei Industriebäcker in Österreich: Ölz und Anker. Das hat zur Folge, dass unsere Filialmitarbeiter wegen des Industrie-KV um 40 Prozent mehr verdienen als jene in den Filialen von anderen Bäckern. Wir versuchen, einen KV für Handel oder Gastronomie zu bekommen, um diesen Wettbewerbsnachteil wegzubekommen. Da rede ich mit der Gewerkschaft. Das ist auch so ein Thema, über das man nachdenken könnte ...

Die Gewerkschaft?

Sozialminister Hundstorfer ist ein Bremser. Er sagt heute noch, dass die Pensionen, so wie wir sie haben, ok sind. Die Lebenserwartung in Österreich steigt jedes Jahr um 3 Monate, das heißt in zehn Jahren um 2,5 Jahre. Die Beitragsdauer des durchschnittlichen Österreichers ist schon kürzer, als jene Zeit, in der er durchschnittlich unterstützt wird. 1970 haben wir mit 17 zu arbeiten begonnen, jetzt mit 21. Damals sind wir mit 61 in Pension gegangen, jetzt mit 59. Das ist alles ein Witz. Jeder weiß, das geht sich nicht aus.

Sie haben als Sanierungsmanager Tausende Mitarbeiter auf die Straße gesetzt. Wie oft sind Ihnen die Autoreifen aufgeschlitzt worden?

Nur zwei Mal.

Der Linzer ist unter anderem an der Semper Constantia Privatbank, Gaulhofer Fenster, dem Sockenhersteller Kunert oder der Westbahn beteiligt. Auch die Porzellanmanufaktur Augarten gehört in sein Reich. Der 68-jährige Sammler von Kunst, Uhren und Spazierstöcken ist verheiratet, hat eine Tochter und ein Enkelkind.

Der KURIER traf Grossnigg am Rande der von der Management Factory veranstalteten Podiumsdiskussion Gipfeltreffen Turnaround im Rahmen der Fachkonferenz für Unternehmensplanung und Strategie RE-THINK 2015.

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