Eingeschweißte Gurken nicht unbedingt Öko-Unsinn
Kundschaften, die mit einem alten Gurkenglas Getreide kaufen kommen, sind in der Wiener Maß-Greißlerei von Andrea Lunzer keine Seltenheit. Die ehemalige Vermarkterin von Bio-Lebensmitteln verkauft in ihrem Geschäft nur unverpackte Ware. "Weil sich Kunden über die viele Verpackung und den Abfall ärgern", sagt die Geschäftsfrau. Bei ihr könne man kleinere Mengen kaufen, so würden auch weniger Essen im Müll landen. Europaweit werden jährlich mehr als 100 Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen.
Bereits 30 Prozent des Klimafußabdrucks eines durchschnittlichen Europäers sind mit der Produktion, Distribution, Aufbewahrung und Zubereitung von Lebensmitteln verbunden. Eine denkstatt-Studie, finanziert unter anderem von der Altstoffrecycling Austria (ARA), ist der Frage nachgegangen, ob Verpackungen zu Recht bei vielen Konsumenten verpönt ist oder ob ihr Nutzen – Stichwort Haltbarkeit – überwiegt.
Rennen mit Ablaufdatum
Der Hartkäse, der in einer Plastikschale mit Deckelfolie verpackt im Selbstbedienungsregal liegt, hat gut abgeschnitten, obwohl auf dem ersten Blick deutlich mehr Abfall als bei unverpackter Frischware aus der Vitrine anfällt. Der Test zeigte aber auch, dass nur 0,14 Prozent des verpackten Bergbarons im Handel verderben, während es in der Feinkostvitrine fünf Prozent sind. Der Mehraufwand durch die Verpackung beträgt laut denkstatt-Rechnung 28 g CO2-Äquivalenten, die Vermeidung des Lebensmittel-abfalls jedoch 69 Gramm. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt der Test unter anderem bei Beiried, dessen Haltbarkeit mit entsprechender Verpackung von sechs auf 16 Tage gesteigert werden kann, wodurch sich die Abfallmenge halbierte.
Ob der Umweltnutzen von reduziertem Abfall größer ist als der Aufwand der Verpackung, unterscheidet sich von Fall zu Fall. Eine in Folie verpackte Gurke schnitt zunächst schlecht ab. Außer man drehte an diversen Stellschrauben, etwa der Herkunft (Spanien statt aus der Region), dem Anbau (Feld vs. Glashaus) und der Dicke der Folie. Dann kippte das Ergebnis sofort in die andere Richtung. Grundsätzlich gilt: Je hochwertiger das Produkt, desto eher rechnet sich die Verpackung. "Den einen großen Schalter zur Abfallvermeidung finden wir aber nicht", resümiert ARA-Chef Christoph Scharff. Schwacher Trost: Seit 20 Jahren gibt es eine Entkoppelung von Wirtschaftswachstum und Verpackungsverbrauch. Scharff: "Das BIP ist um 40 Prozent gewachsen, der Verpackungsverbrauch gleich geblieben."
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