"E-Wirtschaft steuert ins Desaster"

"E-Wirtschaft steuert ins Desaster"
Der Chef der Energie AG OÖ fordert Abbau der Ökostromförderung, setzt aber selbst auf Windstrom.

Österreichs Elektrizitätswirtschaft schwimmen die Profite davon. Der niedrige Großhandelsstrompreis macht große Kraftwerke zu Verlustbringern. Leo Windtner, Chef der Energie AG Oberösterreich, spricht im KURIER über die Angst der Stromfirmen vor der Zukunft, die hohe Ökostromförderung und warum die Energie AG selbst in erneuerbare Energien investiert.

KURIER: Herr Generaldirektor, die großen Energieversorger kritisieren seit Jahren, dass der Strommarkt mit den Öko-Förderungen auf Dauer nicht funktionieren kann. Hört das niemand?

Leo Windtner: Das Probleme ist: Das, was sich in der europäischen Energiepolitik abspielt, ist ein Spiegelbild der Gesamtpolitik. Es gibt leider keine supranationale Koordination, hier wird auf der nationale Schiene marschiert. Das hat negative Konsequenzen.

Welche?

Das sind nationale Zugänge, wie sie in der extremen Ausformung in der Energiewende in Deutschland zu sehen sind.

Heißt das, die deutsche Energiewende ist das Hauptproblem?

Die Energiewende wird sogar bis zu ihrer Zielumkehr durchgezogen. Denn es gibt ja kein gravierenderes Symptom als das, dass wir in Deutschland jetzt das höchste Braunkohlestrom-Aufkommen in der Geschichte haben. Und das soll der Preis für die Energiewende sein? Und dass viele Regionalkaiser in Deutschland notwendige Netzverbindungen ablehnen, ist hinlänglich belegt.

Dass die Versorger gerne mehr Stromleitungen hätten, ist klar.Aber was hätten die Stromkunden davon?

Es könnte bei der Versorgungssicherheit rascher Probleme geben, als wir glauben. Denn die Erfordernisse im Netzausbau durch die dezentrale Erzeugung und die tatsächliche Realisierung klaffen weit auseinander.

Die Energie AG hat soeben ihr letztes Kohlekraftwerk zugesperrt. Auch der Verbund steigt aus der Wärmekraft aus. Bedrohen Sie damit die Versorgungssicherheit nicht viel mehr?

Die Energiepolitik hat sich in diesem Punkt fast selbst aufgegeben. Denn jetzt sind es nicht mehr die Versorger, die den Kraftwerkseinsatz bestimmen, sondern die Netzbetreiber. Sie fordern, dass gewisse Kraftwerke laufen. Das Kohlekraftwerk Riedersbach würde sich aber auf keinen Fall rechnen.

Und das Gaskraftwerk Timelkam der Energie AG rechnet sich?

Die Leistung von Timelkam ist ausverkauft. Wir fahren das Kraftwerk für den deutschen Netzbetreiber TenneT und die österreichische Netzgesellschaft APG. Sie brauchen das zur Netzabstützung. Der liberalisierte Markt wurde also stillschweigend in die Historie geschickt. Denn die Fördersysteme sind es, die jetzt den Strommarkt bestimmen.

Die Energie AG errichtet jetzt selbst Windkraftanlagen. Sie gehen genau in den geförderten Markt, den Sie kritisieren. Wie erklären Sie diesen Widerspruch?

Das ist eine Frage des wirtschaftlichen Überlebens geworden. Wenn sich ein Wasserkraftwerk heute im normalen Investitionsgefüge meilenweit nicht rechnet und nur noch geförderte Energieträger zur Investition gelangen, dann werden wir uns nicht aus der Reihe stellen können. Die Leitplanken dafür sind von der Politik gestellt. Wir würden ein Zurückfahren der Förderprogramme mehr als begrüßen.

Das würde die Energie AG mit Windanlagen aber auch negativ betreffen ...

Das ist richtig. Es wird aber auch ein volkswirtschaftliches Thema werden, wenn der Ökostromzuschlag so wie in Deutschland den Strompreis überschreitet.

Sehen Sie Wachstumschancen der Energie AG ohne Ökostrom?

Ja, neben den Erneuerbaren geht es um neue Geschäftsfelder wie Energiedienstleistungen, Glasfasernetze und Internet.

Viele Stromkunden erzeugen ihren Strom mit Fotovoltaik. Spüren Sie das im Absatz bereits?

Nein, noch nicht, weil es um sehr kleine Mengen geht. Aber es wird ein mit zu kalkulierender Faktor werden.

Der Strompreis im Großhandel ist extrem niedrig und scheint es auf Jahre zu bleiben. Wie lange hält das die Energie AG aus?

Wir haben in den vergangenen zwei Jahren die Kosten substanziell reduziert. Es werden nachhaltig 20 Millionen Euro eingespart. Aber wir müssen beim Sparkurs nochmals nachsetzen. Dass dieser Kurs ins Extreme führt, zeigen die deutschen Beispiele E.ON und RWE. Die Politik wäre gut beraten, Überlegungen zur Energiezukunft anzustellen, um diese fern jeder Marktwirtschaft stehenden Wege zu verhindern.

Was soll die Politik ändern?

Die Politik muss Rahmen schaffen, damit die Investitionen zurückkehren und damit Bürokratiemoloche wie ein Energieeffizienzgesetz keinen Platz haben. Die Fördersysteme weiterzuschreiben, wird nicht gehen. Wir müssen statt Dauerrenten Investitionsanreize erreichen.

Die Fördersysteme aber laufen bis 2023, da gibt es auf lange Sicht keine Lösung ...

Das ist richtig. Aber wenn wir jetzt nicht anfangen, werden wir 2020 vor einem totalen Desaster stehen.

Was macht die Energie AG dann?

Das fragen mich die Aktionäre auch. Wir überprüfen die Strategie, senken Kosten. Aber die Politik muss die System-Verzerrungen und die Klientelpolitik beenden. In Oberösterreich etwa stoppt Landeshauptmann-Stellvertreter Haimbuchner die Förderung von Wärmepumpe und Fotovoltaik. Im Agrarbereich ist man aber nicht bereit, die Biomasse-Förderung zu senken. Dieses Sytem kommt aus dem Gleichgewicht.

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