Energiepreisschock: Demnächst wird die Inflation zweistellig

Die optimistische Erwartungshaltung, im zweiten Halbjahr werde die Inflation ohnehin wieder sinken, noch im Frühjahr beispielsweise genährt durch Prognosen der Europäischen Zentralbank, erfüllt sich nicht.
In großen Wirtschaftsnationen wie in Deutschland oder in den USA sinkt die Inflationsrate bereits ganz leicht – nicht aber in Österreich. Verantwortlich dafür sind Sonderfaktoren wie das 9-Euro-Ticket oder der Tankrabatt in Deutschland oder die wesentlich geringere Abhängigkeit von teuren Energieimporten in den USA.
Zwar sind auch hierzulande einzelne Produkte wie Benzin und Diesel zuletzt wieder günstiger geworden. Aber die Preissteigerungen speziell bei Strom, Gas und Fernwärme gehen weiter und schlagen voll auf die Inflationsrate durch.
Wifo-Teuerungsexperte Josef Baumgartner sagt im KURIER-Gespräch: „Wir sind weit weg von einer Entwarnung. Nach den Ankündigungen von Wien Energie und EVN erwarte ich für September, aber spätestens für April 2023, eine Inflationsrate von mehr als zehn Prozent.“ April deshalb, weil die Energieversorger ab 2023 ihre Preise nicht mehr ein Mal, sondern dann zwei Mal im Jahr anpassen werden – im April und im Oktober.
Zuletzt stieg die jährliche Teuerungsrate in Österreich bereits von 8,7 im Juni auf 9,2 Prozent im Juli (laut Schnellschätzung der Statistik Austria).
Das bedeutet: Ohne einen Markteingriff der Regierung bei Strom und Gas ist die Inflationsrate also bald zweistellig. Die derzeit diskutierte Strompreisbremse reiche für eine Trendumkehr nicht aus. Dazu müsste der staatliche Eingriff weiter gehen und eben auch beim Gas oder der Fernwärme erfolgen, sagt der Experte.
Großhandelspreise
Abzulesen ist die weitere Entwicklung für Baumgartner an den Großhandelspreisen. Hier sei von den Energieversorgern noch lange nicht die gesamte Strompreis-Steigerung von 571 Prozent im August 2022 gegenüber August 2021 an die Endkunden überwälzt worden. Baumgartner: „Wenn die Energieversorger das eins zu eins weiter geben, dann droht ein enormer Preisanstieg.“
Aktuell diskutiert werden erst die für September angekündigten Preiserhöhungen. Sie liefern einen ersten Vorgeschmack auf die mögliche weitere Entwicklung.
Denn: Wien Energie & Co orientieren sich bei ihrer Preispolitik nicht am besagten Großhandels-Monatswert von 571 Prozent im August, sondern am Durchschnitt der vergangenen zwölf Monate. Und der liegt beim Strom aktuell bei „nur“ 140 Prozent.
Kaum ein Land hat soviel Erfahrung mit der Teuerung wie Argentinien. Ende der 1980er-Jahre schnellte die Inflationsrate auf sagenhafte 3.000 Prozent hinauf. Seit 2018 lag die jährliche Teuerungsrate immer über 30 Prozent. Aktuell beträgt die Inflation 71 Prozent. Die Regierung kündigte an, die Preise und Löhne für zwei Monate einzufrieren, um die Geldentwertung zu bremsen.
Da die Inflation die Ersparnisse in Peso innerhalb kürzester Zeit auffressen würde, legen die Argentinier jeden überschüssigen Peso in Dollar an. In keinem anderen Land der Welt außerhalb der USA sind so viele Dollarnoten im Umlauf. Schätzungen zufolge besitzen die Argentinier 200 Mrd. US-Dollar in bar. Das sind 20 Prozent aller Dollar außerhalb der USA.
Dazu werden gerade bei größeren Anschaffungen oft Ratenzahlungen ohne Zinsen angeboten, wobei es sich faktisch um einen Preisnachlass handelt. Aber auch im Supermarkt beim Lebensmitteleinkauf fragen die Kassierer, ob man die Zahlung auf mehrere Raten verteilen möchte.
In den ärmeren Vierteln hingegen verabschieden sich immer mehr Menschen ganz von der Geldwirtschaft und verlegen sich auf den Tauschhandel. Sie treffen sich in Vereinen oder unter freiem Himmel und tauschen gebrauchte Kleider gegen Lebensmittel und Windeln gegen Baumaterial. Eine Flucht in Sachwerte am unteren Ende der Einkommensskala.
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