Energie: Pallawatsch mit dem Effizienzgesetz

Rechnerisch wurde im Vorjahr um 2,4 Prozent weniger Energie eingesetzt, in Wirklichkeit wuchs der Verbrauch um drei Prozent
Auf dem Papier spart Österreich, tatsächlich aber steigt der Verbrauch weiter.

Bei der UN-Klimakonferenz in Marrakesch wurde Österreich unrühmlich abgefeiert und erhielt von Greenpeace als "Fossil des Tages" den Klima-Negativpreis. Die Auszeichnung ist würdig verdient. Österreich erreicht die CO2-Ziele nicht. Beim Ökostrom werden die Konsumenten am Schmäh gehalten und abkassiert. Seit Kurzem liegen die offiziellen Daten über den Energieverbrauch 2015 vor – und und es stellt sich heraus, dass auch das Energieeffizienzgesetz alles andere als effizient ist.

ÖVP-Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner jubelte, das System habe sich bewährt, "Energielieferanten und Unternehmen haben die gesetzlichen Vorgaben bisher übertroffen". "Lachnummer", höhnte der Umweltdachverband über das 2015 in Kraft getretene Gesetz. Die Umweltschützer dürften der Realität allerdings näherkommen als der Minister.

Das auf Basis einer EU-Richtlinie geschaffene Gesetz soll jährliche Energie-Einsparungen von mindestens 0,6 Prozent des Vorjahres-Absatzes bewirken. Bis zum Jahr 2020 sollen Industrie und Haushalte der Umwelt zuliebe in Summe um 20 Prozent weniger Energie verbrauchen. Etwa durch Energiesparlampen, umweltfreundliche Heizsysteme, E-Mobilität, Wärmedämmung oder in der Industrie bei der Prozesswärme.

Drei Prozent Zuwachs

Doch gut gemeint ist oft das Gegenteil von gut. Die für 2015 errechneten Einsparungen von 2,4 Prozent existieren nur auf dem Papier. Der Verbrauch wuchs stattdessen um drei Prozent, nur ein kleiner Teil hat mit dem kalten Winter zu tun.

Entwickelt sich der Verbrauch so weiter, dann ist der Energiebedarf Österreichs 2020 um knapp 18 Prozent höher als die Vorgabe des Gesetzes, errechneten jetzt Experten.

Also: Einsparung war das Ziel, stattdessen stieg der Verbrauch trotz eines schwachen Wirtschaftswachstums (plus ein Prozent) deutlich.

Aber es kommt noch absurder. Laut der mit der Abwicklung betrauten Monitoringstelle in der Energieagentur würden die – wohlgemerkt nur auf dem Papier bestehenden – Einsparungen sogar noch für die nächsten Jahre reichen.

"Luftbuchungen"

Der Systemfehler liegt in der Umsetzung. Das Gesetz, dessen Intentionen an sich positiv wären, begünstigt sogenannte "Luftbuchungen", die in der Realität keine Auswirkungen haben, aber von der Wirtschaftskammer Österreich hineinlobbyiert wurden.

Das funktioniert so: Die großen Energielieferanten sind verpflichtet, bei sich selbst und ihren Kunden Maßnahmen zu setzen. Oder eine entsprechende Ausgleichszahlung zu leisten.

Wenn Energieversorger an die Haushalte per Postwurf LED-Lampen und billige "Durchflussbegrenzer" (Plättchen, die in Armaturen eingebaut werden und den Warmwasser-Verbrauch reduzieren) verschicken oder sogar Gutscheine für günstige Kühlschränke verteilen, hat das nichts mit plötzlicher Großzügigkeit zu tun. Die Geschenk-Aktionen werden als Effizienz-Maßnahmen angerechnet. Egal, ob die Kunden die Produkte verwenden.

Geschäftsmodell

Vor allem die Durchflussbegrenzer verzerren die Statistik. Findige Firmen haben sogar ein lukratives Geschäftsmodell entdeckt, "an einen Haushalt" kostenlos Tausende der kleinen Dinger (Kostenpunkt etwa fünf Cent) versandt und dafür wertvolle Effizienzgewinne gutgeschrieben bekommen. Diese wiederum wurden an Energieversorger weiterverkauft.

Laut einer Umfrage bauen lediglich zwölf Prozent der Konsumenten die Wasserreduzierer ein, in den meisten Haushalten landen die Plättchen im Müll. Trotzdem schreibt die Monitoring-Stelle für jedes verschickte Plättchen den energetischen Gegenwert eines vollen Autotanks gut.

Laut Statistik wurde im Vorjahr das gesamte Einsparungsziel um 74 Prozent überschritten. Bei den Haushalten sogar um fast 150 Prozent – Stichwort Durchflussbegrenzer. Mit diesem Trick haben viele Energieversorger ihre Verpflichtung bis weit über das Jahr 2020 hinaus erfüllt.

Unerwünschte Nebenwirkung: Die Massen-Sendungen ließen den Marktpreis für das Freikaufen von Maßnahmen in den Keller rasseln. "Wir brauchen dringend mehr Energie-Effizienz. Das Problem ist, dass die Einsparwirkung mancher Maßnahmen massiv überbewertet wird – bis zum zehnfachen der tatsächlichen Einsparung", konstatiert Stefan Kunze, Effizienz-Experte bei Save Energy Austria. So werde der Markt "mit fiktiven Maßnahmen überflutet und echte Einspar- und Effizienzmaßnahmen haben keine Chance, finanziert zu werden".

Mitterlehner ist nach wie vor vom Erfolg überzeugt. Die EU-Kommission erklärte diese Woche, die Energieeffizienz bis 2030 auf 30 Prozent erhöhen zu wollen. Auch Österreich werde sein Gesetz, das ohnehin laufend evaluiert werde, anpassen. "Zusätzlich wird der effizientere Einsatz von Energie ein Schwerpunkt der neuen Energie- und Klimastrategie", erklärt der Wirtschaftsminister. Kommt einem irgendwie bekannt vor.

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