Dritte Piste: Wien gegen Wien

Flughafen Wien-Schwechat, Archivbild
Magistratsdirektion legte gegen den positiven Erstbescheid für das Großprojekt Berufung ein. Gutachten: Stadt könnte deswegen ihre Treuepflicht als Aktionärin des Flughafens verletzt haben.

Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) kann das vorläufige Aus für die dritte Flughafen-Piste brauchen wie einen Kropf. Die Bundeshauptstadt will sich noch stärker als internationaler Wirtschaftsstandort profilieren, tut alles, um Unternehmen herzubringen, und forciert den Tourismus.

"Unerlässlich" sei der Bau der Piste, wenn Wien als Wirtschaftsstandort seine Hub-Funktion "nach Ost und West" erhalten wolle, monierte der Bürgermeister nach der umstrittenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes. Und "selbstverständlich" werde man als 20-Prozent-Eigentümer den Flughafen unterstützen, die rechtlichen Genehmigungen für den Bau doch noch zu erhalten. Die konträre Meinung des grünen Koalitionspartners ist Häupl dabei herzlich egal.

Nicht egal kann dem Chef im Rathaus allerdings sein, dass die eigene Magistratsdirektion gegen den ersten – positiven – Bescheid für den Start des Großprojektes am Flughafen Berufung einlegte.

Das Land Niederösterreich gab für die mehre Milliarden Euro teure Start- und Landepiste im Rahmen des Umweltverträglichkeitsverfahrens als erste Instanz 2012 grünes Licht. Neben anderen Beschwerdeführern beeinspruchte seltsamerweise auch die Stadt Wien die Entscheidung.

Die Causa ging zur zweiten Instanz, zum neuen Bundesverwaltungsgericht. Die Richter anerkannten zwar die wirtschaftliche Notwendigkeit der Piste, räumten aber dem Klimaschutz und dem Bodenverbrauch höhere Priorität ein. Sie schlossen auch noch die ordentliche Revision aus, was den Rechtsweg für den Flughafen erschwert. Der Airport geht vor die Höchstgerichte.

Das Pikante an der Berufung des Wiener Magistrats: Die Stadt ist mit 20 Prozent einer der Großaktionäre der Flughafen Wien AG. Sie hat ihre Anteile mit dem Land Niederösterreich syndiziert, das ebenfalls 20 Prozent hält. Die beiden Länder agieren als Aktionäre also in Übereinstimmung. Niederösterreichs abgehender Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) kündigte an, die Entscheidung zu bekämpfen. Und reitet mit Häupl noch einmal gemeinsam aus.

Im Auftrag von Wirtschaftskreisen erstellte die Anwaltskanzlei bkp jetzt ein Gutachten über die ziemlich seltsame Rolle Wiens. Die Juristen kommen zu einem sehr kritischen Ergebnis. "Man kann mit guten Gründen sagen, dass der Großaktionär Wien dem Unternehmen Flughafen in den Rücken gefallen ist", konstatiert Rechtsanwalt Arno Brauneis. "Wien ging nämlich als Aktionär gegen die Interessen des Flughafens vor, weil die Stadt gegen den Bescheid, der den Bau der dritten Piste genehmigt hat, Berufung eingelegt hat." Damit würden auch gute Gründe dafür sprechen, "dass die Stadt Wien die Treuepflicht als Aktionär verletzt hat". Wegen der "Verhinderung von Geschäftschancen".

Der Verfassungsexperte Heinz Mayer beurteilt die Causa ebenso. "Die Frage der Treuepflicht kann man durchaus stellen. Es ist sicher nicht alltäglich, dass ein Großaktionär gegen eine Entscheidung, die seine Gesellschaft begünstigt, ein Rechtsmittel ergreift."

Starker Tobak. Aktionäre sind verpflichtet, zum Wohle des Unternehmens zu handeln. Wird die Treuepflicht verletzt, können Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden. Der Flughafen oder andere Aktionäre könnten von der Stadt Wien Schadenersatz verlangen. Was realpolitisch allerdings nicht sehr wahrscheinlich ist. Wer legt sich wirtschaftlich schon gerne mit einem derart übermächtigen Gegner an?

Warum aber hat die Stadt überhaupt berufen?

"Wir mussten das, um unsere Stellung als Partei im Verfahren abzusichern. Unsere Anwälte haben uns dringend dazu geraten", sagt der SPÖ-Gemeinderat Erich Valentin, Vorsitzender des Umweltausschusses. "Unfug", widerspricht Mayer. Er kam damals in einem Gutachten für den Flughafen zur Auffassung, die Stadt habe automatisch Parteienstellung. Das sieht auch das pkb-Gutachten so.

Valentin verteidigt die Vorgangsweise damit, dass die Stadt eine Reduzierung des Fluglärms für dicht besiedelte Bezirke erreichen wollte. Was auch gelungen sei. Man habe in der Berufung ohnehin erwähnt, dass Wien nicht gegen den Bau der Piste sei.

"Spielt keine Rolle, Berufung ist Berufung. Das ermöglicht der Instanz, die Sachlage in jeder Richtung neu zu beurteilen und eine neue Entscheidung zu fällen", kontert Brauneis. Was das Verwaltungsgericht dann auch tat.

Die Balance zwischen wirtschaftlichen Interessen und Umweltschutz sei halt nicht immer einfach, sagt Valentin, der die Stadt auch im jahrelangen Mediationsverfahren zwischen dem Flughafen und den Anrainern vertrat. "Wir müssen die Aktionärsinteressen genauso beachten wie den Umweltschutz. Da muss man eben Kompromisse machen." Die Realität gebe ihm nachträglich Recht. Denn etliche Anrainer, die zuerst Parteienstellung hatten, seien in der zweiten Instanz nicht mehr dabei gewesen.

Die Verwaltungsrichter gingen auf die Argumente Wiens in Sachen Fluglärm aber gar nicht ein. Sie hoben die Entscheidung des Landes NÖ im Ganzen auf.

Der Bürgermeister wurde vor der Berufung übrigens nicht informiert. "War auch nicht notwendig", meint Valentin. Die Parteienstellung Wiens sei politisch ja gewünscht gewesen. Aus dem Rathaus hört man freilich, Häupls Begeisterung über den Einspruch sei enden wollend gewesen.

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