Ein turbulentes Aktienjahr: Gibt's noch eine Jahresendrally?
Ein durchwachsenes Aktien-Jahr nähert sich dem Finale. Heftige Kurseinbrüche haben Ende Jänner und im Oktober die Gewinne angeknabbert. Könnte es jetzt noch eine „Jahresendrallye“ geben? Investmentprofis sehen intakte Chancen. Allerdings sei das Bild aktuell sehr zwiespältig.
- Konjunktur
In der Eurozone schwächt sich das Wachstum gerade ab. „Der zuvor große Optimismus ist geringer geworden. Wir erwarten aber keine Rezession in Europa“, sagt Friedrich Strasser von der Bank Gutmann. Aktien sind im Portfolio der Wiener Privatbank aktuell übergewichtet – allerdings eher US-Werte als europäische Titel. Strasser erwartet, dass ein starkes Weihnachtsgeschäft die US-Wirtschaft anschiebt.
- Technologie
Im September und Oktober wurden die US-Techwerte ( Facebook, Apple, Amazon, Alphabet) kräftig abgestraft. Bei steigenden Zinsen würden „fade“ Papiere interessanter, etwa dividendenstarke Titel oder totgeglaubte Telekom- und Pharmafirmen, die viele Kunden haben und ordentlich verdienen.
- Anleihen
Bei Rentenpapieren habe Gutmann im Sommer „alles, was Risiko ist, rausgenommen“ – keine Schwellenländer- und riskante, aber ertragreiche Firmenanleihen „nur punktuell“. Auf Erträge muss man dabei eher verzichten, jetzt sei Kapitalerhalt angesagt. Strasser will flexibel sein, falls ein „schwarzer Schwan“ (unerwartetes Negativ-Ereignis) auftaucht.
- Politik
Handelsstreit, Brexit, Italiens Budget, Merkel-Nachfolge: Bei politischen Risiken gibt es ein Kommen und Gehen. Solche „Nebelgranaten“ verzögen sich rasch – es sei denn, es änderten sich dadurch wirtschaftliche Rahmenbedingungen radikal.
- Bewertungen
Durch die Kurskorrekturen wurden Aktien zwar billiger. Sie seien in den USA aber noch „ambitioniert“ bewertet, sagt Vermögensberater Wolfgang Habermayer (Merito Financial Solutions). Das Kurs-Gewinn-Verhältnis, ein beliebtes Maß, ob Aktien teuer sind, liege über dem historischen Mittel.
- Gewinne
Zudem seien die Unternehmensgewinne jüngst „einen Tick schwächer“ ausgefallen als im Vorquartal. 2019 werde der Konjunkturverlauf der USA den Zenit überschreiten. Die offene Frage ist aber: wann.
- Europas Zinstief
Da seien in Europa attraktivere Bewertungen zu finden. Bei Merito seien Aktien „leicht untergewichtet, aber weit entfernt von einem Ausstieg“. Anleihen sieht Habermayer in Europa wegen des dauerhaften Zinstiefs nicht als Alternative. In den USA sind attraktivere Renditen zu erwarten, hier kommt aber das Wechselkursrisiko dazu. Eine strategische Option sei Abwarten – das heißt, mehr Cash als üblich zu halten.
- Rückkäufe
Aktienrückkäufe standen, befeuert vom Geldregen der US-Steuerreform, zuletzt auf der Tagesordnung. „Ja, das fällt ins Gewicht. Wir hoffen aber, dass sie weniger werden“, sagt Strasser. Ein Unternehmen, das Aktien aus dem Markt nimmt, steigere langfristig seinen Wert nicht. „Uns ist lieber, es ist innovativ und investiert Gewinne in neue Produkte, Märkte oder bessere Prozesse.“
- Zankapfel ETF
Uneins sind die Profis über ETF (Exchange Traded Funds). Das sind Anlageprodukte, die nicht von Profis gemanagt sind, sondern passiv einem Basiswert (etwa den Aktienindizes) folgen. Habermayer schwört wegen geringerer Gebühren drauf. Den optimalen Zeitpunkt oder „besten“ Aktientitel erwischen zu wollen, sei ohnehin illusorisch, findet er.
Gerade jetzt sei die Auswahl werthaltiger Titel wichtiger als zu Boom-Zeiten, wo ohnehin alle Kurse anziehen, kontert Bank-Gutmann-Ökonom Andreas Auer. Der ETF-Trend verstärke zudem Kurs-Schwankungen: Wenn alle nur Indizes statt Einzelpapieren handeln, gebe es am Ende keinen Markt mehr. Die Unterschiede der Aktien würden so ausradiert. Diese Gefahr sieht Habermayer noch lange nicht: „Da kann der ETF-Markt noch doppelt so groß werden.“
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