Ein Fünftel der Flächen im Handel werden überflüssig

Der Handel stagniert, nach Parndorf kommen aber mehr Shopping-Touristen
B-Lagen brauchen neues Management, die Lehre einen eCommerce-Fokus, meint der Handelsverband.

Zu viele Quadratmeter Verkaufsfläche, falsche Ausbildungsschwerpunkte, Kaufkraftabfluss aus der Stadt und oft gleich aus dem ganzen Land: Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbandes, redet die Situation in den Einkaufsstraßen erst gar nicht schön. "Bis 2020 werden 20 bis 25 Prozent der Verkaufsflächen in Österreich wegfallen", schätzt er. Weil die Österreicher mehr online shoppen – und dabei etwa 3,1 Milliarden Euro im Jahr an ausländische Händler überweisen. Ein Kaufkraftabfluss, der nicht mehr zu stoppen ist.

Im stagnierenden stationären Handel ist das Tax-Free-Geschäft der einzige Ausreißer nach oben, meint Will. Also das Geschäft mit Shoppingtouristen, die von außerhalb der EU kommen und die Mehrwertsteuer rückvergüten können. Österreichweit lagen die Tax-Free-Umsätze 2015 um 16 Prozent über dem Vorjahresniveau, im Outletcenter Parndorf waren es sogar plus 20 Prozent, legt Will die aktuellen Hochrechnungen vor. Ein Plus, obwohl die kaufkräftigen Russen ausgeblieben sind (Mehrwertsteuerrückvergüter melden für sie ein Minus von 41 Prozent).

Dafür haben Hongkong-Chinesen deutlich mehr ausgegeben (+110 Prozent), genauso wie Araber (75 Prozent), oder Thailänder und Inder (jeweils +68 Prozent).

Will, Vertreter von rund 100 mittleren und großen Händlern (die aber gemeinsam ein Drittel des Einzelhandelsumsatzes machen), sieht in Outletcentern die Chance, die zunehmende Verödung der Stadtkerne zu stoppen. Als Beispiel nennt er Nordrhein-Westfalen, wo mit Bad Münstereifel eine ganze Altstadt zum Outletcenter umfunktioniert wurde.

Thomas Reichenauer, dessen Firma ROS das Management der deutschen Stadt übernommen hat, winkt aber ab. "Wir haben oft Delegationen von österreichischen Städten bei uns, die sich für unser Konzept interessieren, aber es lässt sich nicht einfach kopieren", sagt der ehemalige Parndorf-Manager. Ein Outletcenter müsse direkt an einer Autobahnabfahrt liegen und fünf bis sechs Millionen Einwohner in einem Einzugsgebiet von eineinhalb Autostunden vorweisen. In Österreich treffe das auf Parndorf und Salzburg zu – damit sei der Markt aber erschöpft. Mit Aktionen allein lässt sich eben kein Konkurrenzkampf gewinnen – in jeder Einkaufsstraße winken minus 50 der minus 70 Prozent Aktionen. Ein Outletcenter brauche auch Marken mit Strahlkraft – die wiederum nicht wahllos in Outletcenter einziehen.

Will meint, dass Einkaufsstraßen in B-Lagen dennoch viel von Outletcentern abschauen können. Das gemeinsame Management der Shops beispielsweise, das den Geschäftsleuten und den Konsumenten Vorteile bringt. Etwa durch einen gemeinsamen Zustelldienst für die Kunden – oder aus Unternehmersicht durch Synergien, etwa bei Umbauten und Genehmigungen.

Lehre ohne eCommerce-Fokus

Um die Branche zukunftsfit zu machen, fordert Will auch Änderungen im Ausbildungssystem. Will: "Die Einzelhandelsausbildung muss um ein Modul eCommerce erweitert werden, wo es um Dinge wie Suchmaschinen-optimierung geht." Die Forderung richtet sich ans Bildungsministerium, das bisher aber nicht reagiert hat, sagt Will. In der der zeitigen Ausbildung seien zwar 15 Schwerpunkte vorgesehen, eCommerce ist aber nicht darunter. Will: "Und das, obwohl bereits 70 Prozent der Online-Einkäufe österreichischer Kunden im Buch-, Schmuck- oder Schuhhandel im Ausland gemacht werden." Auch in Deutschland ist eine neue Gewichtung des Online-Themas in der Ausbildung gerade Thema.

Die Jubelrufe zur aufstrebenden Start-up-Szene in Österreich sieht er als "Feigenblatt" diverser Politiker. Will: "Sie müssten auch einmal dazusagen, dass die Hälfte der gegründeten Unternehmen nach drei Jahren nicht mehr am Markt sind und erkennen, dass Jugendliche auch ein Recht auf einen Job haben, der sie nicht in die Selbstständigkeit drängt."

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