Selbst das Guiness Buch der Rekorde kann nicht genau sagen, welcher der am schnellsten wachsende Baum der Welt ist. Die Art Paulownia tomentosa zählt jedenfalls zu den Spitzenreitern. Das Holz des Baumes ist außerdem hart und dennoch leicht, weshalb es gerne für Musikinstrumente, Surfboards oder Möbel verwendet wird. Schnell wachsende Pflanzen nehmen außerdem schnell große Mengen Kohlendioxid auf und entfernen das Treibhausgas aus der Luft. Ein niederösterreichisches Unternehmen will von all diesen Eigenschaften der Paulownie profitieren.
Holzverwertung zuerst, CO2-Potenzial danach erkannt
"Eigentlich hat sich das alles aus einem Hobby entwickelt", sagt Leopold Sandler, Gründer und CEO von Naturevest. Der Bauunternehmer hat vor rund 10 Jahren begonnen, brach liegende Grundstücke in Kroatien zu kaufen. Inspiriert von einem ähnlichen Projekt, wurden auf den Grundstücken Paulownien angepflanzt, um eine so genannte "Short Rotation Plantation" einzurichten. In relativ kurzer Zeit gewachsenes und wieder geschlägertes Paulownia-Holz sollte Edelhölzer wie Balsa ersetzen, für die oft Regenwald abgeholzt wird.
"Der Baum speichert aber auch sehr viel Kohlendioxid", sagt Arjen Crul, der Projektleiter der Plantage von Naturevest. Das Speicherpotenzial habe man von der Universität Wageningen in den Niederlanden berechnen lassen. Die Idee, in das "Carbon Offsetting"-Geschäft einzusteigen, kam auf. Unternehmen wollen dabei CO2-Emissionen, die sie nicht vermeiden können, durch Investitionen in Klimaschutzprojekte kompensieren.
Ein Teil der riesigen Paulownia-Plantage von Naturevest
Neuer Zertifizierungsstandard musste geschaffen werden
Auf solche Klimaschutzprojekte spezialisierte Unternehmen verdienen an ihrer "grünen" Tätigkeit, indem sie den Unternehmen CO2-Zertifikate verkaufen. Das alles passiert auf dem so genannten "Voluntary Carbon Market". Im Gegensatz zur Teilnahme an CO2-Märkten wie dem EU-ETS, zu der Unternehmen aus emissionsintensiven Branchen verpflichtet werden, geht es dabei um freiwillige Kompensation. Unternehmen aus ganz unterschiedlichen Branchen versuchen damit, ihren Kunden ein reines Gewissen zu verschaffen und das eigene Geschäft als klimaverträglich zu präsentieren.
Um zu gewährleisten, dass das CO2-Kompensieren mit rechten Dingen zugeht, gibt es weltweit anerkannte Zertifizierungsstandards. Die bekanntesten sind der Verra Verified Carbon Standard, der Gold Standard oder Climate Action Reserve. "Short Rotation"-Plantagen sind beim "Carbon Offsetting" aber etwas Neues, das bisher kein Standard abdeckte. Deshalb schuf Naturevest gemeinsam mit dem niederländischen Unternehmen Proba einen neuen Zertifizierungsstandard.
Ein Anwendungsbeispiel für Paulownia-Holz: Kerne für Surfboards
Transparenz gegen"Greenwashing"
Auf der aktuell 300 Hektar großen Plantage in Kroatien, südlich von Zagreb, wachsen momentan 130.000 Paulownia-Bäume. Dieser erste Bestand existiert seit 2017. Nach 10 Jahren Wachstum werden die Bäume gefällt. Das Kohlendioxid, das sie bis dahin aufgenommen haben, soll langfristig in vielerlei Produkten gespeichert werden - neben den bereits erwähnten u.a. auch in Skis oder Saunas. Selbst kleinste Reste des Holzes lassen sich verwerten, indem man Dämmplatten daraus herstellt, erklärt Sandler.
Dem Unternehmer ist bewusst, dass mit freiwilligem "Carbon Offsetting" viel Schindluder getrieben wird. "Greenwashing"-Sorgen will man mit hoher Transparenz begegnen. Die Plantage wird nach einem ISO-Standard für Biodiversität bewirtschaftet. Da die Paulownia in Europa nicht heimisch ist, werden nur im Labor gezüchtete Hybrid-Pflanzen gesetzt, die sich nicht selbstständig verbreiten können. Dass sich die Plantage in Europa befindet und nicht außerhalb, soll zusätzlich Vertrauen schaffen.
Im zentralen Kroatien sei die Waldbrandgefahr auch gering. "Dort sieht es aus wie im Alpenvorland", sagt Sandler. Paulownia-Holz habe dazu einen sehr hohen Brennpunkt. Das Risiko, dass all die zertifizierten CO2-Kompensationen sich eines Tages in Rauch auflösen, soll dadurch reduziert werden.
Bei der Berechnung, wieviel CO2 durch eine gewisse Menge Paulownia-Holz kompensiert werden kann, wird der Fall eines Verlustes mit einem 10-Prozent-Puffer eingerechnet. Abzüge gibt es auch für jene CO2-Emissionen, die bei der Bewirtschaftung der Plantage erzeugt werden, etwa durch Traktoren.
Naturevest-CEO Leopold Sandler glaubt an den Erfolg von Carbon Offsetting mittels Baumplantagen
Käufer und Abnehmer gesucht
Die 130.000 Bäume werden vor Ort von 25 Personen betreut. Bisher hat die Plantage noch kein Geld abgeworfen. Laut Sandler stecke "namhaftes Eigenkapital drinnen". Der Unternehmer ist aber vom Erfolg seines Geschäftsmodells überzeugt. Die Fläche der Plantage soll erweitert werden.
CO2-Zertifikate seien bisher erst in kleineren Mengen verkauft worden. Mit einem größeren Unternehmen aus Österreich führe man derzeit Gespräche. Die potenzielle Kundschaft sei aber groß, sagt Sandler. Die Palette reiche von klimabewussten Tourismusunternehmen über Banken, Verlage bis hin zu Logistikfirmen. Auch mit Abnehmern für das Paulownia-Holz wurden bereits Kontakte geknüpft.
Ideenverbreitung statt Konkurrenz
Konkurrenz nehme man bisher keine wahr, sagt Sandler. "Wir sehen das auch nicht so. Unsere Informationen zum Paulownia-Anbau geben wir alle her." Mit zwei Forstbetrieben in Österreich habe man schon gemeinsame Projekte. Innerhalb Europas wisse man nur von einer Plantage, die noch größer als jene von Naturevest sei. Sandler: "Die befindet sich in Spanien. Auch die sehen wir nicht als Konkurrenten. Wir alle wollen die Idee verbreiten."
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