Edith Hlawati: Schluss-Bilanz einer Insiderin

Edith Hlawati, Rechtsanwältin, CHSH Rechtsanwälte (Cerha Hempel Spiegelfeld Hlawati)
Die prominente Wirtschaftsanwältin und Vize-Chefin des Aufsichtsrates bricht ihr Schweigen und spricht erstmals über die Telekom-Skandale.

Sie ist eine der einflussreichsten Wirtschaftsanwältinnen Österreichs. Ende Mai zieht sich Edith Hlawati von der Spitze des Telekom-Aufsichtsrates zurück. Im KURIER-Interview spricht sie über die Skandale, die Rolle des Aufsichtsrates und die Kritik an den Telekom-Honoraren ihrer Kanzlei.

KURIER: Nach zwölf Jahren als Vize-Chefin des Telekom-Aufsichtsrates werden Sie nicht mehr verlängern. Ermüdet von den Skandalen?

Edith Hlawati: Ganz und gar nicht. Wir haben in den vergangenen Monaten viel weitergebracht. Die Malversationen sind aufgeklärt, der Forensik-Bericht der BDO ist bei der Justiz. Für uns ist das abgeschlossen.

Sie gehen davon aus, dass keine Skandale mehr aufpoppen?

Davon gehe ich aus. Wir haben jedenfalls gründlich gearbeitet. Jetzt liegt es an den Gerichten.

Wie konnte die Telekom so ein Skandalunternehmen werden? Ist dem Aufsichtsrat nie etwas aufgefallen?

Schade, dass Sie die Telekom als Skandalunternehmen bezeichnen. Das ist nicht so. Bei Siemens passierten auch Skandale und trotzdem ist Siemens keine Skandalgesellschaft. In der Vergangenheit gab es Malversationen, ja. Wenn die Geschäftsordnungen gebrochen werden, die Vergabe-Abteilung mitspielt und die Geldbeschaffung ohne Dokumentation erfolgt, kann ein Aufsichtsrat trotz aller Fragen nicht dahinterkommen.

Vielleicht haben Sie zu wenig hartnäckig nachgefragt?

Wir haben sehr intensiv gefragt. Der Vorstand hat uns den Kurssprung mit der Aufnahme der Aktie in den MSCI-Index erklärt. Von den Dingen, die im Hintergrund abgelaufen sind, hat der Vorstand nichts erzählt. Das hat sich jetzt beim Prozess über die Kursmanipulation bestätigt. Wir haben damals sofort die Finanzmarktaufsicht ins Haus geholt, die schärfste Untersuchungsbehörde für solche Sachverhalte.

Kritiker sagen, der Aufsichtsrat hätte die Optionsprämie von in Summe 8,9 Millionen Euro an Vorstand und Mitarbeiter gar nicht auszahlen dürfen.

Wir haben umgehend ein Gutachten von Univ.-Prof. Kalss eingeholt und sehr genau geprüft. Das Ergebnis war: Wir müssen auszahlen, sonst droht Schadenersatz. Daher haben wir das unter Vorbehalt gemacht. Mehr konnte der Aufsichtsrat von seiner Sorgfaltspflicht her nicht tun. Wären die Malversationen früher ans Tageslicht gekommen und nicht erst sieben, acht Jahre später durch einen Kronzeugen, hätten wir von allen das Geld zurückfordern können.

Edith Hlawati: Schluss-Bilanz einer Insiderin
Der Lobbyist Peter Hochegger war eine der zentralen Figuren beim Verteilen der Telekom-Gelder. Er cashte mehr als 30 Millionen Euro an Beratungshonoraren. Das ist keine Kleinigkeit, auch da ist dem Aufsichtsrat nichts aufgefallen?

Wir haben bei jeder Budgeterstellung die Beratungskosten hinterfragt und auch bei Schwerpunktprüfungen durch die Wirtschaftsprüfer anschauen lassen. Der Vorstand hat die Honorare immer damit begründet, dass Hochegger nicht nur Werbung macht, sondern auch Events und Mitarbeiter-Veranstaltungen. Wir haben mit den Benchmarks verglichen, etwa der Deutschen Telekom oder der Swisscom. Die Größenordnungen waren nie auffällig. Was alles über Hocheggers Valora gelaufen ist, war ja nicht erkennbar.

Man hat auch nichts daran gefunden, dass über Jahre hinweg immer Hochegger beauftragt wurde?

Hochegger war damals eine der größten Agenturen des Landes. Es gab nur wenige Agenturen, die eine solche Manpower hatten. Gegen die Agentur Hochegger.Com war ja nichts zu sagen. Das Problem sind die Geschichten, die nebenher produziert wurden. Man hat alles getan, damit der Aufsichtsrat nicht draufkommt.

