Eigenes „Pickerl“ für sichere Medikamente

Codierung und Versiegelung soll Originalpräparate sicherer machen
Kampf gegen Fälschungen: Apotheken müssen ab 2019 jedes Arzneimittel vor Abgabe elektronisch überprüfen

Rund 150 Millionen Arzneimittel-Packungen werden in Österreich pro Jahr ausgeliefert. Um sie sicherer gegen Fälschungen zu machen, müssen sie die Pharmahersteller jetzt mit völlig neuen Sicherheitsmerkmalen versehen. Jedes verschreibungspflichtige Medikament erhält neben der Seriennummer einen so genannten MatrixCode, der eine eindeutige Identifizierung ermöglicht. Zusätzlich werden die Packungen versiegelt, um sie vor missbräuchlicher Öffnung zu schützen. Frei verkäufliche Arzneimittel sind von der Neuregelung nicht betroffen.

Hintergrund für die Maßnahmen ist die EU-Fälschungsrichtlinie, die bis 9. Februar 2019 umgesetzt werden muss. Ab dann dürfen in der EU, und somit auch Österreich, nur noch diese speziell verpackten und codierten Arzneien in Umlauf gebracht werden. Für die heimischen Apotheken kommt einiges an Mehraufwand zu. Sie sind verpflichtet, die Echtheit jeder einzelnen Arzneimittel-Packung zu überprüfen, bevor sie sie an die Patienten abgeben – und müssen daher technisch nachrüsten. Konkret heißt das: Künftig wird an der Apothekenkasse jedes rezeptpflichtige Medikament über einen eigenen Scanner gezogen. Erst wenn eine grüne Lampe aufleuchtet, ist es als sicher verifiziert. „Der Umsetzungsprozess läuft gut, die ersten Apotheken sind in Pilotprojekten eingebunden“, berichtet Jan Oliver Huber, Generalsekretär der Pharmig. Ziel der Richtlinie sei es, die legale Lieferkette gegen Arzneimittelfälschungen abzusichern. An das Datenbanksystem in Österreich werden rund 2500 Apotheken und Großhändler angeschlossen.

Mehrkosten

Viele Apotheker sind ob des zusätzlichen Kontrollaufwandes wenig begeistert. Sie fürchten technische Mehrkosten und längere Wartezeiten für Patienten, wenn gleich mehrere Packungen überprüft werden müssen. Eine eigene Hardware-Nachrüstung sei für den Sicherheits-Scan nicht nötig, meint Huber, die Verifizierung selbst soll gar nur 300 Millisekunden dauern. Förderungen für die Umstellungen gebe es nicht, auch die Pharmafirmen müssten die Kosten für das Umrüsten der Verpackungen selbst tragen.

Sicherheitskampagne

Apothekerkammer und -verband nutzen die neuen Vorschriften daher gleich für eine Sicherheitskampagne und Anti-Internet-Kampagne. „Nur in der Apotheke können die Kunden sicher sein, echte Arzneimittel zu bekommen und erhalten darüber hinaus eine gezielte Beratung“, betont Apothekerkammer-Präsidentin Ulrike Mursch-Edlmayr. Fälschungen innerhalb der legalen Lieferkette vom Hersteller über Großhändler zum Apotheker sind in Österreich offiziell kein Thema „Wir sind diesbezüglich ein Land der Seligen“, sagt Huber. In Deutschland warnt hingegen die Arzneimittelbehörde auch Apotheken immer wieder vor möglichen Produktfälschungen, die über Umwege ins System kommen.

Online-Handel

Der Online-Handel von verschreibungspflichtigen Medikamenten ist in Österreich verboten. Was rezeptfreie Produkte anbelangt, rät die Pharmig, nur bei registrierten und geprüften österreichischen Versandapotheken zu bestellen. Eine diesbezgliche Liste führt das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG). 

Rekordwert an Arzneimittelfälschungen

Der österreichische Zoll hat im Vorjahr rund 55.000 Medikamenten-Plagiate im Wert von 1,1 Mio. Euro aus dem Verkehr gezogen. Das bedeutet einen neuen Rekordwert. Die Plagiate stammten fast alle aus Indien und wurden in 90 Prozent der Fälle per Post verschickt.  

Mit Abstand am meisten gefälscht wurden  Potenzmittel. Allein am Flughafen Wien  entdeckten Zöllner im April des Vorjahres 5280 Packungen mit mehr als einer Million gefälschter Potenz-Pillen. Die Lieferung war für Ungarn bestimmt und führte dort zur Verhaftung der Drahtzieher. „Hinter der Medikamentenfälschung steht organisierte Kriminalität“, weiß Gerhard Marosi, Produktpiraterie-Experte im Finanzministerium. Er warnt vor den Risiken des Arzneimittelkaufs im Internet. 

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