Ein Österreicher als Fintech-Milliardär

Österreicher Markus Braun, Chef von Wirecard
Die Erfolgsgeschichte des Österreichers Markus Braun beim deutschen Konzern Wirecard

Auch wenn er nicht gerne vor größerem Publikum auftritt, an mangelndem Selbstbewusstsein leidet Markus Braun nicht. „Ziel des Vorstands ist es, kraftvoll organisch die Welt zu erobern“, verkündete der Vorstandsvorsitzende des Zahlungsdienstleisters Wirecard im Frühjahr.

Dieser Tage beherrschte der Österreicher die Wirtschaftsmeldungen in Deutschland. Das ehemalige Start-up wird am 24. September in den DAX, den deutschen Leitindex der Frankfurter Börse, einziehen. Dass der Börsenstar ausgerechnet die Commerzbank aus dem Topsegment der deutschen Aktientitel wirft, hat eine gewisse Symbolwirkung. Innovativer Zahlungsabwickler, ein sogenanntes Fintech, verdrängt etabliertes Bankinstitut. Und Deutschland hat nach Zalando endlich wieder eine erfolgreiche Gründerstory.

24 Milliarden Euro

Knapp 24 Milliarden Euro ist Wirecard derzeit wert, mehr als die Deutsche Bank und sechs Mal soviel wie die Lufthansa. Der Kurs hat sich in den vergangenen zehn Jahren verdreißigfacht. Am Donnerstag kündigte der Liebling der Investoren an, die Entwicklung der letzten 15 Jahre in den Schatten zu stellen.

Wie schaffte der 47-jährige Wiener diesen Aufstieg, wie tickt der Mann, der in der österreichischen Öffentlichkeit ebenso wenig bekannt ist wie das Unternehmen?

Nach dem Studium der Wirtschaftsinformatik an der TU Wien ging Braun in die Beratung und landete 1998 als Projektmanager bei der KPMG in München. Drei Jahre später heuerte er als Vorstand bei Wirecard an, damals ein kleines, unauffälliges Start-up.

Zukunftsorientiert

„Ein Visionär und Pragmatiker, extrem zukunftsorientiert“, so skizziert ihn Matthias Strolz. Der Ex-Chef der Neos trifft sich mit Braun regelmäßig. 2014 sponserte Braun als Privatmann die junge liberale Partei mit 55.000 Euro.

„Eine der größten Erfolgsstorys. Zeit, dass man diese Leistung anerkennt.“ Wenn Stefan Klestil über den 16-Stunden-Arbeiter Braun spricht, schwingt viel Anerkennung mit. Der Sohn des ehemaligen Bundespräsidenten Thomas Klestil und Braun lernten einander bei einer Ausschreibung kennen. Klestil war damals an Bord des Zahlungsdienstleisters First Data, machte sich selbstständig und ist seit 2009 im Aufsichtsrat von Wirecard. Damals war das Unternehmen 400 Millionen Euro wert. Die Aufsichtsräte beschlossen allerdings, keine Aktien zu kaufen, um gar nie in den Verdacht von Insider-Deals zu kommen. Denn immer wieder gab es manipulierte Attacken auf Wirecard.

Aufschwung Austria

Braun kommt von der technischen Seite. „Strategisch versiert, analytisch fundiert und mit einem technischen Genius ausgestattet“, schwärmt Strolz. Jemand, „der Chancen orientiert ist und zutiefst unternehmerisch denkt“. Braun diskutierte auch schon am Podium von „Aufschwung Austria“, der von Strolz gegründeten Plattform für „alle, die mit der Wirtschaftspolitik in unserem Land nicht zufrieden sind“.

„Es geht ihm nicht um Ideologien, sondern um bestimmte Themen“, sieht Klestil seinen Vorstandsvorsitzenden nicht parteipolitisch motiviert. Themen wie Digitalisierung, Bildung, stärkere Leistungsorientierung in den Schulen und Unis, unternehmerische Freiheit.

Bundeskanzler

Dabei setzt Braun auch auf ÖVP-Bundeskanzler Sebastian Kurz. Der Börsenstar, der nach wie vor einen Wohnsitz in Wien hat, diskutierte bei den von Kurz initiierten „Gesprächen zum Standort“ mit. Österreich stehe „in einem weltweiten Wettbewerb, was aber durchaus etwas sehr Positives ist“.

Er treffe sich mit Markus Braun regelmäßig zum Austausch und schätze dessen Input sehr, „vor allem zu Innovation und Digitalisierung“, lässt Kurz über seinen Sprecher ausrichten. Braun unterstützte dafür den türkisen Wahlkampf mit 70.000 Euro.

„Intellektuelle Neugierde“ treibe Braun an, beobachtet Klestil. Er liebe den intellektuellen Schlagabtausch in der Diskussion, sei aber vor allem ein Mann der Tat.

Privatleben hat der frischgebackene Vater einer Tochter kaum. Wenn, dann liest er gerne Wälzer wie „Die Strudelhofstiege“ und geht in Wien, wo er noch einen Wohnsitz hat, in die Oper. Statt Jeans und Sneakers, der Uniform der Start-up-Szene, bevorzugt Braun Anzüge, ohne Krawatte.

Der vierköpfige Wirecard-Vorstand ist stark Österreich-lastig. Neben Braun sind noch Jan Marsalek, Mitgründer eines Software-Hauses, und die studierte Psychologin Susanne Steidl im Vorstand.

Marktpotenzial

Der Chef tönt jetzt vollmundig: „Das Beste liegt noch vor uns“, Wirecard stehe vor einem „großen Wachstum“. Der Mann, der das Bargeld abschaffen möchte, ortet immenses Marktpotenzial. 85 Prozent der globalen Zahlungsvorgänge werden noch bar abgewickelt. Und ein Platz im „Schaufenster“ DAX garantiert die höhere Aufmerksamkeit von internationalen Großinvestoren.

Doch es gibt auch Skeptiker. Die Aktie koste mehr als 60-mal so viel wie das nahe München angesiedelte Unternehmen 2018 voraussichtlich verdienen werde, argumentiert das Handelsblatt. So teuer ist keine andere Aktie im DAX. Und immer mehr Nachahmer würden das Geschäftsmodell kopieren.

Braun jedenfalls ist schon ziemlich reich. Er hat bei Kurseinbrüchen immer wieder geschickt Aktien zugekauft und besitzt derzeit rund sieben Prozent. Aktueller Wert: Mehr als 1,6 Milliarden Euro. Um dieses Vermögen zu erhalten, muss er weiter auf Adrenalin bleiben. Denn wie sagte er selbst über den digitalen Wandel: „It never stops“, es hört nie auf. andrea.hodoschek

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