Der Aufsichtsrat bestellt den Vorstand. Sie und Ihre Kollegen hatten offenbar ein besonders schlechtes Händchen bei der Auswahl der Herren.

Als ich in den Aufsichtsrat kam, waren die Vorstände Sundt, Fischer und Colombo schon eingesetzt. Dieser Vorstand hat operativ viel weitergebracht. Vergessen Sie nicht, die Telekom war ein kameralistisch geführtes Unternehmen. Der Börsegang war nicht einfach, es mussten neue Strukturen aufgebaut, Kosten gesenkt und die Telecom Italia ausgekauft werden. Außerdem wurde eine rasante Ostexpansion hingelegt.

Edith Hlawati: Schluss-Bilanz einer Insiderin
Edith Hlawati, Rechtsanwältin, CHSH Rechtsanwälte (Cerha Hempel Spiegelfeld Hlawati)
Die beschäftigt immer noch die Staatsanwaltschaft.

Stimmt, aber es wurden gute Beteiligungen gekauft und aufgebaut, auf die sich die Telekom jetzt stützen kann.

Interpretiere ich Sie richtig: Die Vorstände waren halt ein bissl korrupt, aber sie waren gute Manager.

Was sich einzelne Vorstände hier geleistet haben, ist inakzeptabel. Trotzdem ist operativ sehr viel weitergegangen. Die Telekom hat eine gute zweite Ebene. Es ist ja nicht so, dass alle in diesem Unternehmen korrupt waren. Solche Pauschalierungen sind gefährlich.

Sie müssen sich Kritik gefallen lassen, weil Ihre Kanzlei jedes Jahr von der Telekom 600.000 bis 700.000 Euro an Beratungshonoraren kassierte. Halten Sie das mit Ihrer Funktion als Aufsichtsrätin vereinbar?

CHSH ist eine der größten Kanzleien dieses Landes und die Telekom ist eines der größten Unternehmen. Dass sich die Wege kreuzen, ist fast unvermeidbar. Mir ist wichtig, dass CHSH das Telekom-Mandat schon lange hatte, bevor ich in den Aufsichtsrat kam. Der Vertrag wurde auf Wunsch der Telekom und mit günstigen Stundensätzen abgeschlossen. Ich habe während dieser Zeit nie für die Telekom gearbeitet und seit letztem Jahr nehme ich auch nicht mehr am Umsatz und Gewinn der Kanzlei aus dem Telekom-Mandat teil. Ich habe auf eine saubere Trennung geachtet. Außerdem wurde das Mandat immer im Geschäftsbericht veröffentlicht und bei den Hauptversammlungen thematisiert, alles ist transparent. Es gibt andere Unternehmen, die das nicht machen. Außerdem gebe ich mir ja nicht selbst den Auftrag, sondern der Vorstand entscheidet.

Tja, der wird sich hüten, die Vize-Chefin des Aufsichtsrates zu verärgern.

Der Vorstand ist weisungsfrei. Und im Aufsichtsrat entscheide nicht ich alleine, da sitzen zwölf Vertreter. Dem Unternehmen ist mit Sicherheit kein Nachteil daraus entstanden. Im Gegenteil, es ist bei komplexen Wirtschaftsmaterien doch ein Vorteil, wenn eine Kanzlei schon involviert ist und daher kostengünstiger arbeiten kann. Aber irgendwie habe ich es nicht geschafft, diese Botschaft nach außen zu vermitteln.

Kommen wir zur Zukunft. Sehen Sie das Unternehmen gut aufgestellt?

Ja. Die wichtigen Weichen sind gestellt.

Halten Sie Telekom-Chef Hannes Ametsreiter für stark genug?

Sonst hätten wir ihn nicht verlängert.

Es ist nicht anzunehmen, dass der Mexikaner Carlos Slim sich mit seinem Anteil von knapp 23 Prozent zufriedengeben wird.

Das weiß ich nicht. Die Staatsholding ÖIAG wird jedenfalls Kernaktionär mit mindestens 25 Prozent bleiben. Das ist derzeit der politische Wille und ich nehme nicht an, dass sich dieser nach den Wahlen ändert.

Halten Sie persönlich eine staatliche Sperrminorität für ideal?

Die Telekom ist ein Infrastruktur-Unternehmen und ich halte es für wichtig, die Infrastruktur unter teilstaatlicher Kontrolle zu halten. Für das operative Geschäft ist das meines Erachtens nicht notwendig.

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