Ein Blick auf die Stadt der Zukunft
In einer Smart City – der Stadt der Zukunft – gibt es (fast) keine Geheimnisse mehr. Computertechnik durchdringt den öffentlichen Raum. Während man selbst immer weniger darf – etwa Fotos auf Bahnhöfen schießen –, registrieren etwa Reklametafeln jede Bewegung der Passanten. Datenschützer zweifeln an der Sinnhaftigkeit der Dauerbeobachtung und kritisieren die Eingriffe in die Privatsphäre. Wiens Stadtplaner Thomas Madreiter wiederum übersetzt Smart City so: "pfiffige Stadt". Sie war jetzt Thema bei den Alpbacher Technologiegesprächen.
Am Shinagawa-Bahnhof in Tokio steht ein Symbol dieser neuen Hightech-Welt: ein Getränkeautomat mit Digitalkamera. Das riesige Display organisiert sein Angebot nach Tages- und Jahreszeit sowie nach aktueller Temperatur. An einem kalten Morgen präsentiert der Bildschirm heißen Kaffee, an einem heißen Sommertag eisgekühltes Soda Zitron. Mehr noch: Die Bildanalyse-Software der Maschine erkennt das Geschlecht und das ungefähre Alter. Im technologieverrückten Japan ist der Automat ein Renner. Nach einem halben Jahr Verhaltensbeobachtung stellte sich heraus, dass Männer Mitte 30 die häufigsten Kunden sind. Die meisten Säfte werden nachts verkauft. Sinnloser Informationsmüll? Nein, laut Hersteller verkauft der Automat doppelt so viele Getränke wie die "normalen".
Schön für das Unternehmen, aber was hat man von einer vorgefertigten Auswahl? Madreiter: "Ich finde es hilfreich, wenn ich nicht mit Erzeugnissen belästigt werde, die mich nicht interessieren. Ich will nur nicht haben, dass ich keine Informationen über andere Produkte mehr bekommen kann." Für den Stadtplaner überwiegen die Chancen der Smart City: "Die Stadt der Zukunft wird klare Privacy-Regeln haben. Ich werde mit dem System kommunizieren können und sagen, diese Art von Werbung will ich nicht haben. Smart Citys werden mündige Bürger erziehen."
Dauerbeobachtung
Datenschutzexperte Hans G. Zeger (Interview siehe hier) von der Arge Daten sieht die Entwicklung genau diametral: "Ich kann den Zonen, in denen ich von Kameras erfasst werde, und wo meine Verweildauer vor einer Auslage oder einem Plakat gestoppt wird, ausweichen. Noch. Wenn das aber ein erfolgreiches Marketingmodell wird, wird es immer mehr von diesen Zonen geben, da werde ich als Passant irgendwann gezwungen sein, das zu akzeptieren – was die meisten Leute auch tun werden." Die größte Gefahr dieser unfreiwilligen Dauerbeobachtung sei die Anmaßung, den Menschen auf scheinbar auffälliges Verhalten zu reduzieren, ob er zu lange stehen bleibt, ob er zu schnell oder zu langsam geht und wofür er sich interessiert. Der Haken ist nur: Das menschliche Verhalten kann 1000 Gründe haben. "Es ist zum Beispiel auffällig, zehn Flaschen Wodka zu kaufen. Nur: Der eine kauft sie, weil er ein Säufer ist, der andere, weil er einem Freund eine Party organisiert." Das heißt? "Diese vermeintlich smarten Ansätze sind im Alltagsleben überhaupt nicht funktionstauglich."
Lowtech in Aspern, Waschen nach Strompreis
Digitale Stromzähler sind nur der Anfang einer Entwicklung, die in zwei Richtungen führt. Erstens zu Smart Markets (intelligente Märkte) – das bedeutet, dass wir in Zukunft detaillierte Energietarife bekommen, wie das heute bei Handyabrechnungen üblich ist, sagt Hans Zeger, Obmann der Arge Daten. Netzbetreiber haben das Problem, mit durchschnittlichen Verbrauchsmengen kalkulieren zu müssen. Lukrativer wäre es, die Stromkosten minutengenau anzupassen. Das heißt: "Ich werde weiterhin meine Wäsche waschen, wann ich will, aber ich zahle dann möglicherweise das Dreifache."
Die zweite Entwicklung, für die Smart Metering gedacht ist, führt zu Smart Grids (intelligente Netze). In Zukunft werden Stromkunden selbst Strom produzieren und auch ins Netz einspeisen. Beispiel: Ein Elektroautobesitzer am Land lädt die Batterie seines Wagens auf. In der Nacht, weil er da Überschussstrom bezieht, der billig ist. Am Tag kann er das Auto in Betrieb nehmen oder sich dafür entscheiden, es stehen zu lassen. Dann aber kann es sein, dass der Netzbetreiber einen gewissen Stromanteil wieder abzieht, wenn der anderswo gebraucht wird, "dafür bekommt er dann aber den dreifachen Preis".
Verglichen mit diesen neuen Technologien ist der Fahrradreparaturservice, den Katharina Salzgeber in Wien-Aspern auf die Beine gestellt hat, "Lowtech". Auch das gehört zur Stadt der Zukunft: "Fahrradleichen" werden nicht mehr achtlos weggeworfen, sondern wieder in Gang gebracht. Im weitläufigen Areal der künftigen "Seestadt" kann man sich ein solches ReCycle gratis ausleihen. Anruf genügt und man bekommt den Code fürs Fahrradschloss, "es wurde noch keins gestohlen" (Tel.: 01/336 60 099, www.PUBLIK.aspern-seestadt.at ).
Selbst in Städten mit ausgebautem öffentlichen Verkehr ist der Anteil der Autobesitzer hoch, auch wenn nur 29 Prozent aller Wege damit zurückgelegt werden. Stadtplaner Thomas Madreiter: "Das eigene Auto ist bunt, groß und laut. Ich kann es jedem zeigen." Lösungen? Madreiter wünscht sich ein "Susi-Sorglos-Mobilitätspaket", das den Öffentlichen Verkehr, aber auch ein Leih-Cabrio für den Wochenendausflug umfasst. Für US-Autor Adam Greenfield sind Leih-Autos, deren Lack die Farbe wechselt keine Vision mehr, "daran wird geforscht".
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