Dritte Piste: Aus nach 25 Jahren und 39 Expertisen

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Vor allem die explodierenden Baukosten führten zur Absage des Projekts. Für die Passagiere wird sich aber kaum etwas ändern.

Tag eins nach dem überraschenden Aus für die dritte Piste am Flughafen Wien. Freude bei Anrainern und Umweltschützern (siehe Bericht rechts), eine nüchterne Betrachtung der veränderten Lage seitens des Vorstands (siehe Interview links). Doch wie wird sich die Entscheidung auf den Konzern und den Flugverkehr in der Bundeshauptstadt auswirken? Der KURIER beantwortet dazu die wichtigsten Fragen:

Warum hat der Flughafen diese Entscheidung getroffen und darüber hinaus früher als geplant?

Vor rund einem Jahr teilte der Vorstand mit, die endgültige Entscheidung werde 2026 getroffen. Dass diese bereits jetzt erfolgte, ist wohl mit der immer größeren Klarheit der Situation zu erklären. So galoppieren die Baukosten davon. Im Jahr 2000, als die für das Projekt notwendige Umweltverträglichkeitsprüfung eingereicht wurde, wurden die Kosten mit 2,5 Mrd. Schilling (182 Millionen Euro) angegeben. Aktuell wären es zwei Milliarden Euro gewesen. Hinzu kommt noch immer eine gewisse Rechtsunsicherheit. Der Flughafen hatte um einen Aufschub der Gültigkeit des Baubescheids bis 2033 ersucht, genehmigt worden ist dieser nur bis 2030. Dagegen hatte der Konzern berufen. Auch nach 17 Monaten ist darüber vom Verwaltungsgerichtshof nicht entschieden worden.

Wie lange liefen die behördlichen Verfahren?

Im Jahr 2000 wurde mit sieben Jahren gerechnet. Die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) startete 2007. 20 Gutachterteams haben dazu insgesamt 39 Expertisen erstellt, darunter zu Lärm, Medizin, Verkehr, Naturschutz und Luftschadstoffen. Erst im März 2019 – nach Durchschreiten aller Instanzen – gab es endgültiges grünes Licht. Doch auch danach gab es noch Klagen, sodass eine endgültige Rechtssicherheit im Februar 2020 vorlag. Mit Hilfe des seit 2018 geltenden Standortentwicklungsgesetzes sollten künftige UVP beschleunigt werden.

Warum hat der Flughafen nicht gleich 2020 mit dem Bau losgelegt?

Baustellen dieser Dimension können trotz gültigem Baubescheid nicht von heute auf morgen gestartet werden. Die Planungen müssen konkreter und Baulose ausgeschrieben werden. Im Fall der dritten Piste kam noch ein weiterer, entscheidender Faktor hinzu. Die Pandemie. Der Flugverkehr brach im März 2020 weltweit zusammen und erholte sich erst 2023 wieder. Wie nachhaltig, war jedoch zu diesem Zeitpunkt nicht abschätzbar. Daher wollte der Flughafen die Realisierungsfrist für die erste Bauphase vom Jahresende 2023 auf den 30. Juni 2033 verschieben.

Waren die Planungen und bisher angefallenen Kosten von 90 Mio. Euro umsonst?

Nicht ganz. „Mit der Entscheidung wird nicht ausgeschlossen, dass bei Bedarf in fernerer Zukunft nach einem neuen Genehmigungsverfahren ein Pistenprojekt verfolgt wird“, heißt es seitens des Airports. Sprich, man kann die Pläne zu einem späteren Zeitpunkt aus der Schublade holen und sie updaten. Vor allem hinsichtlich technischer Natur ändert sich im Bereich Aviation in einigen Jahren vieles. Freilich, die Behördenverfahren würden von vorne beginnen.

Wie wird sich die Absage auf die Passagiere auswirken? 

In den nächsten Jahren gar nicht, schließlich wäre die Piste erst 2033 fertig geworden. Zwar prognostiziert der Flughafen ein stetiges Wachstum an Passagieren von derzeit rund 31 Millionen im Jahr. Aber dies sei gut bewältigbar, weil, wie berichtet, zunehmend größere Flieger zum Einsatz kommen, sodass es zu keinem Engpass bei Starts und Landungen (Slots) kommt. Im Durchschnitt mag dies stimmen, dennoch kommt es schon jetzt zu Spitzenzeiten bzw. bei Schlechtwetter zu Verspätungen (Kreisen). Allerdings werden die Start- und Landeverfahren immer ausgeklügelter, sodass die Abstände zwischen zwei Fliegern verkürzt werden könnten. Und das ersparte Geld für den Bau kann in andere Infrastruktur, etwa für einen bequemeren Aufenthalt in den Terminals, fließen. Dass das geltende Nachtflugverbot (mit Ausnahmen) fällt, ist undenkbar.

Wird der Flughafen Bratislava von der Entscheidung profitieren?

Nein, eher im Gegenteil. Denn die Airlines bzw. infolge die Passagiere hätten die Baukosten in Form höherer Gebühren umgehängt bekommen. Sie sprachen sich daher gegen den Bau aus. Dass Billigflieger wie Ryanair zunehmend Bratislava statt Wien ansteuern, hat vielmehr den Hintergrund höherer Steuern in Österreich.

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